Unter der Hebebühne in der Autowerkstatt, zur Überbrückung von Höhenunterschieden in industriellen Förderanlagen oder als Antrieb von Parabolantennen – die Spindelhubgetriebe des österreichischen Premiumherstellers Zimm verrichten ihren Dienst meist, ohne dass sie ins Auge fallen.
Die Produktion der Getriebe am Hauptsitz des Unternehmens im vorarlbergischen Lustenau ist jedoch ein echter Blickfang: Eine Fünfachsen-Fräsmaschine des Herstellers Grob sorgt dafür, dass aus dem Rohmaterial – Alu- und Guss-Würfeln in verschiedenen Größen – verwertbare und hochpräzise Bauteile entstehen. Das Besondere: Die Werkzeugmaschine ist Teil einer modularen Fertigungszelle, in der das Be- und Entladen der Werkstücke und deren anschließende Nachbearbeitung vollautomatisiert abläuft – mithilfe von zwei Kuka Robotern.
Werkstückautomatisierung erhöht Produktivität
Bis vor kurzem war der Weg zum fertigen Bauteil noch mühsamer: „Beim reinen Paletten-Handling wurden bislang meistens Werkstücke manuell auf Paletten gespannt“, erklärt Marcel Haltiner, Leiter Automation bei Vischer & Bolli. „Das war zum einen zeitaufwändig, zum anderen auch kostspielig. 50 Maschinenpaletten zum Beispiel kosten schnell 200.000 Euro oder mehr, wobei jede Palette zusätzlich noch eine Spannvorrichtung braucht. Zudem musste immer manuell auf- und abgespannt werden.“
Um die Produktion von Zimm effizienter zu gestalten und gleichzeitig produktiver zu machen, entwickelten die Unternehmen Vischer & Bolli und HBI Robotics gemeinsam eine Automatisierungslösung. Eine modulare Roboterzelle, bestückt mit einem KR Quantec und einem KR Agilus von Kuka, übernimmt vollautomatisch die Aufgaben, die bislang aufwändig von Hand ausgeführt werden mussten: Die Materialzuführung der Fünfachsen-Fräsmaschine, die automatisierte Nachbearbeitung der Werkstücke und die Ausgabe der fertigen Getriebekomponenten.
Wirtschaftlich ab Losgröße eins
Das Rohmaterial servieren die Mitarbeiter noch buchstäblich auf dem Silbertablett: Statt wie bisher händisch Maschinenpaletten zu bespannen, bestücken die Mitarbeiter von Zimm nun aber sogenannte Tablare innerhalb eines Liftsystems. Der vier Meter hohe Turm nutzt den Raum der Produktionshalle nach oben aus, um Rohmaterial und bearbeitete Endprodukte zu lagern, auch die Spannvorrichtungen und gegebenenfalls Werkzeuge werden in dem Liftsystem gelagert. In größeren Hallen können sogar Liftsysteme mit bis zu 18 Metern Höhe integriert werden.
Anschließend beginnt die Arbeit der angeschlossenen Roboterzelle. Ein KR Quantec Roboter vom Typ KR 240 R2900 Ultra entnimmt zunächst die mit Rohteilen bestückten Tablare aus dem Liftsystem und legt sie auf einen Vorsatztisch. Anschließend positioniert der Roboter vier Rohteile automatisch in einer Vorrichtung und setzt diese in die Fräsmaschine ein.
„Die Maschine kann etwa 30 verschiedene Bauteile in Losgrößen zwischen eins und 200 aus Aluminium und Gusseisen fertigen“, erklärt Marcel Haltiner und ergänzt: „Durch die Beladung der Vorrichtung außerhalb der Maschine vermeiden wir unnötige Stillstandzeiten. Indem der Roboter nur die bestückten Vorrichtungen be- und entlädt, können wir den gesamten Prozess noch effizienter gestalten.“
Während die Fräsmaschine die vier Werkstücke bearbeitet, bestückt der KR Quantec eine weitere Vorrichtung. Sind die Bauteile von beiden Seiten fertig bearbeitet, der Wendevorgang erfolgt ebenfalls automatisiert, legt sie der Roboter auf dem Nachbearbeitungsplatz in der Zelle ab. Dort entgratet und reinigt sie ein KR Agilus vom Typ KR 10 R900-2. Der Leitrechner der Roboterzelle übernimmt dabei die gesamte Logistik.
„Der nächste Schritt der Automatisierung sieht vor, dass in einem weiteren Prozessschritt sämtliche Messparameter geprüft werden sollen. Über eine Feedback-Schleife zur Fräse lassen sich dann Toleranzabweichungen übermitteln und automatisch korrigieren“, gibt Marcel Haltiner einen Ausblick.
Erhöhte Wettbewerbsfähigkeit
Hat ein Bauteil alle Schritte durchlaufen, sortiert der Kuka Roboter es wieder auf seinen Platz auf dem Tablar, das anschließend im Liftsystem geparkt wird. Die Mitarbeiter brauchen auf der anderen Seite lediglich noch die fertigen Produkte zu entnehmen. Für Zimm bedeutet die Roboterzelle eine enorme Weiterentwicklung der Produktionsprozesse. „Die Automatisierung erlaubt es uns unter anderem, in mannlosen Schichten nachts und am Wochenende zu produzieren, was unsere Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit erhöht“, sagt Hardy Ponudic, Produktionsleiter bei Zimm.
Was vorher mit großem Personal- und Zeitaufwand manuell erledigt werden musste, führen nun die Roboter in der Zelle aus. „Dadurch werten wir unsere Arbeitsplätze auf, weil Mitarbeiter nun zu Roboterbedienern weitergebildet werden“. Im Zuge des Fachkräftemangels wird es auch für Zimm immer schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Durch die Automatisierung lassen sich Mitarbeiter, die bislang hauptsächlich das Magazin der Fräse bestückt haben, in anderen Bereichen einsetzen, wo sie sich auf wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren können.
„Unsere Lösung läuft weitgehend ohne weiteres Zutun und entlastet die Mitarbeiter vor allem von wenig anspruchsvollen Aufgaben wie dem Ein- und Ausspannen von Werkstücken“, sagt Marcel Haltiner. Zudem ermöglicht die Roboterzelle flexibles Arbeiten: Über die Integration einer mobilen Kommunikationslösung lassen sich beispielsweise Meldungen an ein Smartphone schicken. Der alarmierte Mitarbeiter kann dann entscheiden, ob ein Eingreifen notwendig ist.
Zentrales Leitrechnersystem
Gesteuert werden alle Prozesse innerhalb der Zelle über einen Leitrechner, der auch in das ERP-System integriert werden kann. Er übernimmt etwa die Auftragsverwaltung und die Koordination der Werkstücke, steuert die Peripheriegeräte und liefert Informationen über laufende und anstehende Prozesse. Durch den modularen Aufbau der Zellen sieht Haltiner unzählige Möglichkeiten für den Einsatz: „Maschinen- und Formenbau, Medizintechnik, der Automotive-Bereich – im Prinzip bieten wir die Möglichkeit für den Einstieg in die Automatisierung für sämtliche Zerspanungsunternehmen.“
Denn dass die Zukunft des Werkzeugmaschinenbaus automatisiert ist, davon ist Haltiner überzeugt. Vor allem beim Handling von Teilen sieht er in Sachen Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit in Zukunft kaum eine andere Möglichkeit. Zimm hat diesen Trend erkannt: Die Gespräche für den Bau einer weiteren Roboterzelle laufen bereits.