P&A:
Herr Baldermann, Sie sind Anfang des Jahres bei Hoerbiger angetreten, den jungen Bereich Valve Automation voranzubringen. Welche Erfahrungen Ihrer bisherigen Laufbahn helfen Ihnen dabei?
Philipp Baldermann:
Meine prägendsten Berufserfahrungen waren als freier Mitarbeiter in einer New-Economy-Agentur während meines Studiums in Berlin und mehr als zehn Jahre der Selbständigkeit mit einer Marketing- und Designberatung. Nach dieser Zeit bin ich als Quereinsteiger in der Industrie gelandet - bei einem ehemaligen Kunden, einem mittelständischen Armaturen- und Antriebshersteller, eingestiegen und habe dort die Marketingabteilung aufgebaut, fünf Jahre lang. Nach dieser Zeit hat mich das Angebot, das Marketing hier bei Hoerbiger im Bereich Valve Automation zu übernehmen und speziell die Innovationsprodukte hier voranzubringen und im Sektor Armaturen und Antriebe die große Marke Hoerbiger zu platzieren, sehr gereizt.
Die Marke allein ist sicher nicht ausreichend. Was haben Sie hier in Altenstadt vorgefunden, als Sie Anfang 2015 begonnen haben?
Ein hochmotiviertes begeistertes, brennendes Team, mit Marcus Grödl als Bereichsleiter an der Spitze. Das war das Wesentliche, das mich hierher geführt hat. Ich kenne die Branche sehr gut, auch die technischen Grundlagen sind für mich Daily Business. Was neu und spannend ist, ist die Konzernwelt. Gleichzeitig fühle ich mich hier wieder wie in einem Start-up, mit einer Gesamtlösung für Valve Automation, die wir hier auf dem Markt platzieren wollen. Wir gelten hier im Konzern als die jungen Wilden. Wir versuchen, neue Wege zu gehen – ausgetretene Pfade gibt es für uns nicht.
Zugleich arbeiten Sie für ein Unternehmen, das stark auf Tradition setzt. Wie geht das zusammen?
Das Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovationskraft, dieses Feuer für das Produkt, spüre ich stark – eine Kombination, die ich relativ selten in meiner zehnjährigen Beratertätigkeit erlebt habe. Bei den meisten Unternehmen, die sich in einer Komfortzone glauben, verlöscht dieses Feuer. Und umgekehrt haben die, die das Feuer am Brennen halten, selten die Möglichkeiten, die ein Konzern bietet.
Die meist diskutierten Begriffe bei Hoerbiger sind Performance-bestimmend und Differenzierung. Meiner bisherigen Erfahrung nach tut sich das Management in vielen Unternehmen oft schwer, diese Begriffe zusammenzubringen. Bei Hoerbiger jedoch sind beide Gesetz. Alles, was wir tun, ist Performance-bestimmend. Und wir müssen uns zugleich damit von unseren Mitbewerbern differenzieren. Wir gehen niemals den Mittelweg, der vielleicht in eine Komfortzone führt, sondern wir müssen uns entscheiden, ob wir links oder rechts gehen.
Wohin führt der Weg des Bereichs Valve Automation konkret?
Wir haben einen sehr klaren Plan für die nächsten zehn Jahre. Mit dem elektrohydraulischen Armaturenantrieb Trivax entwickeln wir uns vom Komponenten- zum Produktlieferanten. Ich versuche immer, das Wort System zu vermeiden, weil das Komplexität impliziert. Das ist es aber gerade nicht. Wir liefern ein komplettes Produkt. Hoerbiger hat dafür die Weichen gestellt, indem es Strukturen geschaffen hat, um vom Seriengeschäft ins Projektgeschäft zu kommen. Vor allem hat es die Menschen mitgenommen, sehr überzeugend und erfolgreich. Ich habe hier ein gut bestelltes Feld angetroffen.
Was sind Ihre nächsten Schritte?
