Tobias Burkhardt ist einer der beiden Gründer sowie Geschäftsführer der Shiftschool in Nürnberg. Der Trainer und Netzwerker verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Marketing und Strategieentwicklung und beschäftigte sich in der Vergangenheit schwerpunktmäßig mit den Themen Innovation, agile Organisationsentwicklung und künstliche Intelligenz. Er baute bereits mehrere Start-ups mit auf und begleitete einige Unternehmen als Coach und Interim-Manager. Im Interview mit Industr.com erklärt er seinen Ansatz der digitalen Weiterbildung:
Industr.com:
Was hat Sie zur Gründung der Shiftschool bewegt?
Tobias Burkhardt:
Wir haben uns nun schon seit über zehn Jahren nebenberuflich bzw. ehrenamtlich in der Weiterbildung engagiert. Doch bisher hat keiner der etablierten Player eine Antwort auf die Herausforderungen der digitalen Revolution gefunden weder inhaltlich noch in der Art und Weise, wie heute Wissen vermittelt werden sollte. Unternehmen werden aber in den nächsten Jahren massiv nach Menschen suchen, die die Qualifikationen, die Einstellung und die Persönlichkeit mitbringen, um diesen fundamentalen Wandel zu gestalten. Also haben wir genau die Schule gegründet, auf die wir auch gerne gegangen wären.
Wie funktioniert die Shiftschool?
Wir sind in erster Linie eine Mindset-Schule. Die Shiftschool ist nicht einfach nur ein weiteres akademisches Institut, unser Theorieanteil geht gegen Null! Anstatt theoretisches Wissen zu vermitteln, welches man auch problemlos googlen könnte, vermitteln wir unseren Teilnehmern Skills und Methoden, die sofort im Job anwendbar sind. Wir wollen mit einem interaktiven und stark praxisorientierten Programm genau die Kompetenzen vermitteln, die im digitalen Jahrhundert am meisten gebraucht werden. Unsere Teilnehmer arbeiten ausschließlich an konkreten Projekten, sehr viel in Gruppenarbeit und mit jeder Menge Spaß an der Sache. Kurz gesagt: Wir wollen in der Shiftschool eine Lernatmosphäre schaffen, die Begeisterung für das Lernen entfacht.
Aber kann man einen Wandel wie die digitale Transformation überhaupt nach Lehrplan lernen oder ist das nicht ein Widerspruch in sich?
Ich würde es vielleicht so formulieren: Wir vermitteln Skills und arbeiten mit unseren Teilnehmern sehr stark an ihrem Mindset, um sie zu befähigen, den digitalen Wandel zu gestalten. Wichtige Skills sind unseren Augen konzeptionelles, strategisches und ganzheitliches Denken, die Fähigkeit immer wieder in unterschiedlichen Teams zusammenzuarbeiten, sich und seine Stärken zu kennen und zu reflektieren, unternehmerisch zu handeln, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Ich persönlich beobachte auch immer wieder, dass offene und klare Kommunikation eine sehr entscheidend ist.
Wer sind Ihre typischen Schüler?
Innerhalb von Unternehmen arbeiten wir zum größten Teil mit Führungskräften und Innovationstreibern, weil dort die größten Hebel sind. Unser Programm richtet sich an all diejenigen, die innerhalb ihres Unternehmens Dinge verändern wollen, Innovationen voranbringen wollen, den Status Quo in Frage stellen und gezielt darüber nachdenken, wie man die Chancen, die Technologie uns bietet, nutzbar macht. Zu uns kommen Menschen, die ihre Zukunft selbst gestalten wollen. Wir suchen Pioniere, die die Motivation und Bereitschaft haben, Großartiges zu schaffen. Das ist im übrigen keine Frage des Alters. Wir haben Teilnehmer von Mitte Zwanzig bis Anfang Sechzig. Erfolgreiche Geschäftsführer, gestandene Führungskräfte und ambitionierte „High Potentials“. Vom Dax-Konzern, über den Hidden Champion bis hin zum Freelancer ist alles vertreten. Die Teilnehmer kommen aus allen Fachbereichen und der Anteil von Frauen liegt bei knapp 50%. Diese Diversität zeichnet das Programm aus, weil die Teilnehmer enorm von diesem Netzwerk profitieren.
An welcher Stelle haben Ihre Teilnehmer den größten Lernbedarf?
Die Menschen, die zu uns kommen, bringen ein hohes Maß an Selbstreflexion mit und wollen an sich arbeiten. Da heißt sie wissen oft schon sehr genau, was sie lernen wollen und wir zeigen ihnen wie. Neben den fachlichen Skills liegt unser Fokus deshalb in der Resilienz/Beharrungsvermögen, der Abkehr vom Perfektionismus bzw. Entscheidungsfreude, das Arbeiten in Netzwerken anstatt in Hierarchien, den Mut kalkulierbare Risiken einzugehen, die Flexibilität/schnelles Reaktionsvermögen sowie dem unternehmerischen Denken. Das sind Dinge, die man bisher nirgendwo wirklich lernen konnte.
