Mit dem Kontron-Starter-Kit lässt sich prüfen, ob das Compute Module die Anforderungen für Serienfertigungen im jeweiligen Betrieb erfüllen kann. Ein solcher Check kann die Entwicklung von Industrieanwendungen beschleunigen.
Das Anwendungsbeispiel eines Seilbahn-Herstellers und Kunden von Kontron demonstriert, wie mittels Rpi CM3+ entworfene Prototypen industriell und bedarfsgerecht produziert werden können. Hier wurde die Entwicklung einer Elektronik für den Seilbahnbetrieb realisiert, um eine flüssige Kommunikation zwischen Passagieren in der Gondel und dem Personal in den Stationen sicherzustellen.
Anforderungen des Seilbahn-Herstellers
Seilbahnen sind nicht nur die erste Wahl, wenn es um die Beförderung vieler Personen am Berg geht; auch im urbanen Raum setzen Städteplaner zunehmend auf die geräuscharmen Gleiter. Kontron realisierte gemeinsam mit einem Seilbahn-Hersteller eine Steuerung, die die Kommunikation und den Informationsaustausch in beide Richtungen erlaubt: Passagiere und das Personal an den Stationen können sich bei Bedarf über das System, das in jeder Gondel installiert ist, austauschen.
Des Weiteren fungieren die Gondeln als Werbekanal. Damit kann sich der Betreiber refinanzieren und die lokale Wirtschaft unterstützen. Durchsagen während der Fahrt machen auf Berghütten, Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen im örtlichen Umfeld aufmerksam. Auch Wetterwarnungen können über das multifunktionale System an die einzelnen Bergbahngondeln weitergeleitet werden.
Für den Hersteller von Seilbahnanlagen waren im Vorfeld folgende Mindestanforderungen wichtig:
universelle, erweiterbare Plattform für eine Vielzahl von Anwendungen, vom Maschinenraum über die Kabine bis zu den Stationen der Seilbahnen
Informationsmanagementsystem inklusive Infotainment-Funktion (Audio- und Videofunktion und Gegensprechbetrieb)
Linux-Unterstützung
Steuerung für Sommer und Winter
Der Kunde wünschte sich ein einfaches System für seine Steuerung, die von wenig Personal und auf Knopfdruck unkompliziert zu bedienen ist. Die Elektronik für die Steuerung war bereits vorhanden, sollte aber abgelöst werden.
Kontron setzte mit dem Raspberry Pi ein Maker-Produkt ein, das sich optimal industrialisieren lässt. Es funktioniert im Batteriebetrieb (24 V) zuverlässig und verbraucht zudem wenig Energie. Auch den Temperaturextremen im Sommer wie im Winter trotzt die so ausgestattete und speziell geschützte Steuerung zuverlässig.
Darüber hinaus erlaubt das System Echtzeitkommunikation (RTC), ist mit einem LAN- und zwei USB-Ports, je acht 24-V-Digital-In- und Digital-Out-Anschlüssen sowie mit vier Analog-Eingängen ausgestattet. Dazu bietet das Gerätedesign noch einen HDMI- beziehungsweise einen Audio-Ausgang mit einer Leistung von zweimal 30 W. Abgerundet wird das Setup durch ein Kamera-Interface für die Steuerung und Überwachung von Stationen und Gondeln mittels Videobildern.
Der Seilbahn-Hersteller profitierte bei dem Projekt von der langjährigen Erfahrung von Kontron mit industriellen, anspruchsvollen Umgebungen. Neben der Flexibilität, der hohen Rechenleistung und den geringen Kosten ist auch der umfassende Linux-Support von großem Vorteil. Durch das Starterkit von Kontron ging die Entwicklung der Steuerung zudem schnell voran.
Starter-Kit war überfällig
Die Karriere des Raspberry Pi in der industriell-kommerziellen Entwicklung ist nach den Erfahrungen von Kontron Austria nicht aufzuhalten. Seit rund fünf Jahren beobachtet das Unternehmen, dass die von Kunden gelieferten Designs immer häufiger auf Rpi basieren. Ingenieure und Entwickler sind auf dieser Plattform ausgebildet und kommen schnell zu Ergebnissen.
Neben Rpi sind natürlich auch andere kostengünstige und offene Plattformen wie Arduino oder Beagle Board beliebt. Doch an die Favoritenrolle der Himbeere reichen sie nicht annähernd heran.
