Was sind Ihrer Meinung nach die derzeit wichtigsten Industrietrends?
Wir beobachten zurzeit mit Blick auf die Implementierung einer Industrie 4.0-Strategie einen Trend zur erhöhten Automatisierung. Die meisten Hersteller möchten ihre Produktivität durch die engmaschigere Überwachung von Prozessen und Maschinen steigern. Ein weiterer interessanter Trend ist die individuelle Gestaltung und Anpassung der Produkte. Hersteller haben von der Coca-Cola Marketing-Kampagne „Teile eine Coke“ gelernt. Diese Kampagne ermöglichte es den Kunden, Dosen des Softdrinks mit ihrem Namen darauf zu kaufen. Dieses Beispiel wurde von anderen Marken wie Nutella und Marmite erfolgreich nachgeahmt. Außerhalb des FMCG-Bereichs wissen Hersteller, dass es zu höheren Verkaufszahlen führen würde, wenn sie dem Kunden mehr Auswahlmöglichkeiten bieten könnten - und um das zu erreichen, müssen sie die Art, wie sie handeln, neu überdenken. Glücklicherweise ist die Automatisierung der Schlüssel, mit dem sie diesem Ziel näherkommen können.
Wie unterscheidet sich die neue Vorgehensweise von der bisherigen?
Die derzeitige Herstellungsphilosophie basiert auf einer linearen Produktionslinie. Das funktioniert gut, wenn eine hohe Nachfrage nach identischen Gütern besteht. Wenn jedoch dieselbe Menge an Gütern mit größeren Auswahlmöglichkeiten geliefert werden soll, ist diese Produktionslinie nicht der effizienteste Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Einige zukunftsorientierte Hersteller wenden sich einem zellbasierten Ansatz zu, um die Vielfalt ihres Angebots zu steigern. Dies bringt jedoch selbst schon Herausforderungen mit sich. Förderbänder sind für Standard-Produktionslinien ideal, funktionieren jedoch in einem nicht linearen Umfeld weniger gut. Die einzige echte Alternative zu Förderbändern ist bei komplexeren Produktionsflüssen, die manuelle Handhabung. Der zellbasierte Ansatz führt zurzeit zu einer Steigerung der Zahl der Angestellten, die halbfertige Güter per Handwagen, Wagen und Gabelstapler zwischen den Zellen bewegen. Natürlich macht das die Effizienz und Kostenvorteile des ursprünglichen Automatisierungsprinzips zunichte.
Wie können diese Herausforderungen gemeistert werden?
Mobile Roboter scheinen die Antwort zu sein. Die erste Welle der mobilen Roboter reagierte auf physische Objekte. Normalerweise folgten diese Roboter Farblinien oder Magneten, während andere Roboterarten über spezielle Markierungen an den Wänden gesteuert wurden. Und doch hatten sie ähnliche Nachteile wie die Förderbänder, da auch sie nur genutzt werden konnten, um Produkte zwischen zwei festgelegten Punkten zu bewegen. Wenn sich ein Punkt ändert, muss die gesamte Umgebung geändert werden, damit sie tätig werden können, und das kostet Zeit und Geld. Damit eine zellbasierte Fabrik effizient arbeiten kann, ist ein intelligenter mobiler Roboter erforderlich, der die Umgebung kennt, in der er eingesetzt wird und die beste Route zwischen den einzelnen Punkten berechnen kann. Ein solches Vehikel war bisher aus zwei Gründen unmöglich: Zum einen war die Prozessorleistung, die für die Verarbeitung der komplexen AI-Algorithmen für automatisierte Tätigkeiten benötigt wird, schlichtweg nicht erhältlich - zumindest nicht batteriebetrieben und klein genug für die gewünschte Form des Roboters, zum anderen war die Technologie, die hinter den LIDAR-Sensoren steht, noch nicht reif genug, um den Roboter sicher zu steuern. Dank des technologischen Fortschritts der letzten Jahre wurden diese Hindernisse nun überwunden. Omron arbeitet seit geraumer Zeit an autonomen mobilen Robotern und hat vor kurzem die Omron LD Serie der autonomen und intelligenten Vehikel herausgebracht.
Wie steuert sich das Omron AIV?
