Die Integration und Aggregation von Daten sowie das Cloud-Computing versprechen Effizienzsteigerungen, machen aber auch neue Geschäftsmodelle möglich. Eine systematische Erhebung von Anforderungen und die Evaluierung von Analyse- und Aggregationsmethoden für die Prozessindustrie war bislang unzureichend.
Auch fehlen Standards zur IT-Systemarchitektur und zur Integration von IT-Systemen über Unternehmensgrenzen hinweg. Die Einbindung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) ist nicht adäquat möglich, wobei gerade der Austausch zwischen Betreibern und Komponentenzulieferern hohe Effizienzpotenziale für den Gesamtprozess verspricht.
Unternehmensübergreifende Analyse
Genau hier setzt das SIDAP-Projekt an und ermöglicht in einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit die Erfassung von Fehlern und die Datenanalyse. Beispielsweise können ungeplante Produktionsausfälle vermieden werden und der Austausch defekter Komponenten zeitnah erfolgen.
SIDAP steht für „Skalierbares Integrationskonzept zur Datenaggregation, -analyse, -aufbereitung von großen Datenmengen in der Prozessindustrie“. Übergeordnetes Ziel von SIDAP ist die Erforschung von unternehmensübergreifenden Tools und Verfahren. Von diesen Technologien sollen aufgrund der einfachen Handhabbarkeit künftig vor allem KMUs profitieren. Im Rahmen des SIDAP-Projekts wurden eine Reihe von Anwendungsfällen diskutiert, insbesondere unter den Gesichtspunkten der Geschäftsrelevanz und der Machbarkeit der Datenbeschaffung.
Hauptanwendungsfall ist die vorausschauende Wartung, aber auch andere Anwendungsfälle sind möglich, etwa Erkennung von Anomalien, Qualitätssicherung sowie Änderung von Anlagenobjekten. Da sich die Bereitstellung von Daten als kritisch herausstellte, wurde auf die Echtzeitdatenverarbeitung (Condition Monitoring) verzichtet.
Zur Realisierung dieser Anwendungsfälle wurden unternehmensübergreifende, sichere und skalierbare SIDAP-IT-Architekturen zur Datenintegration und -aggregation entworfen. Sie verarbeiten die bereits vorhandene Strukturinformationen und Datenströme aus den Engineering- und Prozessleitsystemen unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Semantik. So können Gerätehersteller anhand von Nutzungsdaten der Geräte in den Produktionsanlagen etwa Störungen analysieren, präventiv Fehler identifizieren und rechtzeitig eingreifen.
Anwendung: Ventil-Diagnose
Zur Lösung der Problemstellung wurde als betrachteter Teilbereich im SIDAP-Projekt die Diagnose von Ventilen als Anwendungsbeispiel ausgewählt. Typische Ventilfehler sind Verschleiß oder Fouling/Blockage. Diese können zu Anlagenstillständen führen und haben den Austausch des Ventils und ungeplante Produktionsausfälle zur Folge.
Über die SIDAP-Datenanalyse konnte das Verhindern von Produktionsausfällen, die Erarbeitung von Designempfehlungen und Ventilverbesserungen durch die Hersteller erzielt werden. Hauptaugenmerk von SIDAP war somit die unternehmensübergreifende Diagnose von Geräten für die vorausschauende Wartung.
Besondere Herausforderungen waren dabei die Integration von Daten aus verschiedenen Quellen (Entwicklung, Betrieb, Wartung), Werken und die unterschiedlichen Sichten von Hersteller, Engineering, Betrieb und Wartung. Innerhalb eines Unternehmens sind in der Regel die verfügbaren Daten für eine repräsentative Datenauswertung nicht ausreichend.
Über das SIDAP-Konsortium und den unternehmensübergreifenden Datenaustausch konnte die Datenbasis und die Zahl der Fehlertypen und -fälle erhöht werden. Durch diesen vergrößerten Datenpool wurden die Daten der Unternehmen analysiert und verschiedene Lösungsansätze des Data Minings mit Hilfe von Algorithmen, Daten- und Systemarchitekturen sowie Cloud-Technologien angewandt.