Als Newcomer in einer Kundenbranche wie Öl & Gas, die nicht von schnellen Innovationszyklen geprägt ist, gilt es, erst einmal Vertrauen zu gewinnen. Auf der Valve World im Dezember 2014 haben wir gespürt, dass uns hier ein Durchbruch gelungen ist. Nun gilt es, uns an den Ausschreibungsprozessen der Betreiber und der OEMs zu beteiligen. Unser Produkt und unsere Denkweise kommen dort sehr gut an. Worauf wir abzielen, lässt sich in dem Slogan „Simplify your Actuators“ zusammenfassen. Das war von vornherein die Aufgabe für das Entwicklungsteam. Nicht einfach einen weiteren hydraulischen Antrieb zu erfinden. Da gibt es in jedem Preissegment ausreichend viele. Hoerbiger wollte ihn neu erfinden. Ich halte den Trivax für den innovativsten Armaturenantrieb auf dem Markt. Die Strategie war, den elektrohydraulischen Antrieb zu vereinfachen, bei aller Komplexität dessen, was er leistet, in der Produktsprache äußerst simpel erscheinen zu lassen.
Neue Pfade sorgen für Möglichkeiten der Differenzierung. Aber was hat der Kunde davon?
Elektrohydraulische Antriebe vereinen die Vorteile aller Antriebswelten: der elektrischen, der pneumatischen und der hydraulischen. Zusammen gewährleisten sie schnelle Stellzeiten und hohe Sicherheit, und das ohne Hydraulik- oder Pneumatikleitungen. Bisher hatte das aber auch Nachteile, vor allem das Problem von Öl-Leckagen entstand. Unser Ansatz bei Trivax war: Wir lösen das komplett rohrfrei und damit ohne die Gefahr von Leckagen. Und der zweite große Pluspunkt ist einer, der zugleich auch eine strategische Komponente für die Zukunft beinhaltet. Mit Trivax bieten wir eine Steuerung die dem Anwender das große Thema Industrie 4.0 eröffnet – indem wir über Sensorik mehr als ein reines Steuerelement bieten. So ermöglichen wir nicht nur einen Partial Stroke Test, sondern auch, ihn automatisiert dokumentiert in unseren Antriebssystemen auszuführen.
Inwiefern unterstützen Sie damit Industrie-4.0-Konzepte?
Die Intelligenz der Armatur liegt im Antrieb. Die Vernetzung von Armaturenantrieben wird immer wichtiger. Gerade im Öl- & Gas-Sektor müssen Betriebs- und Wartungskosten gesenkt, gleichzeitig der Sicherheitsstandard nach oben geschraubt werden. Das wird nur durch Automatisierung funktionieren. Doch wir haben einen langen Weg vor uns – bisher stehen wir noch weit vorn bei Industrie 4.0. Wenn wir Vorreiter sein wollen, müssen wir in die Zukunft denken. Und die wird sein, dass wir Armaturenantriebe intelligent machen, dass wir sie vernetzen, dass wir sie in Relation zu anderen Informationssystemen bringen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie eben nicht nur die Armatur auf- und zuschalten, sondern dass sie uns bei dem Betreiben von Armaturen aktiv unterstützen, uns Aufgaben abnehmen und Informationen liefern. Beim Trivax werden wir diesen Weg gehen und wir haben noch sehr viel vor. Aber schon erzeugen wir Aha-Effekte: mit einem Produkt mit nur vier Knöpfen und einem kleinen Display. Die Vereinfachung drückt sich auch im Design aus. Das Produkt an den Menschen heranzubringen, als Werkzeug, mit dem er sehr simpel und effizient umgehen kann, war neben der Funktion die zweite große Herausforderung.
Da spricht der Designer mit…
Ja, das lässt sich nicht verbergen. Ich komme aus einer Designschule, die funktionsorientiert ist. Da hab ich gelernt, Design ist genau dann fertig wenn man nichts mehr weglassen kann. „Kein-Design“ gibt es nicht. Alles was wir tun, hat eine Aussage. Ist sie nur unbewusst getroffen, dann ist das schlecht für den, der ein Gerät bedienen muss. Wir haben sie sehr bewusst getroffen, mit Gewinn für den Menschen, der damit arbeitet.