Integrierte Schaltkreise werden immer komplexer. Tatsächlich enthält ein Pentiumprozessor inzwischen rund 30 Millionen Transistoren. Und die magnetischen Strukturen auf Festplatten messen gerade noch zehn bis 20 Nanometer – kleiner als ein Grippevirus mit 80 bis 120 Nanometern Durchmesser. Die Abmessungen geraten somit bald in Größenordnungen, bei denen die Quantenphysik greift.
Diamant als Träger
Forscher am Freiburger Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF entwickeln zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Festkörperforschung einen Quantensensor, der winzige Magnetfelder exakt vermessen kann. Der eigentliche Sensor ist dabei kaum größer als ein Stickstoff-Atom. Als Trägersubstanz dient ein künstlicher Diamant. Dieser hat neben seiner großen mechanischen und chemischen Stabilität den Vorteil, Fremdatome wie Bor oder Phosphor einschleusen zu können, wodurch die Kristalle zu Halbleitern werden. Vor allem aber besticht das Material durch seine hohe Wärmeleitfähigkeit. Die starken Bindungskräfte der Kohlenstoffatome sorgen dafür, dass die Wärme rasch abgeführt wird.
Das Fraunhofer IAF hat in den letzten Jahrzehnten optimierte Anlagen zur Produktion von Diamant entwickelt. Der Prozess für die Maßanfertigung findet in einem Mikrowellen-Plasmareaktor statt. Im Fokus der Mikrowelle zündet ein Plasma, sodass bei Temperaturen von 800 bis 900° C aus einströmendem Methan- und Wasserstoffgas Diamantschichten wachsen können. Die Kristalle mit Kantenlängen zwischen drei und acht Millimetern werden später mit einem Laser vom Substrat getrennt und poliert.
Ultra-saubere Diamantschichten
Für die Herstellung des Quantensensors ist ein besonders reiner Kristall nötig, was weitere Verbesserungen angestoßen hat. Für das Wachstum von ultra-sauberen Diamantschichten wird das Methan, das den Kohlenstoff für den Diamant liefert, mittels eines Zirkonium-Filters vorgereinigt. Zudem muss das Gas isotopenrein sein, denn nur 12C, ein stabiles Isotop des Kohlenstoffatoms, hat keinen Kernspin – eine notwendige Voraussetzung für den späteren Magnetsensor.
Auch der Wasserstoff durchläuft eine Reinigungsstufe. Der so entstandene hochreine monokristalline Diamant muss nun für die Aufgabe als Magnetdetektor präpariert werden. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man implantiert ein einzelnes Stickstoffatom oder gibt in der letzten Wachstumsphase der Diamantenherstellung Stickstoff hinzu. Daraus werden Spitzen geformt, die im institutseigenen Reinraum durch ein Ätzverfahren im Sauerstoff-Plasma herausgearbeitet werden. Das Resultat ist jeweils eine hauchfeine Diamantspitze, die der eines Rasterkraftmikroskops ähnelt. Der Clou ist das eingeschleuste Stickstoffatom samt einer benachbarten Leerstelle im Kristallgitter, einer Vakanz.
Dieses Stickstoff-Vakanz-Zentrum ist der eigentliche Sensor. Er sendet Licht aus, wenn man ihn mit einem Laser und Mikrowellen bestrahlt. Auf einen Magnet in seiner Nähe reagiert er mit einer Variation seiner Lichtemission, man spricht von optisch detektierter Elektronenspin-Resonanzspektroskopie (ODMR). Damit kann ein Magnetfeld nicht nur auf Nanometer genau aufgespürt, sondern auch in seiner Stärke bestimmt werden.
Gehirnströme messen
Dieses Prinzip macht erstaunliche Anwendungen möglich. Die winzigen Diamantnadeln eigenen sich beispielsweise dazu, die Qualität von Festplatten zu kontrollieren. Auf den dicht gepackten Datenspeichern kommt es immer wieder zu kleinen Fehlern. Der Quantensensor kann die defekten Datensegmente aufspüren, sie bleiben dann beim Schreib- und Lesevorgang ausgeschlossen. Das reduziert den Ausschuss, der bei zunehmender Miniaturisierung rasant steigt, und senkt die Produktionskosten.
Die Einsatzmöglichkeiten für den Winzling sind vielfältig, denn schwache magnetische Felder sind überall zu finden – sogar im Gehirn. „Immer wenn sich Elektronen bewegen, entsteht ein Magnetfeld", sagt IAF-Experte Christoph Nebel. Indem diese Aktivitäten lokalisiert werden, lassen sich diejenigen Areale im Gehirn aufspüren, die bei bestimmten Tätigkeiten oder Gefühlen aktiv sind. Elektroden können dafür die Ströme direkt messen, was jedoch sehr ungenaue Daten liefert.
Bessere Ergebnisse liefern Magnetfeldmessungen. Die dafür benutzten Sensoren haben allerdings einen Nachteil: Sie müssen mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden. Die neue Technologie mit dem extrem wärmeleitenden Diamanten arbeitet dagegen bei Raumtemperatur, ganz ohne Kühlung. Für diesen Einsatz würden keine feinen Nadeln, sondern Plättchen verwendet, auf denen zahlreiche Stickstoff-Vakanz-Zentren eingebaut sind. Jedes Zentrum erzeugt einen Bildpunkt, sodass insgesamt ein detailscharfes Foto entsteht.