E&E:
Anfang 2017 haben Sie die Leitung des Embedded-Bereichs bei TQ-Systems übernommen. Wie war Ihr erstes Jahr?
Josef Fromberger:
Es war für mich eine positive Umgewöhnung, zu einem Unternehmen zu kommen, das noch immer von den Gründern geführt wird. Die Entscheidungswege sind schnell und effizient. Der Austausch mit der Geschäftsleitung und damit auch das Voranbringen von Ideen ist direkter. Das bringt viele Vorteile mit sich und liegt mir sehr.
Sie sind mit dem Ziel angetreten, TQ zu einer stärkeren Stellung im x86-Bereich zu verhelfen. Konnten Sie das umsetzen?
Ein klares Ziel von uns ist eine größere Präsenz bei x86-Boards. Das habe wir auch erfolgreich geschafft. Da sind wir jetzt wirklich vorne dran. Wir hatten bei Intels neuen Atom-, Apollo-Lake- und Kaby-Lake-Prozessoren jeweils bereits zum Launch der unterschiedlichen Chips ein eigenes Board bereit, mit dem wir auf den Markt gehen konnten. In diesem Jahr konzentrieren wir uns im x86-Bereich vor allem auf industrielle Box-PCs für Gateways und auf Firewall- und Edge-
Computing-Systeme.
Was ist der Grund für den Ausbau des x86-Bereichs?
Wir möchten unsere Kompetenz im x86-Bereich stärker herausstellen. x86 hat außerdem einen riesigen Vorteil. Die Standardisierung ist sowohl bei der Hardware als auch bei der Software sehr gut. Manche Anwendungen laufen außerdem idealerweise auf Windows als Betriebssystem. Diese Welt wollen wir uns nicht verschließen. x86 stößt außerdem immer stärker in die Industrie vor und erfüllt die dafür notwendigen Anforderungen, wie den erweiterten Temperaturbereich und die Möglichkeit des Conformal Coating. Um unsere Zielgruppen optimal bedienen zu können, bauen wir auch unsere Produktlinien bei x86 aus.
Worauf konzentrieren Sie sich abseits des x86-Bereichs in diesem Jahr?
Wir planen zurzeit mehr Neuentwicklungen mit ARM-Chips. Da ist auch schon einiges auf dem Weg. Außerdem möchten wir uns stärker bei COM Express und SMARC engagieren.
Seit diesem Jahr bieten Sie auch Boards des SMARC-2.0-Standards an. Haben Sie da eine erhöhte Nachfrage Ihrer Kunden festgestellt?
Die gibt es auf jeden Fall. SMARC 2.0 ist auf jeden Fall ein Thema bei unseren Kunden. Durch die neuen Boards haben wir aber auch einen breiteren Marktzugang.
Bei welchem Formfaktor sehen Sie in Zukunft die größte Nachfrage?
Qseven bekommt immer stärker Konkurrenz von SMARC 2.0. Er wird auch in den kommenden Jahren seinen Anteil am Markt haben, aber SMARC 2.0 verdrängt ihn zunehmend. Qseven ist auf keinen Fall ein schlechter Standard, aber einige Aspekte entsprechen nicht mehr der neuesten Technik, etwa die Kamerainterfaces. Sämtliche Qseven-Anbieter setzen deshalb auch auf SMARC 2.0. Es ist wie bei ETX und COM Express. SMARC 2.0 ist einfach der neuere Standard, mit dem sich Schnittstellen umfassender bedienen lassen.
Welche Produkte werden Sie 2018 konkret herausbringen?
Unter anderem ist eine IoT-Plattform geplant. Diese beruht auf Standard-Boards von uns, die wir noch etwas modifizieren. Im unteren Leistungssegment verwenden wir ARM-Boards, für Front-End-Rechner oder Edge-Server bieten wir sie aber auch mit Core-i5-Prozessoren von Intel an. Mit der Plattform wollen wir natürlich nicht mit Routern im Konsumbereich konkurrieren, sondern dem Kunden vor Ort die Hardware-Plattform anbieten, die er braucht, ausgestattet auch mit unterschiedlichen Softwarefeatures. Das bedeutet, sie ist mit allen Security Features ausstattet, um Datensicherheit zu gewährleisten. Außerdem ist sie redundant ausgeführt und bietet die für Rugged Environments notwendige Robustheit. Auch die Langzeitverfügbarkeit stellen wir sicher.
Sie sind bereits seit Langem im Embedded-Bereich tätig. Was unterscheidet TQ Ihrer Ansicht nach von anderen Anbietern?
Wir haben ein sehr breites Wissen über Rechentechnologien und wir legen uns nicht fest auf eine bestimmte Architektur. Das bedeutet, wir bieten dem Kunden unabhängig von der Prozessorarchitektur Lösungen an, genauso wie er diese benötigt. Einen besonderen Stellenwert hat bei TQ-Systems aber ebenfalls das Obsoleszenzmanagement. Das ist gerade zurzeit immens wichtig, da es bei einigen Komponenten Engpässe gibt, etwa bei manchen passiven und aktiven Bauelementen. Auch nach Herstellerübernahmen kommt es oft zu Portfolio-Bereinigungen. Material-Compliance-Themen, wie Konfliktmineralien, führen ebenfalls zu Abkündigungen von Komponenten. Deshalb haben wir bei TQ-Systems Prozesse eingeführt, um eine optimale Strategie für die Produktverfügbarkeit zu erarbeiten. Einen großen Vorteil sehe ich auch darin, dass wir eine eigene Produktion haben. Unser Fertiger sitzt eben nicht in Asien, sondern im eigenen Haus gleich um die Ecke. Dadurch sparen wir Kosten, erhöhen die Qualität und verhindern Redesigns, die in den meisten Fällen sehr zeitintensiv sind. Durch die unmittelbare Nähe zu den Entwicklungsabteilungen fällt mir auf, dass nahezu keine Redesigns entstehen.
Können Sie das Obsoleszenzmanagement in Zukunft aufrechterhalten? Schließlich sind viele Bauteile immer kürzer verfügbar.
Darauf sind wir vorbereitet. Dem Obsolescence Management haben wir uns bereits vor über zehn Jahren verschrieben. Bei vielen Geräten, zum Beispiel in der Medizintechnik, beträgt die Zulassungszeit bis zu zwei Jahren. Aber auch Industrie 4.0 und das Internet of Things haben Auswirkungen auf die Obsoleszenz. Um die Wiederholung von Zulassungsverfahren und damit verbundene Kosten durch unerwartete Abkündigungen zu vermeiden, ist strukturiertes Management notwendig. Lediglich Abwarten und Reagieren ist für Hersteller von langlebigen Industriegütern nicht mehr ausreichend. Obsoleszenzmanagement ist deshalb ein Service, der eine Zukunft hat. Es wird sogar an Bedeutung gewinnen.
Sie haben vorher angesprochen, dass Windows mittlerweile einen gewissen Stellenwert in der Industrie hat. Wie verhält sich das mit Googles Betriebssystem Android?
Im Gegensatz zu Windows hat sich Google Android im Embedded-Bereich noch nicht so stark etabliert. Das Betriebssystem hat aber durchaus das Potential und die Möglichkeiten, besonders durch steigenden Einsatz bei Smartphones und Tablets im Consumerbereich für die Industrie interessanter zu werden. Das liegt auch an den Nutzern, die Android in der Industrie verwenden möchten. Einfach weil sie gerne im Beruf mit den Systemen arbeiten, die sie zu Hause nutzen und mit denen sie sich wohlfühlen.