Fahrzeugsysteme erfordern immer mehr On-Board-Kameras, Sensoren, Displays und zentralisierte Computersysteme, die von einer wachsenden Zahl von Zulieferern gebaut werden. Die Datenschnittstellen, die diese Systeme miteinander verbinden, spielen eine wesentliche Rolle für die Sicherheit und Zuverlässigkeit, die zu den Kernanforderungen der neuen Technologien gehören.
Die Standardisierung und die damit verbundene Interoperabilität sind von großer Bedeutung. Sie tragen dazu bei, durch Skaleneffekte die Kosten zu senken und bilden gleichzeitig ein Rahmenwerk für Innovationen. MIPI A-PHY ist die erste Standard-Serializer-Deserializer(SerDes)-Physical-Layer-Schnittstelle mit großer Reichweite für Anwendungen im Automobilbereich. Sie liefert die Grundlage für ein „Edge Connectivity“-System, das Kameras mit elektronischen Steuereinheiten (ECUs) und Anzeigesystemen verbindet und dabei gleichzeitig die strengen Anforderungen an die funktionale Sicherheit von Fahrzeugsystemen erfüllt.
Zentrale Aufgabe von A-PHY ist die Übertragung von Hochgeschwindigkeitsdaten zwischen Kameras und Displays und den zugehörigen Domain-Steuergeräten. Es ermöglicht den Higher-Layer-Protokollen der MIPI Alliance und von Drittanbietern nativ über physikalische Verbindungen im gesamten Fahrzeug zu kommunizieren.
Die Schnittstellenspezifikation ermöglicht eine bisher unerreichte Zuverlässigkeit, Elastizität, extrem niedrige Paketfehlerraten und hohe Leistung. Zukünftig sollen noch höhere Übertragungsgeschwindigkeiten unterstützt werden.
Anwendungsbeispiel: Rückfahrkamera mit Display
Das einfachste Beispiel für den sicherheitsrelevanten Einsatz von A-PHY ist ein Rückfahrkamera-System. Ein weiteres Beispiel, das in naher Zukunft auf dem Prinzip von A-PHY basieren könnte, ist das Ersetzen oder Ergänzen von Seitenspiegeln durch Camera-Monitoring-Systeme: Eine am Heck angebrachte Kamera überwacht den Raum hinter dem Fahrzeug und ermöglicht es den Bordsystemen und dem Fahrer beim Rückwärtsfahren, Fußgänger – insbesondere kleine Kinder – im Schwenkbereich des Fahrzeugs zu erkennen.
Eine direkte A-PHY-Verbindung überträgt die Daten dieser Kamera zu einer elektronischen Steuereinheit (ECU), die das Signal verarbeitet. Ein weiterer A-PHY-Anschluss verbindet die ECU mit einem Display im Armaturenbrett, auf dem das Videobild in Echtzeit angezeigt wird.
Würde eine Fehlfunktion oder ein böswilliger Angriff das Video einfrieren oder zum Stillstand bringen, könnte dies fatale Folgen haben. Ein auf A-PHY basierendes End-to-End-System trägt dazu bei, diese Art von Ausfällen zu verhindern. Bei genauer Betrachtung der MIPI-A-PHY-Technologie wird ihre Rolle im Hinblick auf die Fahrsicherheit deutlich.
Grundlegende Architektur und Spezifikationen
Als erster SerDes-PHY-Standard für große Reichweiten im Automobilbereich soll A-PHY proprietäre SerDes-PHYs ersetzen und gleichzeitig die fahrzeuginternen Netzwerk-Backbones wie CAN und Automotive Ethernet ergänzen. Denn A-PHY ist ein asymmetrisches Protokoll mit einer Punkt-zu-Punkt-Topologie, das unidirektionale Hochgeschwindigkeitsdaten und bidirektionale Steuerdaten über ein einziges Kabel unterstützt. Es läuft entweder über Koaxial- oder SDP-Kabel (Shielded Differential Pair) und ermöglicht auch die Stromversorgung über dasselbe Kabel.
