Als im Oktober 1954 dreizehn Gemeinden den Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung gründeten, einte sie eine Idee: Trinkwasser aus dem volumenmäßig zweitgrößten Binnengewässer Mitteleuropas in die wasserärmeren Regionen Baden-Württembergs zu fördern. Nur vier Jahre später waren die dafür notwendigen Anlagen fertiggestellt. Heute beziehen 320 Städte und Gemeinden mit insgesamt vier Millionen Einwohnern ihr Trinkwasser von dem Verband.
Zwölf Pumpen im Dauereinsatz
Bis zu 7755 Liter Bodenseewasser pro Sekunde kann die Wasserversorgung täglich aus dem Bodensee fördern. Damit ist das Wasserwerk das größte in Deutschland. Sein Wasser wird bei Überlingen in 60 Metern Tiefe entnommen. Es strömt über riesige Entnahmeköpfe in die drei Stahlleitungen mit Durchmessern von 1,30 und 1,60 Meter, welche das Wasser zum Seepumpwerk Süßenmühle transportieren. Dort stehen sechs mächtige, leistungsstarke Pumpen mit Kapazitäten von 2000 und 3000 Liter pro Sekunde. Sie pumpen rund um die Uhr bis zu 9000 Liter pro Sekunde in die Aufbereitungsanlagen auf den 312 Meter höher gelegenen Sipplinger Berg.
Das Bodenseewasser wird hier von organischen Bestandteilen wie Algen und Schwebstoffen gereinigt. Anschließend tritt es seine Reise, überwiegend im freien Gefälle, durch das insgesamt 1700 Kilometer lange Leitungsnetz an. Bis zu sieben Tage dauert es dann, bis das Trinkwasser bei den entferntesten Verbrauchern im nordwürttembergischen Bad Mergentheim ankommt – rund 250 Kilometer von der Entnahmestelle in Sipplingen entfernt.
Automatisierte Energiedatenerfassung
An den Standorten in Sipplingen und auf dem Sipplinger Berg laufen die mit 6kV-Mittelspannung angetriebenen großen Pumpen. Die komplexe und teils sehr energieintensive Aufbereitungstechnik wird hauptsächlich über 400 V Niederspannung versorgt. Alles in allem umfasst die gesamte Elektroanlage mehrere hundert Verbrauchsstellen. Der Gesamtbedarf an elektrischer Energie liegt bei rund 155 Millionen kWh pro Jahr. Als die Nachkalibrierung der in die Jahre gekommenen Mittelspannungszähler anstand, fiel 2012 der Startschuss für ein internes Projekt zur automatisierten Energiedatenerfassung. Es ging den Betreibern vor allem darum, die Messgenauigkeit und die Datenqualität zu erhöhen. Denn Fehler beim Ablesen und bei der händischen Übertragung sind nie ganz auszuschließen.
Komplexe Anforderungen
Vor diesem Hintergrund definierte das Management der Bodensee-Wasserversorgung eine dreifache Aufgabenstellung für das neue System: Es sollte die Energiedaten von Mittel- und Niederspannungsverbrauchern sowie von weiteren Verbrauchszählern automatisch erfassen. Des Weiteren forderte das Management, dass die erfassten Daten in Form von Protokollen zur internen Verbrauchsdaten-Übersicht und zum Nachweis von Energiesparmaßnahmen ausgewertet werden. Drittens sollte sich die Lösung an das vorhandene Leitsystem anbinden lassen.
Energiemonitoring-Lösung
Die von Siemens realisierte Energiemonitoring-Lösung kombiniert Messgeräte aus dem Sentron-Portfolio mit der Software Powermanager. Sie umfasst sowohl Mittel- als auch Niederspannungsverbraucher an den Standorten Seepumpwerk Süßenmühle und Sipplinger Berg. Die besonders energieintensive Ozonanlage zur naturnahen Trinkwasserbehandlung mit hochaktivem Sauerstoff wird dabei als eigener Bereich geführt. Das Messen der elektrischen Energiedaten gewährleistet eine Erfassung bis auf Anlagenebene. Insgesamt sind 82 Messgeräte im Einsatz: 34 Standardmodelle 7KM PAC 3200 zur Mittel- und Niederspannungserfassung sowie 53 7KM PAC 4200. Letztere liefern für Niederspannungswerte zusätzliche Daten wie etwa zu Oberschwingungen und Klirrfaktor. Die eingesetzten Messgeräte bilden mit der Software Powermanager ein technisch einheitliches System. Außerdem sind sie kommunikationsfähig und bieten damit viele Anbindungsmöglichkeiten. Darüber hinaus konnten sie einfach in die bestehenden Mittelspannungs-Schaltschränke eingebaut werden. Lediglich die Ethernet-Verkabelung wurde nachgerüstet. Die Messgeräte müssen im Unterschied zu ihren Vorgängern nicht mehr nachkalibriert werden. Der Powermanager von Siemens überwacht und archiviert elektrische Kenngrößen wie Spannungen, Ströme, Leistungen, Energiewerte und Frequenzen. Andere Datenquellen wie Wassermengen lassen sich ebenfalls über die Software verarbeiten. Hardwareseitig läuft Powermanager bei der Bodensee-Wasserversorgung auf einem entsprechend abgesicherten Server mit fünf Clients. Eine Besonderheit ist der Systemaufbau: Messgeräte, die Software Powermanager und das bestehende Leitsystem spielen gut zusammen. Dabei kommunizieren die Messgeräte zum einen mit der Software via Ethernet/Modbus TCP und zum anderen via Profibus und einer zwischengeschalteten S7-Steuerung mit dem Leitsystem. Leitsystem und Powermanager wiederum sind via OPC-Standard miteinander vernetzt.
Zufrieden
Nach den ersten Praxis-Erfahrungen ist man bei der Bodensee-Wasserversorgung zufrieden mit der neuen Energiemonitoring-Lösung: Auf den Client-PCs werden die Leistungsmittelwerte der überwachten Kenngrößen in Ganglinienform angezeigt und können miteinander verglichen werden. So lassen sich beispielsweise Lastgänge verschiedener Aufbereitungslinien gegenüberstellen. Ebenso angezeigt werden Störungen in der Energieverteilung, auf die sofort reagiert werden kann. Die Darstellung der Berichte ist in Form vorinstallierter Vorlagen möglich, zum Beispiel mit Kostenstellenzuordnung, im Messwertevergleich oder als Dauerlinie. Sie kann aber auch frei nach den individuellen Anforderungen gestaltet werden. Damit ist zum einen jederzeit eine aktuelle Übersicht über die Verbrauchswerte gegeben. Zum anderen werden sämtliche relevanten Daten zentral archiviert.