Aus den Daten lassen sich somit Vorhersagen für Fehler und Wartungserfordernisse ableiten. Ferner können Verbesserungen für einen schonenderen Betrieb vorgeschlagen werden. Zur Analyse von Ventilanomalien wurden Machine-Learning-Methoden und der Erkennung von Leckagen mit Hilfe von neuronalen Netzen angewandt. Mit den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich potenzielle SIDAP-Anwendungsfälle nach ihren Erfolgsaussichten frühzeitig selektieren, passende Algorithmen leichter identifizieren und zukünftige Datenanalysen schneller umsetzen.
Cloud-Demonstrator
Im Rahmen des Projekts wurde ein SIDAP-Demonstrator mit IBM SPSS implementiert, mit dem die Speicherung, Modellierung, Analyse und Visualisierung von Daten umgesetzt wurden. Zur Entwicklung und Bestimmung von Diagnosemethoden wurden auch Klassifikationsmodelle aus dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz angewendet. Die Ergebnis-Daten können durch die Benutzer der beteiligten Unternehmen oder durch Anwendungen wie Predictive Maintenance und Alarm genutzt werden. Der SIDAP-Demonstrator befindet sich derzeit im Rechenzentrum der TU München und ist dort für die beteiligten Partner per Remote-Zugang erreichbar.
Ein zukünftiger produktiver Einsatz des SIDAP-Demonstrators kann weiteren Anforderungen genügen und weitere Anwendungsfälle unterstützen: Ein Beispiel wäre ein gemeinsamer Marktplatz für unterschiedlichste Informationen beziehungsweise Modelle. Auch nicht-funktionale Aspekte wie Sicherheit, Skalierbarkeit, Verfügbarkeit, Zukunftssicherheit können berücksichtigt werden.
Damit kann eine völlig neue technische Lösung entwickelt werden, die sich mit Cloud-Komponenten aufbauen lässt. Neben der eigentlichen SIDAP-Cloud gibt es bei den Akteuren weitere im Einsatz befindliche IT-Umgebungen, die für einen produktiven Einsatz berücksichtigt und integriert werden müssen.
Betriebsgeheimnisse gewahrt
In der Produktionsumgebung beim Betreiber werden die Daten vorselektiert und vorverarbeitet, um den Umfang zu minimieren und Rückschlüsse auf Betriebsgeheimnisse auszuschließen. Einfache Analysen wie Alarme sollen bereits am Standort des Betreibers bereitgestellt werden. Diese Umgebung dient der betreiberinternen Analyse vor Ort beim Anwender. Es können die gleichen Algorithmen wie in der SIDAP-Cloud verwendet werden, jedoch brauchen die Daten (Betriebsgeheimnisse) nicht pseudonymisiert und anonymisiert zu sein, wodurch auch eine Rückverfolgbarkeit zu den Anlagen möglich wird.
Ein wesentliches Thema ist die Sicherheit der Daten, weil Betriebsgeheimnisse betroffen sind. Man unterscheidet hier „Data-at-Rest“ wie den Datenspeicher der SIDAP-Cloud, als auch „Data-in Motion“ wie beispielsweise die sichere Übertragung zwischen den beteiligten Unternehmen und der SIDAP-Cloud. Dabei muss granular gesteuert werden können, wer auf welche Daten wie zugreifen kann. An dieser Stelle können etwa spezielle Verfahren, wie das Attribute-Based Access Control (ABAC), zum Einsatz kommen. Nicht zuletzt ist eine Integration mit den vorhandenen Benutzerverwaltungen der Unternehmen erforderlich.
Um das hier vorgestellte Cloud-Konzept tatsächlich einsetzen zu können, sind noch einige weitere Aspekte näher zu beleuchten, die bislang im SIDAP-Projekt noch nicht oder nicht ausreichend bearbeitet werden konnten, etwa Skalierbarkeit und der Einsatz von Analyse und Collaboration-Tools.
Neue Geschäftsmodelle
Über das SIDAP-Projekt konnten wertvolle Grundlagen für den weiteren produktiven Einsatz erzielt werden. Die identifizierten Anwendungsfälle wurden mit Betreiberdaten umgesetzt und in der Praxis erprobt. Der aufgebaute Demonstrator belegt zahlreiche Potenziale und Ausbauoptionen.
Die Fortführung der Arbeiten auf Basis einer gemeinsamen Plattform schafft nicht nur Synergien, sondern ermöglicht auch neue Geschäftsmodelle entlang des gesamten Gerätelebenszyklus. Für den weiteren Ausbau ist eine zentrale Koordination, Forschungsunterstützung und Management zwingend erforderlich, um ein unternehmensübergreifendes „Lernen“ möglich zu machen.