A-PHY v1.0 wird in Kürze für MIPI-Mitglieder verfügbar sein. Die erste Version deckt eine maximale Reichweite von 15 m auf Koax und eine Höchstgeschwindigkeit von 16 Gbit/s ab. Eine Erweiterung auf 48 Gbit/s und mehr ist bereits für spätere Versionen geplant. Die Standardisierung auf A-PHY wird Zulieferern und OEMs helfen, die steigende Nachfrage nach Sensoren und Displays in Fahrzeugen zu befriedigen. Ab 2024 soll A-PHY flächendeckend in Serienfahrzeugen eingesetzt werden.
Die A-PHY-Spezifikation bringt im Gegensatz zu früheren oder in der Entwicklung befindlichen Standards neue Lösungsansätze für mehr Robustheit und Resilienz zukünftiger sicherheitsrelevanter ADAS-Anwendungen sowie für die Datenkompression bei zukünftigen 4K- und Display-Anwendungen, die über IVIs hinausgehen. Ein schneller, lokaler RTS-Mechanismus (RTS = Local PHY-Level Retransmission System) in Kombination mit Echtzeit-Rauschunterdrückung erlaubt es, Fehler bis hinunter zur Stufe 10-19 in einer lauten Automobilumgebung zu korrigieren. Das schließt auch lang andauernde (> 100 ns) Impulsangriffe (bis zu 40 mV Spitze oder 89 dBuV RMS) ein.
Zahlreiche MIPI-Spezifikationen werden bereits von der Automobilindustrie eingesetzt, von MIPI CSI-2 und MIPI DSI-2 bis zu den Physical Layers MIPI C-PHY/D-PHY. C-PHY und D-PHY haben jedoch eine maximale Reichweite von 30 cm und sind für den Einsatz in Mobiltelefonen und anderen mobilen Endgeräten ausgelegt.
Daher verwenden Systemintegratoren in der Automobilindustrie für große Reichweiten noch immer separate, proprietäre PHYs, die spezielle SerDes-Brücken-Chips erfordern. Ein PHY-Standard mit großer Reichweite, der CSI-2, DSI-2 und andere Protokolle nativ transportieren kann, wird es Anbietern erleichtern, interoperable Komponenten zu entwickeln. Dies wiederum begünstigt auch die Entwicklung von mehr und besseren Sensoren und Displays.
Durchgängiges System für funktionale Sicherheit
Basierend auf der ISO-26262-Norm für funktionale Sicherheit hat die MIPI Alliance ein End-to-End-System zur Anbindung von Kameras und Displays an Domain-Steuergeräte für sicherheitsrelevante Anwendungen entwickelt. Es ermöglicht funktionale Sicherheit für heterogene Protokolle und jede Art von Topologien, einschließlich der Reihenschaltung (Daisy-Chaining). Entwicklungsingenieure können diese Architektur verwenden, um Systeme zu bauen, die die ASIL-Anforderungen (Automotive Safety Integrity Level) auf jeder Ebene, von ASIL B bis ASIL D, erfüllen.
Das System bietet durchgängige Sicherheits- und Schutzfunktionen. Dies umfasst sowohl den Schutz von Protokollen der oberen Schicht, die nativ über A-PHY transportiert werden können, als auch den von C-PHY/D-PHY, die in Teilen der Architektur verwendet werden können, sowie A-PHY selbst.
Protokoll-Stack im Detail
Der Protokoll-Stack von A-PHY besteht aus Protokollanpassungsschichten (PALs), die Protokolle dem A-Paket-Format von A-PHY zur nativen Übertragung über A-PHY zuordnen. Dies geschieht auf der allgemeinen Datenverbindungsschicht (DLL) und dem Physical Layer (Bitübertragungsschicht) selbst.
PALs für MIPI CSI-2 und DSI-2 sowie für Schnittstellen mit geringerer Bandbreite wie I2C und GPIO sind bereits in der Entwicklung. Die MIPI Alliance arbeitet mit anderen Organisationen zusammen, um native Protokolle über die in A-PHY enthaltene generische Datenverbindungsschicht zu nutzen. Im Rahmen dieser Bemühungen hat MIPI seine Zusammenarbeit mit VESA intensiv ausgeweitet und arbeitet aktiv an der Entwicklung eines A-PHY-Adaption Layer zur Verwendung mit seinen DisplayPort- und Embedded-DisplayPort-Standards. Darüber hinaus lässt dies auch langfristig die Entwicklung weiterer PALs zu.
