Das Absenken der Versorgungsspannung von integrierten Schaltkreisen in komplexen Baugruppen und der damit sinkende Störabstand der Nutzsignale führen immer häufiger zu Ausfällen bei der Störfestigkeitsprüfung. Da mit Normprüftechnik elektronische Geräte nur als Ganzes geprüft werden – „Black Box“-Prinzip –, ist eine tiefer gehende Untersuchung der Störstromwege durch die Baugruppe und die Identifizierung der tatsächlichen Schwachstellen kaum möglich. Oft werden deshalb nach der Methode „Trial and Error“ Filter- und Schirmmaßnahmen im Prüfling angebracht und so lange modifiziert, bis die geforderte Störfestigkeit erreicht wird. Die langwierige Suche und die häufigen Durchläufe im Prüflabor führen zwangsläufig zu einer längeren Entwicklungszeit und damit zu höheren Entwicklungskosten. Weiterhin steigen meist die Fertigungskosten durch die oft fehlplatzierten und dadurch überdimensionierten Filter- und Schirmmaßnahmen.
Da der Normprüfplatz sich nicht ausreichend zur Störfestigkeitsanalyse eignet, werden neue Entwicklungswerkzeuge benötigt, die eine Störfestigkeitsanalyse direkt in der Schaltung erlauben. Das zentrale Element dieser Werkzeuge bildet ein Burstgenerator, der auf die Problemlösung direkt in der Schaltung angepasst ist. Dieser generiert kontinuierlich eine zufällige Folge von unterschiedlich hohen Spannungsimpulsen von bis zu 1.500 Volt. Im Vergleich zu EFT/B-Generatoren (Electrical Fast Transient/Burst) nach EN 61000-4-4 besitzen diese Impulse eine geringere Störenergie und können zur Schwachstellensuche direkt in elektronische Baugruppen eingespeist werden. Durch die direkte Einspeisung reicht die Stör-
energie dennoch aus, um eine vergleichbare Störwirkung eines von außen angeschlossenen EFT/B-Generators zu erzielen. Die Wahrscheinlichkeit, elektronische Bauteile bei der Schwachstellensuche zu beschädigen, wird aufgrund der geringeren Störenergie reduziert.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal sind die potential-
freien Ausgänge des Burstgenerators. Durch diese potential-
freien Ausgänge ist es möglich, die erzeugten Impulse auch unabhängig vom Massesystem gezielt in bestimmte Bereiche einer Baugruppe einzuspeisen. So lassen sich schnell Schwachstellen innerhalb der Baugruppe durch abschnittweise Untersuchungen des Störstromweges lokalisieren. Für detailliertere Untersuchungen können Feldquellen mit dem Burstgenerator gespeist und die so erzeugten magnetischen oder elektrischen Pulsfelder in die Baugruppe eingekoppelt werden. Weiterhin ist die Analyse der Störstrompfade durch eine Baugruppe mittels Magnetfeldsonden oder eines optischen Sensors möglich.
Ausgangspunkt der Analyse
Ausgangspunkt der systematischen Störfestigkeitsanalyse ist die Prüfung des Gerätes nach der Norm EN 61000-4-4. Das aufgetretene Fehlerbild bei der Normprüfung ist eine wichtige Information für die nachfolgenden Untersuchungen. Anhand des Fehlerbildes kann aber noch nicht die Schwachstelle im Gerät eindeutig identifiziert werden. Beispielsweise ist bei einem Displayausfall nicht zwingend das Display selbst die Schwachstelle, sondern es können auch der Grafikcontroller oder der Hauptprozessor die Ursache sein. Für die nachfolgend aufgeführten Messstrategien ist das Fehlerbild zur Nachbildung des Verhaltens der Baugruppe bei der Normprüfung nötig. Zur Analyse der Störstrompfade wird der Störstrom des Burstgenerators über verschiedene Wege durch die Baugruppe geleitet. Es wird mit der massebezogenen Einspeisung in die Stromversorgungswege oder in die Schnittstellen der Baugruppe begonnen und auftretende Funktionsfehler des Prüflings beobachtet. Dieses Vorgehen dient zur Nachbildung des Fehlerbildes, das bei der Normprüfung aufgetreten ist. In den nächsten Schritten wird durch die abschnittweise Störstromeinspeisung die Schwachstelle eingegrenzt. Durch die potentialfreien Ausgänge des Burstgenerators kann der Störstrom auch unabhängig vom Massesystem gezielt in bestimmte Bereiche der Baugruppe eingespeist werden (Abbildung 1).
