Pulver & Schüttgut Pulver im Regenwald

Bild: szefei
21.01.2015

4.600 m3 Prozessluft pro Stunde auf 8 °C zu kühlen ist kein Problem - außer die Anlage befindet sich in Brasilien. Die Kälteanlage, die dort bei einem Pulverlackhersteller errichtet wurde, musste nicht nur den klimatischen Herausforderungen gerecht werden. Sie sollte auch noch vollkommen silikonfrei sein.

Staubtrocken muss er sein: Pulverlack. Er darf nur minimale Feuchteanteile enthalten, wenn er verarbeitet wird. Deshalb achtet man schon während des Produktionsprozesses sehr darauf, dass kein Feuchteeintrag möglich ist. Das betrifft besonders das Vermahlen als Abschluss des Prozesses. In diesem Bereich der Pulverlackproduktion hat sich das Unternehmen Neuman & Esser aus Übach-Palenberg bei Aachen als Spezialist für das Vermahlen und Sichten etabliert. Zu den Vorteilen der ICM-Prallsichtermühlen von Neuman & Esser gehört aus Sicht der Anwender die sehr steile Korngrößenverteilung und der reduzierte Feinanteil aufgrund der großen Mahlkammer. Auch die gute Zugänglichkeit für eine schnelle Reinigung wird als positiver Punkt genannt. Auch der abgekühlte Mahlprozess trägt zur hohen Qualität der Pulverlacke bei.

Bei einem aktuellen Projekt – einer Mahlanlage für einen südamerikanischen Pulverlackhersteller – beauftragte das Unternehmen L&R Kältetechnik mit der Projektierung einer Kälteanlage. Die Aufgabenstellung: Rund 4.600 m3/h Luft, die für das Mahlen und Sichten benötigt werden, sollen auf eine Temperatur von +8 °C abgekühlt werden. Die Kälte selbst ist eigentlich nicht erforderlich. Aber man braucht trockene Luft, und da die Feuchtelast mit der Temperatur sinkt, kühlt man. Das ist bei dieser speziellen Anlage umso wichtiger, als die Umgebungsluft des Standortes bis zu 45 °C warm und feuchtegesättigt ist.

Leckageverluste ausgleichen

Die von L&R projektierte Anlage kühlt kontinuierlich Umluft und ergänzt den Luftstrom mit einem kleinen Anteil Umgebungsluft, um Leckageverluste auszugleichen. Dies ist deutlich wirtschaftlicher als die Aufbereitung von Umgebungsluft. Die Luft passiert zunächst mehrere Filterstufen – wobei in der Filterkette ein Leergehäuse vorgesehen wurde, damit man bei Bedarf die Reinheit der Eintrittsluft noch verbessern kann. Die Aufbereitung erhöht die Standzeit und Leistungsfähigkeit des nachfolgenden Wärmetauschers, der die Lufttemperatur von 30 bis 45 °C auf 6 °C absenkt.

Die mit den wiederum nachfolgenden Wärmetauschern verbundene Kälteanlage, die die Luft weiter auf –18 °C abkühlen, ist zweistufig aufgebaut: Auf den Vorkühler, der schon etwa die Hälfte der Feuchtelast zur Kondensation bringt und abscheidet, folgt die Hauptkühlung, die in zwei Stränge unterteilt ist. Während der eine Strang jeweils den Luftstrom kühlt, befindet sich der andere in der Regenerations- beziehungsweise Abtauphase. Vom einen auf den anderen Anlagenstrang wird geregelt gewechselt, sodass stets ein konstanter Luftstrom und somit eine kontinuierliche Trocknung gewährleistet ist. Dies erfolgt bedarfsgerecht und nicht nach starren Zyklen. Das spart Energie, denn die elektrische Beheizung wird nur aktiviert, wenn es wirklich erforderlich ist.

