Das Feld der Magnonik bietet eine neue Art der energiesparenden Informationsverarbeitung, bei der Magnonen, die Quanten der Spinwellen, anstelle von Elektronen Daten übertragen und verarbeiten. Ziel ist es, magnonische Schaltungen zu schaffen, die kleiner und energieeffizienter als die derzeitigen elektronischen Schaltungen sind.
Magnonische Bauelemente schneller entwickeln
Bis vor Kurzem konnte die Entwicklung eines funktionsfähigen magnonischen Bauelements Jahre in Anspruch nehmen. Nun haben Forscher der Universität Wien und der TU Kaiserslautern eine neue Methode entwickelt, die es erlaubt, Bauelemente in einem wesentlich kürzeren Zeitraum zu entwerfen.
Darüber hinaus hilft die durch diese „inverse Entwurfsmethode" hinzugewonnene Effizienz, ein bisheriges Problem zu überwinden: Die Bauteile waren nur für eine einzige Funktion geeignet. Durch das vorgeschlagene neue Konzept kann ein Basisgerät nun leicht modifiziert werden, um jede beliebige Funktion auszuführen.
Funktionsweise der neuen Methodik
Qi Wang, Erstautor der Studie, schlug vor, eine Methode, die im Bereich der Photonik eingesetzt wurde, auf die Magnonik zu übertragen, wo der Ansatz nachweislich noch besser funktioniert. Zunächst legen die Forscher die gewünschte Funktion des Bauteils fest, zum Beispiel eines Y-Zirkulators, eine der häufigsten Komponenten zur Trennung von Signalrichtungen in der Systemtechnik.
Dieses Bauteil ist eine Vorrichtung, die Spinwellen von einem Anschluss in einen anderen Anschluss leitet, entsprechend der Zirkulationsbedingung: Die Welle von Anschluss 1 soll in Anschluss 2 geleitet werden, die Welle von Anschluss 2 in Anschluss 3 und von Anschluss 3 in Anschluss 1. Als nächstes wird diese „Aufgabe" in eine Computersprache übersetzt. Schließlich generiert der Computer zufällige Strukturen und optimiert diese Schritt für Schritt, um die gewünschte Funktionalität zu erreichen.
Dieser Prozess aus Versuch und Irrtum wird mit sehr hoher Geschwindigkeit durchgeführt und ermöglicht mittels eines intelligenten Algorithmus eine optimierte Lösung. Ergebnis ist der Entwurf eines funktionierenden Geräts mit den von den Forschern anvisierten Funktionalitäten. Das, wie Wang von der Universität Wien es ausdrückt, „öffnet die Tür zu großen integrierten magnonischen Schaltungen, mit beliebiger Funktionalität und hoher Komplexität.“
Anwendungsbereiche des Inverse-Designs
Der vorgestellte Ansatz macht das Entwerfen mit zeitaufwendigen Experimenten überflüssig und betont stattdessen die Bedeutung der Vorstellungskraft der Forscher, die die Parameter und Ziele für die vom Computer entworfenen Geräte festlegen. Ein Beispiel für diesen kreativen Prozess kommt von Philipp Pirro, Wissenschaftler an der TU Kaiserslautern: „Mit Inverse-Design könnte man Neuronen entwickeln, wie sie in unserem Gehirn vorkommen, nur eben aus magnonischen Elementen aufgebaut sind.“
Die Euphorie über die Möglichkeiten dieses Ansatzes beruht auf seiner Fähigkeit, verschiedenste Funktionalitäten zu schaffen. In ihrem Artikel beschreiben die Wissenschaftler, wie sie eine Reihe von verschiedenen Geräten erstellt haben. So realisierten sie neben dem erwähnten Y-Zirkulator einen „Multiplexer“, der eine Welle mit einer bestimmten Frequenz in einen Kanal und eine Welle mit einer anderen Frequenz in einen anderen Kanal trennt. Diese Art von Geräten wird dazu eingesetzt, schnelles Internet zu ermöglichen.
Das letzte demonstrierte Gerät ist ein „nicht-linearer Schalter", der Spinwellen unterschiedlicher Energie trennt. Er sendet eine Welle mit niedriger Leistung an einen Ausgang und eine Welle mit hoher Leistung an einen anderen. Andrii Chumak, Leiter der Forschungsgruppe an der Universität Wien, weist jedoch darauf hin: „Unsere Studie eröffnet ein neues Feld mit großen Perspektiven, die invers-designte Magnonik. Dieser Ansatz ist bisher nur numerisch demonstriert worden. Die nächste große Herausforderung besteht darin, ihn in Experimenten umzusetzen.“