Wo stehen deutsche Unternehmen Ihrer Erfahrung nach bei der digitalen Transformation?
Die Treiber des Wandels gibt es in so ziemlich jedem Unternehmen. Die Frage ist aber, ob sie dort die Chance bekommen, wirklich Dinge zu verändern. Oft hilft schon ein Blick ins Organigramm, um festzustellen, ob es ein Unternehmen ernst meint oder nicht. Nur wenn die oberste Führungsspitze konsequent hier dem Wandel steht und ihn kontinuierlich selbst vorantreibt bzw. mit gutem Beispiel voran geht, wird sich wirklich etwas verändern. Sicher verändern sich Branchen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Und genau das macht es für etablierte Unternehmen so schwierig. Zwar sind die Veränderungen überall absehbar, aber die Unternehmen wissen nicht, wann sie denn Schalter umlegen sollen.
Aktuell macht z.B. Facebook ja eher negative Schlagzeilen. Taugt das Silicon Valley tatsächlich als digitales Vorbild für Deutschland und Europa oder sollten wir einen eigenen Weg entwickeln? Wenn ja: Wie müsste der aussehen?
Ich glaube, wir sollten diese Frage so nicht stellen, weil das in einer globalisierten Welt wenig Sinn macht. Es ist schon sehr widersprüchlich, dass Firmen wie Google, Amazon und Facebook in Deutschland auf der einen Seite scharf kritisiert werden, aber gleichzeitig gerade hier mit den höchsten Marktanteil weltweit besitzen. Damit will ich nicht sagen, dass ich alles gut heiße, was diese Firmen tun, ganz im Gegenteil! Trotzdem sollten wir lieber lernen zu verstehen, warum diese Firmen zu erfolgreich sind – und das ist oft die kompromisslose Ausrichtung am Kundenwunsch. Vielleicht taugt das Valley ja auch in anderer Hinsicht als Vorbild. Palo Alto, als Epizentrum des digitalen Wandels bietet ein geradezu dörflich anmutendes Gemeinschaftsleben. Die großen Internetgiganten scheinen bei näherem Hinsehen eher organisiert wie große Familien, denn echte Netzwerke basieren auf Vertrauen nicht auf Verkaufen. Nur wer das begreift, hat langfristig Erfolg.
Wie sollten Unternehmen Ihrer Meinung nach mit Ängsten in Bezug auf die Digitale Transformation umgehen?
Wir sollten endlich aufhören, die Zukunft genau prognostizieren zu wollen. Das war schon immer schwierig, aber in Zeiten dieses rasanten Wachstums halten wir das für fahrlässig und anmaßend. Wir sollten lieber anfangen die richtigen Fragen zu stellen. Wenn die Maschine immer mehr Jobs übernehmen kann und alle routinemäßigen Tätigkeiten nach und nach automatisiert werden, welche Jobs bleiben dann für den Menschen? Welche Qualifikationen braucht man dafür? Wenn die Halbwertszeit von Wissen dramatisch abnimmt, ist es dann noch sinnvoll Menschen jahrelang in eine Richtung zu spezialisieren? Oder ist es dann nicht sinnvoller, wieder Menschen auszubilden, die flexibel auf Veränderungen reagieren können und sich ständig neues Wissen aneignen können? Zukünftig werden fachliche Skills in den Hintergrund treten. Wir sind überzeugt, dass Menschen, die auf kreative Art und Weise Problem lösen, den Status Quo in Frage stellen wollen und mit Menschen und Maschinen gleichermaßen interagieren und kommunizieren können, erfolgreicher sein werden. Genau das versuchen wir unseren Teilnehmer zu vermitteln. Wenn ich lerne so zu denken, dann brauche ich auch keine Angst vor der Zukunft zu haben.
Was könnten Teilnehmer aus der Industrie für Ihren Unternehmensalltag aus Ihrem Programm mitnehmen?
Die Absolventen unseres Programms kommen aus allen Branchen und genau darin liegt der Reiz. Zu lernen und zu sehen, wie es andere machen. Spezialisten hat dieses Land genug. Was wir brauchen, sind Generalisten, die in der Lage sind Silodenken aufzulösen und auch über Branchen hinweg in Kooperationen zu denken. Deswegen erarbeiten die Teilnehmer während des Programms ein eigenes digitales Portfolio, in der sie alle Leistungen, Arbeitsproben und Referenzen dokumentieren. Zum Abschluss des Programms erhalten sie die Challenge in 12 Wochen das Geschäftsmodell eines realen Unternehmens komplett auf den Prüfstand zu stellen und neue Out-of-the-Box Ansätze zu entwickeln. Am Ende steht die Präsentation und die Verteidigung von disruptiven Konzepten direkt vor der Führungsmannschaft des Auftraggebers.
Wie wollen die Sie Shiftschool in Zukunft weiterentwickeln?
Die rasante technologische Entwicklung zwingt uns ständig am Ball zu bleiben. Unser Ziel für die Zukunft ist es, unsere Teilnehmer innerhalb des Netzwerkes kontinuierlich weiterzuentwickeln und auf die künftigen Veränderungen vorzubereiten. Am besten ein Leben lang!