Die digitale Kommunikation wird den Technischen Service in den nächsten fünf Jahren stark verändern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung, die das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO unter Branchenvertretern der Prozesstechnik und Instandhaltung durchgeführt hat. Die Experten sind davon überzeugt, dass der Einsatz neuer, webbasierter Technologien in Service-Prozessen zu großen Produktivitätssteigerungen führen wird. Ein zentrales Element davon sind Service-Portale, die Produzenten im Störfall eine schnelle Hilfe durch die Maschinenhersteller ermöglichen.
Gerade im Pharmamaschinenbau gefährden Störungen die Produktqualität. Folglich können zum Beispiel Produktrückrufe in der Tablettenproduktion zwei- bis dreistellige Millionenbeträge kosten. Eine passende digitale Servicestruktur muss Probleme daher schnellstens identifizieren und beheben. Vor diesem Hintergrund erklärt sich der Ansatz des Service-Portals der Excellence United: Fünf führende Unternehmen im Spezialmaschinenbau für Pharma- und Medizinprodukte bündeln ihre Dienstleistungen auf der neuen Plattform. Die Spezialisten von Bausch+Ströbel, Fette Compacting, Glatt, Harro Höfliger und Uhlmann schaffen dabei einen einheitlichen Standard für den Remote Service. Er kommt an allen Maschinen dieser Unternehmen zum Einsatz. Weitere Lizenzierungen für Maschinen anderer Hersteller sind in Zukunft möglich.
Die neue Kommunikationsarchitektur bietet optimale Voraussetzungen für einen umfassenden Service. Die Plattform deckt zum Beispiel bei einer Tablettenpresse alle Dienstleistungen ab: vom Wartungsmanagement, dem elektronischen Ersatzteilkatalog und der Ersatzteilbestellung über das Logbuch bis zum Customer Cockpit.
Troubleshooting im Reinraum
Das Service Portal erleichtert dem Bediener im Störfall die Wartungsanfrage. Dafür füllt er ein kurzes Kontaktformular am HMI aus und startet direkt den Verbindungsaufbau. Anschließend wird die Nachricht via Internetverbindung an den zentralen Server von Fette Compacting weitergeleitet. Innerhalb von maximal drei Stunden wählt sich ein Servicetechniker auf die Maschine ein und bearbeitet die Anfrage. Hierbei ist wichtig, dass der Kunde den Techniker autorisiert, ansonsten bleibt diesem der Zugang zur Maschine verwehrt.
Zusätzliche Informationen über den aktuellen Status der Maschine können jeder Anfrage hinzugefügt werden: Welche Symptome zeigen sich und welche Maßnahmen wurden bereits getroffen? Der Servicetechniker kann sich auf diese Weise bereits im Vorfeld ein umfassendes Bild vom Anliegen machen. Der Bediener hat den Vorteil, dass das gesamte Troubleshooting an der Maschine erfolgt und er den Reinraum nicht verlassen muss.
Frei wählbare Kommunikationswege
Das Herzstück der Kommunikation bildet das integrierte Conference Center – eine multimediale Plattform, die dem Anwender die freie Wahl lässt: Er kann an Fette Compacting eine Chat-Textnachricht schreiben, per Headset telefonieren oder sogar eine Videokonferenz mit mehreren Experten durchführen. Über ein Whiteboard werden Bilder und technische Zeichnungen hochgeladen und kommentiert. Ein besonderes Feature sind Webkameras, die auf Wunsch zum Einsatz kommen. Mit ihnen lassen sich mechanische Probleme aufzeichnen und an den Techniker übertragen.
Die Möglichkeiten dieser modernen Kommunikationstechnologie zeigen sich nicht zuletzt mit dem Costumer Cockpit. Der Produktionsplaner hat es per Smartphone, Tablet oder Notebook immer dabei und kann ortsunabhängig das HMI der Maschine überwachen. Bei etwaigen Störfällen lässt sich auf diese Weise mit einem Klick der Support benachrichtigen.
Sicher verbunden dank Transportverschlüsselung
Um das Service Portal zu nutzen, muss die Maschine mit entsprechender Soft- und Hardware ausgerüstet sein. Fette Compacting stattet alle Neumaschinen serienmäßig damit aus. Eine Verbindung ist nur möglich, wenn der Client dem Server vertraut und dessen Zertifikat kennt. Technisch geht die Verbindung immer vom Anwender aus. Die Transportverschlüsselung erfolgt mit Public Key RSA 2048bit, die Authentifizierung über rollenspezifische SSL-Zertifikate. Erst wenn der Bediener über eine Taste am HMI den Aufbau einer Verbindung initiiert, öffnet sich die Verbindung zwischen dem Service-Portal beim Anwender und dem Server beim Maschinenhersteller.
Das gilt auch umgekehrt: Nach dem Ende der Service-Anfrage schließt sich der VPN-Tunnel direkt wieder. Service-Techniker haben dann keinen Zugriff mehr auf die Maschine. Der deutsche TÜV hat das Service-Portal als sichere Verbindung zertifiziert.
Kennzahlen und Logbuch unterstützen Vorbeugung
Mit Hilfe des Service-Portals ist es außerdem möglich, ungeplante Ausfälle im Voraus zu vermeiden. Das System generiert detaillierte Wartungsberichte mit fest definierten Kennzahlen. Mit ihnen kann der Betreiber die Wartung bewerten und bei Bedarf laufend optimieren. Ebenso wichtig ist das Maschinenlogbuch. Hier lässt sich ablesen, wann zuletzt ein bestimmter Service durchgeführt wurde. So werden zum Beispiel alle ausgehenden Service-Anfragen und der komplette Service-Report lückenlos aufgezeichnet. Der Report umfasst alle Änderungsprotokolle und bietet eine wichtige Grundlage für das Qualitätsmanagement in der Produktion. Insgesamt entsteht mit dem Service-Portal eine umfassende Dokumentation rund um die Maschine.