Die Welt der Industrieroboter hat sich in den letzten Jahren verändert. Früher bestimmten Roboteranlagen als starre Monumente das Layout innerhalb der Massenproduktion, wie im automobilen Karosseriebau. Mit der Einführung kleiner und flexibler integrierbarer Robotersysteme auf dem Markt sind jetzt die Voraussetzungen da, Robotersysteme auch in bestehende und sich teils verändernde Produktionsabläufe einzubringen. Diese sind beispielsweise in der klassischen Montage und Endmontage vom Automobilbau bis hin zur Elektronikfertigung zu finden.
Sicherheit und Produktivität
Viele dieser neuen Robotersysteme und -prozesse werden dabei in einer Anwendung mit Mensch-Roboter-Kooperation eingesetzt. Dabei geht es oft nicht um die direkte Interaktion des Mitarbeiters mit dem Roboter. Stattdessen steht bei der Kooperation das Ziel im Vordergrund, dass das Robotersystem nicht wie bei einer herkömmlichen Roboteranlage von den Mitarbeitern komplett abgeschirmt werden soll. Der Wegfall dieser starren Käfige spart nicht nur viel Raum, sondern macht das System auch (orts-)flexibler. Die entsprechenden Voraussetzungen für einen gefährdungsfreien Betrieb bringen die Roboter teilweise selbst mit, indem sie sich mit einer sicher reduzierten Geschwindigkeit bewegen und ihre Position überwachen. Zusätzlich sind manche kraftsensitiv und reagieren auf Kontakt durch Stoppen der Bewegung. Darüber hinaus können MRK-Anwendungen durch externe Kontaktsensorik sowie externe Arbeitsraumüberwachungssysteme, wie Laserscanner oder Lichtschranken, umgesetzt werden.
Wer Automatisierung in der Fertigung einsetzt, verspricht sich dadurch eine erhöhte Produktivität. Dabei greifen bei herkömmlichen Robotersystemen die klassischen Stärken des Roboters, wie Geschwindigkeit, Kraft und große Bewegungen. Um einen Roboter jetzt aber sicher direkt neben Mitarbeitern in der Fertigung einzusetzen, lassen sich diese Merkmale nicht mehr ausspielen. Die Bewertung für ein effizientes Robotersystem muss sich folglich dadurch ergeben, dass der Roboter präziser und physisch belastbarer auch bei nicht ergonomischen Bewegungen ist.
Abstand halten
Die Komplexität bei der Umsetzung von MRK-Systemen mit den heute verfügbaren Roboter- und Sensorsystemen hat zwar durch die zum Teil schon integrierte Sicherheitssensorik abgenommen, gleichzeitig ist der Aufwand für eine wirtschaftlich bestmögliche Auslegung eines MRK-Systems gestiegen. So ergeben sich bei der Umsetzung von MRK-Applikationen alleine durch die Wahl und Umsetzung des Sicherheitsprinzips große Unterschiede in der Leistungsfähigkeit bei Ausbringung des Systems in den Fertigungsprozess. Diese Sicherheitsprinzipien richten sich nach den folgenden Kollaborationsformen, die in ISO 10218-1/-2 definiert sind und jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Sicherheitseinrichtungen stellen: Kontaktvermeidung durch Einhaltung von Sicherheitsabständen, Steuerung des Bewegungsablaufes durch Handführung sowie die gefährdungsfreie Gestaltung von Kontakten.
Gleichzeitig ergibt sich aber die Wahl geeigneter Sicherheitsprinzipien auch aus den Gefährdungen, die sich aus der spezifischen Applikation, der Werkzeuge und der Produktionsumgebung ableiten lassen. Dabei ist jedoch aus dem Datenblatt eines Roboters nicht ersichtlich, was er bei unterschiedlichen Umsetzungen der Mensch-Roboter-Kollaboration noch von seiner möglichen Leistung abrufen darf. Es sind aber genau diese Leistungsparameter, die die erreichbare Zykluszeit und den geforderten Platzbedarf des Anlagenlayouts bestimmen und somit eigentlich bei der Wahl des richtigen Roboters für die Applikation herangezogen werden müssten.
MRK systematisch planen
Um systematisch zu einer wirtschaftlichen MRK-Anwendung zu kommen, entwickelt das Fraunhofer IPA derzeit ein Tool zur Entscheidungsunterstützung. Das Tool informiert darüber, wie sich das Kollisionspotenzial des jeweiligen Robotersystems und mögliche Sicherheitskonzepte beeinflussen. Der Anwender erfährt die erreichbare Zykluszeit und den voraussichtlichen Invest, zum Beispiel für die notwendige Sicherheitssensorik, und kann die Planung des Systems somit frühzeitig bewerten. Damit soll schon während des Planungsprozesses die Motivation zur MRK hinterfragt und die Weichen für das passende MRK-System gestellt werden. So kann beispielsweise gegenübergestellt werden, wie eine Arbeitsraumüberwachung die Taktzeit im Vergleich zum kontaktkraftgeregelten Betrieb des Roboters beeinflusst.
Das Tool begleitet den Anwender, der sich für seine spezifische manuelle Arbeitsstation ein automatisiertes Robotersystem zur Produktivitätssteigerung ausgewählt hat, im Sinne eines MRK-Konfigurators. Dadurch kann er das richtige MRK-System gezielt auf die Bedarfe an seinem Arbeitsplatz abstimmen und er erkennt die Produktivität des Systems aufgrund der Sicherheitseinstellungen nicht erst nach der Installation und nach durchgeführten Kraftmessungen zur Sicherheitsabnahme.