Je verflochtener und globaler Lieferketten werden, desto vielfältigeren Risiken sind sie ausgesetzt. Um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen, die Resilienz der Supply-Chain zu erhöhen und gleichzeitig Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, sehen Unternehmen vor allem die partnerschaftliche Zusammenarbeit der Akteure und Akteurinnen als geeignete Maßnahme – so ein zentrales Ergebnis des aktuellen Hermes-Barometers.
Obwohl es auf der Hand liegt, dass eine detaillierte Datenübersicht die Grundlage für fundierte Entscheidungen, Risikoprävention und nachhaltiges Wirtschaften ist, nähern sich die befragten Unternehmen dem Thema nur zögerlich an: Lediglich 54 Prozent sehen Transparenz als bedeutendes Instrument zur Stärkung der Lieferkette. Auch bei der Nutzung von digitalen Plattformen, die die Zusammenarbeit zwischen den Partnern der Lieferkette erleichtern oder erst ermöglichen, zeigt die Studie deutlich Luft nach oben.
Ein Instrument, das dafür prädestiniert ist, für mehr Awareness zu sorgen und die Organisation auf dem Weg zur Datentransparenz zu unterstützen, ist der Digitale Produktpass (DPP). Die Idee dahinter: Anwenderinnen und Anwender sind damit in der Lage, sämtliche relevanten Daten über ein bestimmtes Produkt mit wenigen Klicks abzurufen. Der DPP bringt nicht nur Verbraucher und Verbraucherinnen Vorteile, sondern auch allen Beteiligten innerhalb der Lieferkette. Denn der Digitale Produktpass soll künftig Produktinformationen – von verwendeten Rohstoffen bis zu Recycling-Möglichkeiten, von Konformitätserklärungen bis zu Betriebsanleitungen – bündeln und über den gesamten Lebenszyklus transparent und abrufbar machen.
Neben Produktname und -produzent, Eigenschaften und Herstellungsort lassen sich darin auch Angaben zu umweltbezogenen und sozialen Indikatoren, etwa zum CO2-Fußabdruck oder zur Einhaltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, integrieren.
Letzteres ist zu Beginn des Jahres in Kraft getreten und soll bekanntlich dabei helfen, dass Unternehmen Umwelt-, Nachhaltigkeits- sowie Menschenrechtsstandards entlang der kompletten Supply-Chain einhalten. Und auch dafür braucht es ein Höchstmaß an Datentransparenz. Der Startschuss für den Digitalen Produkt Pass fiel 2019 im Rahmen des „European Green Deal“. Er ist zentraler Bestandteil des Entwurfs der europäischen Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR). Diese adressiert künftig sukzessive unterschiedliche Produktgruppen, darunter Elektrogeräte, Textilien, Möbel bis hin zu Stahl, Zement und Chemikalien.
Die erste konkrete Anwendung des DPP wird der „Batteriepass“ sein, der voraussichtlich ab 2026 für Industriebatterien sowie sämtliche Batterien für Elektrofahrzeuge ab einer bestimmten Kapazität verpflichtend sein soll. Das bedeutet zum Beispiel, dass jede Batterie einen elektronischen Datensatz hat. Die Hersteller sind dadurch gezwungen, viel mehr Daten als bisher über den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte zu speichern und berechtigten Personenkreisen für die Auswertung zugänglich zu machen.
Zeitgerecht vorbereitet
Während der DPP noch in den Kinderschuhen steckt, haben Unternehmen schon heute die Möglichkeit, für Transparenz in ihren Supply-Chains zu sorgen und sich so auf die Umsetzung von künftigen Nachhaltigkeitsmaßnahmen vorzubereiten. Die Rede ist von smarten Lieferantenmanagementsystemen. Sie bieten im Idealfall Werkzeuge, um Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette konsistent und für jeden nachvollziehbar darzustellen und zu steuern.
Hintergrund: In den zunehmend global ausgerichteten Supply-Chains fallen eine große Menge an Daten an. Neben Maschinendaten sind es Tausende Dokumente wie Betriebsanleitungen, technische Zeichnungen, Genehmigungsunterlagen oder Verträge, die zwischen den einzelnen Partnern ausgetauscht werden. Mit den traditionellen Mitteln der dezentralen Speicherung, der manuellen Bearbeitung und dem Austausch per E-Mail geschieht es oft, dass wichtige Informationen nicht gefunden werden, verloren gehen oder verspätetet den Adressaten erreichen.
Anders mit einem smarten Lieferantenmanagementsystem: Hier sind die DPP-relevanten Unterlagen in einer gemeinsamen Datenumgebung in der Cloud gespeichert und für alle Akteurinnen und Akteure mit genau definierter Berechtigung zugänglich. Die Cloud-Basis des Systems sorgt auch dafür, dass neue Player schnell und einfach Zugang zur Supply-Chain finden, falls Betriebe etwa gezwungen sind, kurzfristige Änderungen in der Lieferantenlandschaft vorzunehmen. Damit erhöhen sie die Agilität und Resilienz ihres Ökosystems.
Letzteres findet auch Unterstützung durch die Absicherung des Gesamtsystems. Im besten Fall beziehen Unternehmen den Service von einem europäischen Cloud-Provider, welcher entsprechende Zertifizierungen wie nach dem Anforderungskatalog C5 („Cloud Computing Compliance Criteria Catalogue“) des deutschen Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vorweisen kann. Dazu kommt ein ausgeklügeltes Rechte- und Rollenkonzept entlang der gesamten Lieferkette, das den Zugriff nur auf jene Dokumente erlaubt, die der jeweiligen Rolle in der Supply-Chain entsprechen. Die Prozessorientierung eines modernen Lieferantenmanagementsystems führt zur effizienten Zusammenarbeit zwischen den Partnern entlang der Lieferkette. Das bedeutet, dass die Kooperationsplattform typische Workflows wie Abstimmungs-, Prüf- und Freigabeabläufe umfasst. Falls diese nicht ausreichen, steht ein Low-Code-Prozess-Editor zur Verfügung, den auch Mitarbeitende in den Fachabteilungen nutzen können.
Ökonomie und Ökologie vereint
Im Rahmen der Einführung des Digitalen Produktpasses und mithilfe eines smarten Lieferantenmanagementsystems als Kooperationsraum können Unternehmen einen hohen Grad an Datentransparenz entlang der kompletten Lieferkette und während des gesamten Produktlebenszyklus erzielen. Damit sind sie in der Lage, die Resilienz ihrer Lieferketten zu erhöhen und gleichzeitig ehrgeizige Nachhaltigkeitsthemen zu verwirklichen. Durch den Brückenschlag zwischen Ökologie und Ökonomie lassen sich Informationen zudem wertschöpfend und als Wettbewerbsvorteil nutzen.