„Es wird weniger Autos geben“ – eine ungewöhnliche Aussage, nicht nur weil es schon zur liebgewordenen Gewohnheit geworden ist immer in Wachstumsdimensionen zu denken, sondern ganz besonders weil sie von Markus Mierse kommt, seines Zeichens Senior Director bei Socionext Europe, Hersteller von Grafiklösungen für Autos. Doch Mierse spricht hier auch nicht von Stagnation sondern von Entwicklung und Innovationen: „Jüngere Generationen denken nicht mehr so sehr in Kategorien von Besitz sondern eher in Verfügbarkeit. Ideen der Share-Economy werden Mobilität stärker beeinflussen und außerdem werden autonome Fahrzeuge viel schneller relevant, als das so Manchem klar ist.“ Wer immer häufiger in Autos sitzt, die er nicht alleine nutzt, dem wird noch wichtiger, was Smartphone-Nutzer ohnehin immer stärker von ihrem Fahrzeug erwarten: Bedienoberflächen und Funktionalitäten die sich nicht starr immer gleich verhalten, sondern verschiedene Faktoren mit einbezieht und sich beispielsweise an den Fahrer und den aktuellen Ort anpasst. Oder wie es Mierse zusammenfasst: „Das Smartphone kennt mich recht gut – das Auto bislang fast nicht.“ Was Fahrer bei ihren Smart Devices schätzen gelernt haben, möchten sie im Auto nicht missen. So ist der jungen, technikaffinen Zielgruppe nicht mehr zu erklären, warum ein Navigationssystem im Leih- oder Carsharing-Auto die Ziele des vorherigen Fahrers anzeigt statt der eigenen Adressbucheinträge und Google-Maps-Favoriten. Die Generation der Digital Natives, deren Lifestyle „always on – always connected“ ist, hat ein anderes Verständnis von Mobilität. Streamen als verändertes Mediennutzungsverhalten ist der Megatrend, und nicht erst seit es Apple Music gibt. Auch im Auto sollen ganz selbstverständlich angesagte Playlists aus London, dem Valley oder Vegas statt lokaler, verrauschter UKW Sender laufen. Immer wichtiger werden daher zum einen Local Based Services (LBS) und zum anderen ein komfortabler Zugriff auf persönliche Daten wie Adressen, Kontakte und Termine sowie auf Musik- oder Videostreams aus der Cloud.
Flexibilität mit System
Einen wichtigen Grund, warum die Cloud-basierte Welt der Smartphones bislang nur rudimentär in die Cockpits integriert ist, hat man bei Socionext in den sehr unterschiedlichen Produktzyklen ausgemacht. Ein Auto wird schlicht nicht alle zwei Jahre ausgetauscht wie ein Handy und vor der Produkteinführung stehen längere Entwicklungs- und Zertifizierungsphasen. Ein Grafik-System, das unter anderem diese Herausforderung meistert, hat man im Graphics Competence Center (GCC) von Socionext entwickelt. Das All-in-One-Systemkonzept basiert auf einem zentralen MB86R2x, einem Mid-Range-SoC im Low-Cost-Segment, der mit seinem Dual Core ARM Cortex A9 und einer 3D GPU etwa die Leistungsklasse eines iPad2 erreicht. An diese Zentraleinheit sind dann über eine Video- und Communication-Bridge (MB86R91) und per APIX2 (Automotive Pixel Link 2) alle Displays des Fahrzeugs aber auch beispielsweise eine Rückfahrkamera angeschlossen. Diese serielle Verbindung überträgt Bilddaten unkomprimiert und bietet eine für Full-HD-Auflösungen entwickelte Übertragungsgeschwindigkeit. So können unterschiedliche Displays mit unterschiedlichen Auflösungen und variierender Funktionalität auf die gleiche Weise angebunden werden. Typisch wären beispielsweise ein hochauflösendes Cluster Display, ein Center Display mit Touchscreen und ein HuD (Head-up Display) auf diese Weise verbunden. Auf Seiten des Displays wird nur ein Ultra-Low-Cost-APIX2-Empfängerbaustein benötigt. Diese günstige Bauweise ist möglich, da hier keinerlei weitere Intelligenz und damit kein Mikrokontroller nötig ist. Dieser Systemaufbau bietet höchste Flexibilität, um unterschiedliche Ausstattungsvarianten, ohne Hardware-Designänderungen zu unterstützen. Direkt mit dem zentralen SoC verbunden, spielt bei diesem All-in-One-System auch das Smartphone des Fahrers eine zentrale Rolle. Angeschlossen via USB und angebunden beispielsweise per MirrorLink und somit wahlweise per Google Automotive Link oder mit Apple Carplay, kann die gesamte Funktionalität des Smart Devices auf den Displays im Cockpit zur Verfügung gestellt werden.
Zwei Welten – eine Lösung
Der große Vorteil dieser Lösung: Das Konzept verbindet die Technologie des Smartphones mit seinen leistungsfähigen Prozessoren und kurzen Lebenszyklen mit der langlebigeren und sicherheitskritischeren Fahrzeugelektronik. So können selbst ältere Fahrzeuge beispielsweise modernste 3D-Navigation oder Musikstreaming über jeden gerade angesagten Dienst anbieten. Rechenleistung und Software hierfür bringt der Fahrer selbst mit – in seinem Smartphone. Außerdem ist natürlich Zugriff auf alle Daten möglich, die die Generation Connected per iPhone und Cloud gewohnt ist immer dabei zu haben. Im Kleinwagensegment könnte die gespiegelte, eventuell optisch an die Bedienung beim Fahren angepasste Oberfläche des Smartphones, laut Markus Mierse, in Zukunft sogar das eingebaute Infotainmentsystem ablösen. Wobei sich Fahrer keine Sorgen machen müssten: Auch ohne verbundenes Smart Device wären wichtige Grundfunktionalitäten wie Radioempfang und die Bedienung der Klimaanlage weiter gegeben. Ist das Smartphone aber, wie wahrscheinlich in fast allen Fällen, mit an Bord, sind Komfortfunktionen möglich, die sonst erst zwei Fahrzeugklassen höher gegen Aufpreis verfügbar wären.