Die Sicherungsschicht (DLL) terminiert, priorisiert und leitet A-Pakete weiter. Sie ermöglicht das Aggregieren und das Multiplexing verschiedener Protokolle über eine einzige A-PHY-Verbindung.
Das A-Packet-Format selbst verfügt über mehrere Funktionen zur Erkennung und Prävention von Fehlern und möglichen Angriffen. Dazu gehören eine zyklische Redundanzprüfung (CRC) sowohl im Paket-Header als auch im Footer, ein Mitteilungs-Zähler im Header zur Abwehr von Wiederholungsangriffen und ein Timeout-Monitor zur Erkennung von Übertragungsverlusten.
Auf der physischen Ebene ist ein RTS auf PHY-Ebene so ausgelegt, dass es beschädigte A-Pakete wiederherstellt und eine stabile Verbindung gewährleistet. Es bietet eine besonders starke Immunität gegen EMV-Effekte (elektromagnetische Verträglichkeit) in komplexen Automobilumgebungen. Tests in einem unabhängigen Labor haben gezeigt, dass A-PHY-Verbindungen auch nach jahrelanger mechanischer Belastung und Alterung des Kabels ein hohes Maß an Störfestigkeit beibehalten können. Dies trägt zu der extrem niedrigen Paketfehlerrate von A-PHY von < 10-19 beziehungsweise mehr als 10.000 Fahrzeuglebenszyklen zwischen Paketfehlern bei.
Mit diesen Mechanismen ist ein auf A-PHY basierendes End-to-End-System in der Lage, Fehler und Angriffe, die die sichere Direktübertragung der Daten von der Backup-Kamera zum Display im Armaturenbrett beeinträchtigen könnten, zu verhindern oder zu korrigieren. Selbst in einer komplexen Topologie, die mehrere miteinander verbundene Module für verschiedene Anwendungen umfasst, ist diese sichergestellt. Da Fahrer und Automatisierungssysteme für einen sichereren Fahrzeugbetrieb zunehmend auf Bilderfassung und -anzeige angewiesen sind, ist diese Fähigkeit einer der Hauptvorteile der A-PHY-Einführung.
Performance
Effiziente Hochleistungstechnologie in A-PHY wird Entwicklern helfen, die Sicherheitsanforderungen für zukünftige Kameras und Display-Systeme zu meistern. A-PHY v1.0 deckt fünf Geschwindigkeitsstufen ab: von 2 Gbit/s (Stufe 1) bis 16 Gbit/s (Stufe 5).Die niedrigeren Geschwindigkeitsstufen G1 und G2 (2 Gbit/s bis 4 Gbit/s) sind für kostengünstigere Implementierungen mit geringerem Stromverbrauch ausgelegt und verwenden die NRZ-8b/10b-Kodierung.
Die höheren Übertragungsraten, G3 bis G5 (8 Gbit/s bis 16 Gbit/s), sind für leistungsstärkere Anwendungen und höhere Störfestigkeit ausgelegt. Sie umfassen Narrow Band Interference Cancellation (NBIC) und die PHY-Ebene RTS, um maximale Zuverlässigkeit und Ausfallsicherheit der Verbindung zu gewährleisten. Die höheren Geschwindigkeiten ermöglichen es, Datensignale von mehreren HD-Kameras zu einem Domain-Steuergerät und von dem Steuergerät zu mehreren entfernten HD-Displays zu transportieren, auch in einer Daisy-Chain-Topologie.
Fazit
Die von MIPI A-PHY bereitgestellte Industrienorm ist wichtig für das Realisieren von Skaleneffekten für geringere Kosten und eröffnet neue Möglichkeiten für Automobilhersteller und ihre Zulieferer. A-PHY bietet eine hohe Leistung mit einer bisher unerreichten Zuverlässigkeit und niedrigen Paketfehlerraten, wobei Sicherheit und Zuverlässigkeit im Mittelpunkt der Bemühungen stehen.