Es gibt zwei gängige Verschlüsselungsmethoden, damit der Inhalt einer Mail privat bleibt. Doch ein Forscherteam der Fachhochschule (FH) Münster, des Horst-Görtz-Instituts für IT-Sicherheit der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Katholieke Universiteit Leuven hat nun beweisen können, dass diese nicht so sicher sind, wie sie sein sollten. Die Hersteller der Mailprogramme sind informiert und haben die gemeldeten Sicherheitslücken behoben. Trotzdem empfehlen die Experten dringend, die den Standards zugrundeliegenden kryptografischen Verfahren zu erneuern, um auch zukünftige Angriffe abwehren zu können. Auf ihrer Webseite informieren sie über die Details ihres Angriffs.
Realistisches Angriffsszenario
E-Mails werden verschlüsselt, um ihren Inhalt auch gegenüber Netzbetreibern, Cyberkriminellen und Geheimdiensten geheim zu halten, die über gehackte Router, einen E-Mail-Server oder durch Aufzeichnen der Nachricht während der Übertragung Zugriff erlangen können. „Dieses Szenario ist nach den Snowden-Enthüllungen und zahllosen gehackten Mailservern ausgesprochen realistisch“, betont Sebastian Schinzel der FH Münster.
Die abgefangene verschlüsselte Nachricht wird manipuliert, indem der Angreifer eigene, maliziöse Befehle in verschlüsselter Form hinzufügt. Diese veränderte Nachricht wird dann an einen der Empfänger oder den Sender der Nachricht gesandt, wo die zur Entschlüsselung benötigten Daten vorhanden sind.
Nach der Entschlüsselung führen die eingefügten Befehle dazu, dass das Mailprogramm des Opfers beim Öffnen der Mail eine Kommunikationsverbindung zum Angreifer aufbaut. Eine solche Kommunikation ist üblich, um zum Beispiel Bilder oder Designelemente in Mails nachzuladen. Über diese Verbindung wird dem Angreifer die entschlüsselte Mail komplett zugestellt, sodass er sie lesen kann. Diese neuartige Angriffstechnik nannten die Forscher „Exfiltration with Malleability Gadgets“.
Unternehmen, Reporter, Whistleblower
Die E-Mail-Verschlüsselungsverfahren S/MIME – kurz für Secure/Multipurpose Internet Mail Extensions – und Open PGP sind seit den 1990er-Jahren im Einsatz. S/MIME wird vielfach von Firmen genutzt, die sämtliche ausgehenden Mails ver- und die eingehenden Mails entschlüsseln. Open PGP wird eher von Einzelpersonen verwendet, zum Beispiel von Journalisten in Krisengebieten oder Whistleblowern wie Edward Snowden.
Die zugrunde liegende Kryptografie ist seit den 1990er-Jahren unverändert, obwohl es inzwischen deutlich verbesserte Verfahren gibt. „In anderen Internetstandards wie zum Beispiel TLS, kurz für Transport Layer Security, ein Protokoll zur Verschlüsselung von Datenübertragungen im Internet, wurde diese Art der Kryptografie schon mehrfach gebrochen. Ihre Anfälligkeit in E-Mail-Verschlüsselung haben wir aber zum ersten Mal nachgewiesen“, erklärt Jörg Schwenk der Ruhr-Universität.
S/MIME in der aktuellen Version untauglich für sichere Kommunikation
Im Fall von S/MIME hat der erfolgreiche Angriff gezeigt, dass der aktuelle Standard untauglich für die sichere Kommunikation ist. „Open PGP kann sicher konfiguriert werden, wird aber in der Praxis sehr häufig falsch eingesetzt und ist daher ebenfalls als unsicher einzuschätzen“, so Jörg Schwenk.
Nun sei die Internet Engineering Task Force, eine herstellerübergreifende, internationale Organisation, gefordert, für einen neuen Standard zu sorgen, so die Forscher. Nach ihrem erfolgreichen Angriff haben sie die Hersteller aller getesteten Mailprogramme über die entdeckte Sicherheitslücke informiert. Inzwischen wurde nachgebessert, um das Risiko eines erfolgreichen echten Angriffs zu minimieren.