Beratung ist nötig
Mittlerweile hat Kontron einige kommerzielle Projekte auf Basis von Raspberry Pi abgeschlossen und kann eine erste Bilanz ziehen: Der günstige Ausgangspreis spiegelt sich am Ende nicht bei jedem Projekt wider. Die Kosten für ein serienreifes Produkt waren manchmal höher, als vom Kunden gedacht.
Es zeigte sich, dass auch für Prototypen, die auf Basis von Raspberry Pi erstellt wurden, die laufende Beratung bei der Umsetzung finanziell zu Buche schlägt. Die entstehende Industrieplattform kostete in manchen Fällen so viel wie eine standardisierte Embedded-Plattform.
Freier Source Code im Einsatz
Die Beliebtheit von Rpi hat auch dazu geführt, dass sich eine weltweite Wissens-Community gebildet hat, wie sie bei kommerziellen Unternehmen kaum denkbar ist. Man spricht sogar davon, dass Raspberry Pi global die größte Linux-Support-Community hat. Von diesem gebündelten Know-how können indirekt auch Unternehmen profitieren.
Bis Ende des Jahres 2018 wurde Raspberry Pi laut der Raspberry Foundation rund 22 Millionen mal verkauft. Auf eine vergleichbar große Nutzerbasis kommt kein Standard-Industrie-PC. Das ist einerseits ein großes Plus, jedoch ist Open Source für industrielle Anwender nur bedingt von Vorteil.
Zwar sind viele Anwendungen lizenzfrei verfügbar, wird aber der Source Code angepasst, muss auch dieser wieder unter freier Lizenz veröffentlicht werden. Viele Unternehmen und Organisationen wollen aber nicht, dass ihre Software kostenlos und allgemein verfügbar ist.
Das Gleiche gilt, wenn nur einzelne Module aus bestehenden Applikationen verwendet werden. Üblicherweise müssen auch daraus abgeleitete Programme wieder lizenzfrei veröffentlicht werden. Wer allerdings nicht ausschließlich auf Linux angewiesen ist, kann auf der Plattform auch Microsofts Windows IoT Core betreiben.
Praxisprüfung mit Starter-Kit
Die Raspberry Foundation hat am 23. Juni 2019 den neuen Rpi 4 auf den Markt gebracht und damit viele überrascht, die erst im Jahr 2020 mit einer neuen Version gerechnet haben. Umso größer ist die Begeisterung über die neuen Features wie zum Beispiel bis zu 4 GB RAM, einer 4K-Videoausgabe, USB 3.0, Gigabit-Ethernet und mehr Rechenleistung. Vor allem durch den höheren Arbeitsspeicher, einen neuen Grafikkern und zwei HDMI-Anschlüsse lassen sich weit anspruchsvollere Projekte auch für Dual-Display-Anwendungen verwirklichen.
Mit dem aktuellen Release des Rpi 4 hat sich die Systemperformance signifikant erhöht. Sobald eine Compute-Modul-Variante vom Rpi 4 vorhanden ist, wird Kontron so schnell wie möglich ihre Kompatibilität sowie deren Einsatz in neuen Produkten im Industrieumfeld prüfen.
Raspberry Pi hat beim Einsatz im industriellen Umfeld aber auch Nachteile. Einer ist die fehlende Standardisierung, wie sie SMARC-, COM-Express- oder Qseven-Module bieten. Zudem wird Rpi nur von der Raspberry Foundation und ihren Distributoren vermarktet. Deshalb gibt es keine Variantenvielfalt zum Beispiel in puncto Leistung, Stromaufnahme oder Ausstattung.
Die Eignung von Raspberry Pi hängt immer vom jeweiligen Einsatzzweck ab. Unternehmen wie Kontron bieten daher ein „Industrial Starter-Kit“ an, auf dessen Basis sich schnell ermitteln lässt, ob ein Raspberry Compute Module den gewünschten Anforderungen entspricht.
Das Starter-Kit verfügt über alle in der Industrie verbreiteten Schnittstellen wie Ethernet, CAN-Bus, 1-Wire und RS485/RS232. Das erprobte Schaltungsdesign und der industriell übliche Stromanschluss mit 24 V sorgen für die zuverlässige Einsatzfähigkeit. Weitere industrielle analoge und digitale I/Os erlauben die Integration in vorgegebene Anwendungen. Mit dem Starter-Kit lässt sich der Weg vom Prototyp bis hin zum fertigen Produkt deutlich verkürzen.