Ein Netzwerk, in dem die Datenübertragung völlig sicher vor Hackerangriffen ist? Wenn es nach Physikern geht, soll genau das mit Hilfe des quantenmechanischen Phänomens der Verschränkung irgendwann Realität werden. Denn für verschränkte Teilchen gilt: Misst man Zustandseigenschaften des einen Teilchens, so kennt man automatisch auch die des anderen. Dabei spielt es keine Rolle, wie weit die verschränkten Partner voneinander entfernt sind. Eine ideale Voraussetzung, um Informationen abhörsicher über große Distanzen zu übertragen.
Ein Team um die Physiker Prof. Harald Weinfurter von der LMU und Prof. Christoph Becher von der Universität des Saarlandes koppelte nun zwei atomare Quantenspeicher über eine 33 Kilometer lange Glasfaserverbindung. Das ist die bislang längste Strecke, über die eine Verschränkung mittels eines Telekommunikationskabels gelang. Die quantenmechanische Verknüpfung wird dabei über Photonen vermittelt, die die beiden Quantenspeicher aussenden. Ausschlaggebend für den Erfolg war, dass die Forscher die Wellenlänge der emittierten Lichtteilchen auf einen Wert verschoben, der auch für herkömmliche Telekommunikation verwendet wird. „Auf diese Weise konnten wir die Verluste an Photonen erheblich reduzieren und so verschränkte Quantenspeicher auch über lange Glasfaserstrecken erzeugen“, sagt Weinfurter.
Übertragung durch Photonen
Generell bestehen Quantennetzwerken aus Knotenpunkten einzelner Quantenspeicher – etwa Atome, Ionen oder Defekte in Kristallgittern. Diese Knoten können Quantenzustände empfangen, speichern und versenden. Eine Vermittlung zwischen den Knotenpunkten kann mit Hilfe von Lichtteilchen erfolgen, die entweder über die Luft oder gezielt über Glasfaserverbindung ausgetauscht werden.
Für ihr Experiment nutzen die Forscher ein System aus zwei optisch gefangenen Rubidiumatomen in zwei Laboren auf dem LMU-Campus. Die beiden Standorte sind mit einem 700 Meter langen Faserkabel verbunden, das unter dem Geschwister-Scholl Platz vor dem Hauptgebäude der Universität verläuft. Durch Hinzufügen zusätzlicher Fasern auf Spulen lassen sich Verbindungen von bis zu 33 Kilometer Länge realisieren.
Ein Laserpuls regt die Atome an, wonach sie spontan in ihren Grundzustand zurückfallen und dabei jeweils ein Photon aussenden. Auf Grund der Drehimpulserhaltung wird dabei der Spin des Atoms mit der Polarisation seines emittierten Photons verschränkt. Diese Lichtteilchen lassen sich schließlich nutzen, um auch die beiden Atomen quantenmechanisch zu koppeln. Dazu schickten die Wissenschaftler sie durch das Glasfaserkabel zu einer Empfangsstation, wo eine gemeinsame Messung der Photonen eine Verschränkung der Quantenspeicher signalisiert.
Reichweite deutlich erhöht
Allerdings emittieren die meisten Quantenspeicher Licht mit Wellenlängen im sichtbaren oder nahen Infrarotbereich. „In Glasfasern kommen diese Photonen nur ein paar Kilometer weit, bevor sie verloren gehen“, erklärt Christoph Becher. Aus diesem Grund hat der Physiker aus Saarbrücken mit seinem Team die Wellenlänge der Photonen für ihre Reise im Kabel angepasst. Mit zwei so genannten Quanten-Frequenzkonvertern erhöhten sie die ursprüngliche Wellenlänge von 780 Nanometern auf eine Wellenlänge von 1517 Nanometern.
„Das liegt nahe an der so genannten Telekom-Wellenlänge von rund 1550 Nanometern“, sagt Becher. In diesem Frequenzbereich ist die Übertragung von Licht in Glasfasern am verlustärmsten. Die Umwandlung gelang dem Team mit einer bisher unerreichten Effizienz von 57 Prozent. Gleichzeitig ließen sich die in den Photonen gespeicherten Informationen mit hoher Güte erhalten, was Voraussetzung für die quantenmechanische Kopplung ist.
„Das Besondere an unserem Experiment ist, dass wir wirklich zwei stationäre Teilchen verschränken, also Atome, die als Quantenspeicher fungieren“, sagt Tim van Leent, der Erstautor der Publikation. „Das ist wesentlich schwieriger als die Verschränkung von Photonen, aber es eröffnet viel mehr Anwendungsmöglichkeiten“. Die Forscher denken, dass das entwickelte System für den Aufbau groß angelegter Quantennetze und für die Umsetzung sicherer Quantenkommunikationsprotokolle genutzt werden könnten. „Das Experiment ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Quanteninternet auf Basis bereits bestehender Glasfaserinfrastrukturen“, sagt Harald Weinfurter.