Die gesamte Anlage ist als Split-Anlage ausgeführt: Während Filter, Wärmetauscher und Trocknungsgerät sich im Gebäude, in unmittelbarer Nähe der Prallsichtermühle, befinden, wurden die Kältemittel-Verflüssiger im Außenbereich aufgestellt. Am Ende des Prozesses wird die Luft, nachdem sie die Mahlkammer und das Pulver gekühlt hat, über den Wärmetauscher energieneutral wieder auf +8 °C erwärmt, weil kältere Lufttemperaturen die Produktqualität beeinträchtigen können. Das Herabkühlen auf eine Drucktaupunkttemperatur von –18 °C ist jedoch notwendig, um der Luft die Feuchte zu entziehen und den gewünschten Grad an Trockenheit zu erreichen. Insgesamt drei voneinander unabhängige Kältekreisläufe, wobei die Abwärme des ersten Kreislaufs zur Nacherwärmung des Luftstroms von –18 °C auf +8 °C genutzt wird.

Vollständig silikonfrei

Zu den Besonderheiten, die L&R bei der Entwicklung und vor allem beim Bau der Anlage zu beachten hatte, gehört der Verzicht auf Silikon. Denn schon kleinste Spuren von Silikon können den Benetzungsprozess in der Lackierung unterbrechen. Das Pulver würde dann nicht auf dem Untergrund haften, sondern Blasen bilden. Somit wurden die Dichtungen – die üblicherweise zumeist aus Silikon gefertigt werden – sowie sämtliche Hilfs- und Betriebsstoffe, die häufig ebenfalls Silikon als Gleitmittel und zum Verschleißschutz enthalten, auf Silikonfreiheit geprüft und entsprechend ausgewählt.

Die komplette Anlage steuert man über eine SPS. An jeder Filterstufe wird der Differenzdruck gemessen. Die gesamte Anlage mit den wesentlichen aktuellen Betriebsdaten wird auf einem 10“-Touch-Panel visualisiert. Darüber hinaus ist die Möglichkeit vorgesehen, einen zweiten Bildschirm mit den Anlagendaten in der Leitwarte der Pulverlackfabrik zu installieren. Auch in puncto Wartung haben die Entwickler vorausgedacht: Alle Anlagenkomponenten, die kontrolliert oder gewartet werden müssen, sind leicht zugänglich. Zudem besteht die Möglichkeit, per Datenfernübertragung von Sundern aus den Anlagenzustand zu verfolgen und gegebenenfalls Hinweise zur Wartung und Störungsbeseitigung zu geben.

Nicht nur die Differenzdrücke der Filter, sondern auch die der einzelnen Wärmetauscher werden über insgesamt sechs Drucksensoren erfasst und ausgewertet. Bei Überschreitung eines einstellbaren Wertes wird ein Voralarm ausgelöst. Wird der Wert weiter überschritten, schaltet sich die Anlage ab. Weiterhin zeigen zahlreiche kombinierte Feuchte-/Temperaturfühler an allen wichtigen Zwischenpunkten die Bedingungen in jedem Prozessabschnitt innerhalb der Luftaufbereitung an. Die SPS ist komplett redundant aufgebaut, sodass bei Ausfall der Steuerung automatisch auf eine Backup-SPS umgeschaltet wird.

Direkt mit der Mahlanlage verbunden

Die Kälteanlage ist nicht nur prozesstechnisch, sondern auch räumlich direkt an die Mahlanlage gekoppelt. Um den Transport und die Montage vor Ort zu erleichtern, planten die L&R-Ingenieure die Anlage besonders kompakt. Im L&R-Werk wurde die Anlage weitestgehend vormontiert und in eine Kiste mit Container-Normmaßen seegerecht verpackt. Die Inbetriebnahme vor Ort durch L&R-Personal war mit geringem Aufwand verbunden. Die Kombination von Pulververmahlung und Kälteerzeugung bringt die vom Anwender erwartete Leistung und Qualität, und die Produktion hochwertiger Pulverlacke für den gesamten südamerikanischen Markt ist bereits in vollem Gang.

Bildergalerie

  • Grafische Darstellung der Gesamtanlage für den Pulverlackhersteller.

    Grafische Darstellung der Gesamtanlage für den Pulverlackhersteller.

    Bild: L&R

  • Blick auf die Verdichter, die im „Untergeschoss“ der Kälteanlage stehen.

    Blick auf die Verdichter, die im „Untergeschoss“ der Kälteanlage stehen.

    Bild: L&R

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