Proteine gehören wie Cellulose, Lignin und Fette zu den nachwachsenden Rohstoffen. Obwohl sie in der Vergangenheit bereits als Bindemittel oder Leim in der Chemieindustrie Anwendung fanden, wird ihr Potenzial heute kaum genutzt.
Das wollen 18 Partner im Projekt „TeFuProt“ (kurz für „technofunktionelle Proteine“) nun ändern. Ziel ist es, aus landwirtschaftlichen Reststoffen Proteine für die industrielle Anwendung zu gewinnen und so der Verknappung und langfristigen Verteuerung fossiler Rohstoffe entgegenzuwirken. Langfristig sollen nachwachsende Rohstoffe das Erdöl dann komplett ersetzen.
Proteinquelle Raps
Beim Verarbeiten von pflanzlichen Agrarrohstoffen wie Raps fallen große Mengen Proteine an. Sie sind ein Nebenprodukt der Rapsölgewinnung, bei der Öl aus dem Korn gepresst wird. Übrig bleiben proteinhaltige Produktionsreste, sogenannter Rapsschrot oder Rapspresskuchen.
„Dieser Rückstand wird bislang überwiegend als Futtermittel in der Nutztierhaltung eingesetzt“, sagt Andreas Fetzer, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV. „Allerdings gibt es hier wegen der enthaltenen Bitterstoffe Limitierungen.“
Die Proteinfraktionen des Rapspresskuchens bieten aufgrund ihrer funktionellen Eigenschaften wie Schaum-, Gel- und Filmbildungseigenschaften sowie Wasserhaltungsvermögen großes Potenzial für technische Anwendungen. Sie eignen sich etwa als Zusatzstoffe für Farben, Lacke, Klebstoffe, Schmiermittel, Baumaterialien, Reinigungsmittel oder Polymere.
„Die Pflanzenproteine ermöglichen die Entwicklung neuartiger nachhaltiger, biobasierter Produkte mit verbesserten Eigenschaften“, weiß Fetzer. Zudem verringern sie die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen und treiben eine klimaschonende Produktion voran.
Bindemittel in Farben und Lacken
Aufgabe der Forscher am Fraunhofer IVV war es, zu untersuchen, wie sich die Proteine aus dem Rapsschrot und -presskuchen isolieren lassen und entsprechende Verfahren zu entwickeln. Darüber hinaus waren sie mit der Modifikation der Eiweiße beauftragt sowie mit deren Vorformulierung, um sie den Anwendungspartnern getrocknet in Pulverform oder flüssig für Tests zur Verfügung zu stellen.
Bewertet wurden zudem technofunktionelle Eigenschaften wie Löslichkeit, Schaum- und Emulgierverhalten sowie Filmbildungsvermögen. Neben dem Fraunhofer IVV waren die Firmen Animox und Naturstoff-Technik mit der Proteinherstellung und deren Veredelung betraut.
In Tests konnten dabei insbesondere die filmbildenden Eigenschaften überzeugen: „Trocknet man in Wasser gelöste Proteine, denen ein biobasierter Weichmacher hinzugefügt wurde, in einer Petrischale, so entweicht das Wasser und die Proteine vernetzen sich zu einem stabilen Film“, beschreibt Fetzer. Die Proteine eignen sich so prinzipiell als alternatives Bindemittel in Farben und Lacken, Holzlasuren oder Parkettbeschichtungen, die bislang in der Regel erdölbasierte Rohstoffe enthalten. „Beispielsweise ließen sich so Acrylate durch Proteinpräparate ersetzen.“
Hervorzuheben sei zudem die Fähigkeit der Proteine, Farbstoffe sehr gut zu binden beziehungsweise als Barriere zu fungieren. Gerade im Holzbereich zeigte sich so ein Mehrwert der proteinbasierten Beschichtung: Ein „Ausbluten“ der Farbstoffe aus dem Holz konnte verhindert werden.
Chance zu Sprunginnovationen
Fetzer und seinen Kollegen ist es gelungen, vier verschiedene Proteintypen zu gewinnen und entsprechend vier unterschiedliche Prozesse aufzusetzen. „Der Rapspresskuchen wird nachentölt, vermahlen und in Wasser eingelöst“, skizziert der Wissenschaftler. „Anschließend wird das entstandene Gemisch zentrifugiert, um die Fest- und Flüssiggemische voneinander zu trennen. Das wässrige Extrakt mit den gelösten Proteinen wird im nächsten Schritt weiterverarbeitet.“ Auf diese Weise gewonnene Proteinisolate weisen dabei einen Proteinanteil von oftmals über 90 Prozent auf.
Am Ende der langjährigen Projektarbeit stehen nun eine Reihe vielversprechender Produkten, die teils bereits als Prototyp vorliegen. Bioabbaubare Folien, als Verpackungsmaterial etwa für Waschmittelportionen oder als Pflanzfolien, zählen ebenso dazu wie Faserplatten aus Produktionsresten sowie mit Rapsprotein modifizierte Bindemittel. Flammstabile Isolierschäume für die Bauwirtschaft oder Formschaum für Verpackungen, Faserschutz und Farbübertragungsinhibitoren in Öko-Waschmitteln, Verdickerkomponenten für Schmierstoffe oder Binder für Gleitlacke und Additive in Universalreinigern für Holzoberflächen komplettieren die Liste.
„Die Proteine in die Produkte einzuarbeiten und Eigenschaften mit Mehrwert zu generieren, ist in vielen Fällen gelungen“, resümiert Fetzer. Im nächsten Schritt sollen die Präparate optimiert und zur Marktreife geführt werden. Langfristiges Ziel: in großem Maßstab petrochemische durch biobasierte Produkte zu ersetzen und eine höhere Wertschöpfung durch die Verwendung pflanzlicher Proteine zu erreichen.