Schwachstellen lokalisieren
In den meisten Fällen können die Schwachstellen durch die Analyse der Störstrompfade, je nach Dichte der Bauelemente, nur auf eine bestimmte Gruppe von Bauelementen oder Leiterstrukturen eingegrenzt werden. Da die Beeinflussung von ICs hauptsächlich durch magnetische oder elektrische Pulsfelder der eingespeisten Störströme bzw. -spannungen erfolgt, werden diese im nächsten Schritt untersucht. Dazu werden derartige Felder mithilfe von Feldquellen nachgebildet und gezielt in Anschlüsse von Bauelementen oder in Leiterstrukturen eingespeist. Auch hier werden wieder die auftretenden Funktionsfehler des Prüflings zur Eingrenzung der Schwachstelle genutzt. Je nach Größe der Feldquelle kann eine Lokalisierung bis auf wenige Millimeter erfolgen. So ist es möglich, einzelne empfindliche Anschlusspins eines ICs zu ermitteln.
Analyse der Burst-Magnetfelder
Die dritte Messstrategie dient der Analyse der Ausbreitung der Burst-Magnetfelder auf einer Baugruppe. Dafür wird der Störstrom leitungsgebunden in den zu untersuchenden Bereich der Baugruppe eingespeist. Der Störstrom erzeugt um die durchflossenen Leiter magnetische Felder, die mit einer Magnetfeldsonde gemessen werden können (Abbildung 2). Die Magnetfeldsonde erzeugt Lichtimpulse mit einer von der mittleren magnetischen Flussdichte abhängigen Frequenz. Die Magnetfeldsonde ist über einen Lichtwellenleiter mit dem optischen Eingang des im Burstgenerator integrierten Impulsdichtezählers verbunden. Der angezeigte Wert des Impulsdichtezählers ist proportional der magnetischen Flussdichte. Durch Drehen und Neigen der Magnetfeldsonde wird die Orientierung des magnetischen Feldes bestimmt. Somit kann mit der Magnetfeldsonde der Feldverlauf und damit der Störstrompfad durch die Baugruppe verfolgt und analysiert werden.
Überwachen von Logiksignalen
Mit der vierten Strategie werden bestimmte Logiksignale mithilfe von Sensoren auf der Baugruppe überwacht. Der Sensor wird an das zu überwachende Signal angeschlossen und wandelt dieses in Lichtsignale um. Durch die Signalübertragung über einen Lichtwellenleiter ist eine rückwirkungsfreie Messung unter extremen Störfeldern möglich. Das Überwachen von Logiksignalen umfasst hauptsächlich deterministische Logiksignale, wie Reset, Clock und CE (Chip Enable). Bei bekannten Datensequenzen können auch Datensignale überwacht werden. Wichtig ist, dass Fehler im überwachten Signal eindeutig erkennbar sind. Bei der Untersuchung wird die Baugruppe direkt mit dem Burstgenerator oder mit den Feldquellen beaufschlagt. Mit diesem Verfahren werden zusätzliche Informationen über die Störvorgänge in der Baugruppe gewonnen. Dies ist hilfreich, wenn Funktionsfehler äußerlich nicht erkennbar sind oder durch interne Verarbeitungsprozesse verzögert auftreten. Die Überprüfung der Wirksamkeit von EMV-Maßnahmen kann in ähnlicher Weise erfolgen. Dazu wird ein gestörtes Logiksignal mit einem Sensor überwacht und die Messwerte mit und ohne implementierte EMV-Maßnahme verglichen. Veränderungen auf der Baugruppe können damit schnell und zuverlässig bewertet werden.
Schwachstellen ermitteln und beseitigen
Störimpulse können mit speziellen entwicklungsbegleitenden Mess- und Prüfverfahren systematisch in bestimmte Bereiche der Baugruppe eingespeist werden. Um Störfestigkeitsschwachstellen einzugrenzen, werden Fehlerbilder reproduziert und Störstrompfade analysiert. Die tatsächlichen Schwachstellen werden dadurch schnell und effizient identifiziert und daraus gezielte EMV-Maßnahmen abgeleitet. Die Wirksamkeit der eingeleiteten Maßnahmen wird anschließend direkt auf dem Board verifiziert. Durch diese systematische Störfestigkeitsanalyse können Schwachstellen schnell und gezielt ermittelt und beseitigt werden. Letztendlich sinken dadurch Entwicklungszeit und Entwicklungskosten durch weniger Durchläufe im Prüflabor sowie Fertigungskosten durch gezielte EMV-Maßnahmen.
Literatur
DIN Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN 61000-4-4 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 4-4. Berlin: Beuth Verlag GmbH; 2013
Langer, G.: Entwicklungssystem Störfestigkeit E1. Bannewitz: Langer EMV-Technik GmbH; 2014
Langer, G.: Störfestigkeit – Experimental-Seminar, Schulungsunterlagen. Bannewitz: Ingenieurbüro Langer; 2009