„Im Gebäudesektor gibt es zwei Stellschrauben, um Treibhausgasemissionen zur reduzieren: Entweder man optimiert die Dämmung oder setzt auf Erneuerbare Energien“, umschreibt Pahn die grundlegende Herangehensweise. „Der Faktor Dämmung ist mittlerweile technisch, ökonomisch und ökologisch nahezu ausgereizt und birgt in punkto Emissionen kaum noch zusätzliches Potenzial. Deswegen haben wir untersucht, wie sich die Solarthermie in der Praxis bestmöglich zum Heizen nutzen lässt.“
Langanhaltend verfügbar halten
Sonnenwärme steht nicht rund um die Uhr zur Verfügung. Deswegen war der konzeptionelle Ansatz der Forschenden, die Energie in der Gebäudewand langanhaltend bis in die Nacht hinein verfügbar zu halten. „Beton hat grundsätzlich ein sehr gutes Wärmespeichervermögen“, erläutert Tillman Gauer, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Pahn.
„Aber erst mit Einsatz der multifunktionalen Bauteile – aufgebaut aus einer Tragschale, einer 14 cm dicken Dämmung und einer Vorsatzschale – lässt sich die Wärme auch effizient für die Gebäudeheizung nutzen. In den Bauteilen verlaufen dünne Rohrleitungen, wie sie auch bei der Fußbodenheizung zum Einsatz kommen. Diese transportieren warmes Wasser ins Bauteil, kaltes Wasser zurück zum Heizsystem und speichern so Wärme ein. So kann das Heizsystem bedarfsgerecht auf die Sonnenenergie zugreifen.“
Wenn sich die Wand nur um wenige Grad Celsius aufheizt, reicht das aus, um innen eine behagliche Wärme zu erzeugen. Gekoppelt sind die multifunktionalen Bauteile und die Solarthermie mit einem regulären Heizsystem, zum Beispiel einer Fußbodenheizung mit Wärmepumpe, die einspringen kann, wenn nicht genug Sonnenwärme zur Verfügung steht. Ist zu viel Sonnenwärme verfügbar, kann diese in einem Pufferspeicher „zwischengelagert“ werden.
Dieses System wird im Hintergrund geregelt: Temperaturfühler melden ihre Messwerte an den Zentralrechner, der Algorithmus-gesteuert entscheidet: Wie warm ist es aktuell im Raum, gibt es ein solares Angebot und so weiter? Dabei hat die Solarthermie als klimafreundlicher Energieträger grundsätzlich den Vorzug.
Die Langzeittests hat Gauer in einem der kleinen Gebäude im Small House Village der TUK durchgeführt, die Forschenden als baulicher Experimentierraum zur Verfügung stehen. Dort ist die „Hybridheizung“, in dem Fall eine Kombination aus Solarthermie und Erdwärme, seit über drei Jahren im Regelbetrieb und hat sich bewährt. „Über zwei Durchbrüche in der Betonwand, in die sich Bauteile ein- und ausbauen lassen, konnten wir dabei verschiedene neuartige Bauteile und Materialien testen und so das System optimieren“, ergänzt der Bauingenieur.
Erster Test in Einfamilienhäusern
Was jetzt noch fehlt, ist der praktische Einsatz in einem klassischen Einfamilienhaus. „Wir suchen Bauherren, die das System testen möchten – idealerweise in Kombination mit einer Fußbodenheizung, die ebenfalls geringe Vorlauftemperaturen benötigt“, sagt Gauer.
„Was die bauliche Umsetzung betrifft, reicht es völlig aus, einen Teil der schattigen Nordfassade mit den funktionalisierten Betonbauteilen auszustatten. Innen nimmt das System kaum Platz weg – die Rohleitungen verlaufen in der Wand und die Steuerungstechnik passt in eine Ecke bezehungsweise in einen kleinen Heizraum.“