Am Anfang wird der Roboter mit einem Joystick durch die Fabrik geführt, damit er die Umgebung mit seinem LIDAR-Hauptsensor scannen kann. Dann führt er die Informationen zusammen, um eine vollständige statische Karte des Arbeitsplatzes in einer Höhe von 200 mm zu erschaffen. Diese Karte beinhaltet Informationen über Regale, Maschinen, Mauern und Türen. Der Roboter verwendet die Karte, um die beste Route zwischen zwei Punkten zu berechnen. Wenn für die Erledigung der Aufgabe mehr als ein Fahrzeug benötigt wird, arbeiten die AIVs nicht vollständig alleine. Die Software für die Fuhrparkverwaltung arbeitet als Scheduler für die AIVs. Für den Betrieb ist es entscheidend, dass berechnet wird, wo der Roboter steht, der der zu bedienenden Maschine am nächsten ist, und dieser dorthin gesendet wird. Die Software für die Fuhrparkverwaltung kann außerdem das AIV über besonders frequentierte Bereiche informieren, damit dieses die für seine Berechnungen benötigten Informationen erhält. Die Software muss mit den AIVs und den Maschinen kommunizieren, während sie jede Position jedes AIVs aufzeichnet. Im Betrieb gibt der LIDAR-Sensor dem AIV ein 220-Grad-Blickfeld, das es ihm ermöglicht, Objekte, die sich auf seinem Weg befinden, sicher zu umsteuern und seine Geschwindigkeit in Echtzeit an die Umgebung anzupassen. Ein vertikaler LIDAR-Sensor an einer Seite des AIV unterstützt den Haupt-LIDAR. Diese beiden Sensoren prüfen, ob der Weg frei von Hindernissen, verschütteten Flüssigkeiten oder höheren überhängenden Gegenständen ist, die das AIV behindern könnten, wie beispielsweise die Gabeln eines Gabelstaplers oder offene Schubladen.
Es gibt keine Größe, die für alle industriellen Anwendungen passt. Kann das AIV personalisiert werden?
Das stimmt. Wenn wir die Omron LD AIVs als Beispiel nehmen, können die AIVs auf vielfältige Weise eingestellt werden. Der Sockel des AIVs bleibt gleich, aber die Oberseite kann verändert werden, damit sie zur jeweiligen Anwendung passt. Es gibt drei Grundeinstellungen: flache Oberseite, Förderband und Wagentransporter. Die AIVs mit flacher Oberseite arbeiten halbautomatisch und müssen manuell be- und entladen werden. Sie können auch individuell angepasst werden. Eine medizinische Anwendung verwendet eine verschlossene Kiste auf dem AIV, um gefährliche Substanzen innerhalb einer Einrichtung zu transportieren. Die Förderband- und Wagentransporter-AIVs arbeiten autonom. So kommuniziert zum Beispiel ein AIV mit Förderband-Oberseite per WLAN oder optischem Datentransponder mit der Maschine, um die Position zu bestätigen und das passende Förderband-AIV be- oder entlädt die Ladung. Darüber hinaus entwickeln Integratoren Variationen, wie vorne oder seitlich beladene Förderbänder, Doppel-Förderbänder, Rollen oder Riemen und vieles mehr.
Wie geht es weiter für mobile Roboter von Omron?
Ein weiterer Bereich, in dem wir Verbesserungen erwarten können, ist die Tragfähigkeit der AIVs. Derzeit kann das größte Omron LD AIV bis zu 130 kg tragen, was bei den meisten Anwendungen ausreicht. Einige Kunden, wie zum Beispiel solche aus der Getränke- oder Automobilbranche, benötigen AIVs mit höherer Tragkraft. Größere AIVs werden stärker reguliert und größere Roboter müssen hinsichtlich der Sicherheit größere Hürden überwinden. Das wird aber im Laufe der Zeit kommen. Zukünftige Generationen von Software für die Fuhrparkverwaltung werden außerdem komplexere Produktionsflüsse ermöglichen. Zurzeit reagiert die Software auf den Zustand der Produktionslinie - der Roboter muss darauf warten, dass die Planungssoftware ihm mitteilt, dass eine Ladung abgeholt werden muss. In der nächsten Softwaregeneration wird dieses Verfahren intelligenter ablaufen. Die Planungssoftware berechnet dann die Schritte für das AIV im Voraus oder positioniert die AIVs so, dass sie bereit sind, eine Arbeit zu erledigen. Das wird zu einer noch größeren Produktivitätssteigerung führen und die Betriebszeit des AIV verlängern. Zusätzliche Funktionen werden die Nutzung der AIVs für andere Anwendungen ermöglichen. So würden zum Beispiel RFID- und Barcodeleser die Intelligenz der AIVs erhöhen und es ihnen ermöglichen, mehr Aufgaben in Lagerhallen zu erledigen.