Was die Hardware betrifft, sind so genannte Aktuatoren von zentraler Bedeutung für die Ausführung menschenähnlicher Bewegungen. Diese fungieren als robotisches Äquivalent zu menschlichen Gelenken und Muskeln: antriebstechnische Bauteile, die Bewegungen in einem System – rotierend oder linear – ermöglichen. Aktuatoren bestehen aus einer Kombination von Schrauben, Getrieben, Motoren, Sensoren, Kugellagern und Encodern.
Je mehr Freiheitsgrade benötigt werden, desto mehr Aktuatoren sind erforderlich. Aktuell sind humanoide Roboter, die sich in der Entwicklung befinden, in der Lage, zwischen 16 und 60 Freiheitsgrade zu realisieren. Mit fortschreitender Entwicklung werden humanoide Roboter langfristig gesehen eine noch größere Anzahl von Aktuatoren benötigen, um ihnen eine höhere Bewegungsfreiheit für immer neue und komplexere Einsatzszenarien zu ermöglichen. Die Hardware-Konzepte können hierbei, je nach spezifischen Anforderungen an die Bewegungsfreiheit, das Design der Hände, die Sensorempfindlichkeit und andere Faktoren, erheblich variieren.
Faktoren zur Auswahl von Motoren für humanoide Roboter-Gelenke
Humanoide Bewegungen lassen sich durch elektrische, hydraulische oder pneumatische Antriebssysteme steuern. Derzeit ist es die vorherrschende Praxis, in jedem Gelenk einen direkt angetriebenen, rahmenlosen Torquemotor zu verwenden. Torquemotoren sind hochpolige, elektrische Direktantriebe mit hohem Drehmoment bei gleichzeitig relativ kleinen Drehzahlen. Im Folgenden werden die systemtechnischen Anforderungen aufgezeigt, die für die Motorauswahl bei einem humanoiden Roboter entscheidend sind.
Präzision
Damit der Roboter kontrollierte, fließende und vielseitige Bewegungen ausführen kann, ist die Präzision des Motors äußerst wichtig. Je präziser der Antrieb ist, desto direkter wird die Verbindung zwischen der Bewegung des Roboters und dem „Sehprozess“, bestehend aus Sensorik und Kameratechnik. Jeder Gelenkpunkt ist durch dreidimensionale Vektoren definiert.
Für die höchstmögliche Präzision ist es sehr wichtig, dass die Motoren, gerade in der Summe von mehreren Gelenkpunkten, immer die „richtige“ Position einnehmen. Denn selbst minimale Abweichungen in den einzelnen Gelenken, wie etwa Hüfte, Knie und Fußgelenk, akkumulieren sich sonst insgesamt zu gravierenden Fehlpositionierungen. Die Präzision eines elektrischen Motors steigt dabei mit der sogenannten Polpaarzahl, die ein wesentlicher Faktor für das Verhalten des Motors ist, weil sie direkte Auswirkungen auf Steuerung, Positionierung und Regelbarkeit des Motors hat.
Beim Design ihrer Frameless-Servomotoren legt die TQ-Group ein besonderes Augenmerk darauf, eine hohe Polpaarzahl zu realisieren. TQ-Elektromotoren bieten eine sehr präzise Positions- und Drehmomentregelung über ein breites Spektrum an Bedingungen, von niedriger Geschwindigkeit und hohem Drehmoment bis hin zu hoher Geschwindigkeit und niedrigem Drehmoment. Dies ist entscheidend für die natürlichen, fließenden Bewegungen, die von humanoiden Robotern erwartet werden. Diese Gleichmäßigkeit trägt besonders in Umgebungen, in denen Roboter mit Menschen interagieren, zur Akzeptanz der Technologie bei.
Reaktionszeit und Dynamik
Die Umwelt, in der sich Menschen und folglich auch humanoide Roboter bewegen, ist volatil und verändert sich ständig. Auf jede Veränderung der Umwelt (zum Beispiel: Ein Roboter tritt in ein nicht vorhersehbares Loch oder der Untergrund gibt nach) muss der Motor entsprechend reagieren können beziehungsweise dementsprechend angesteuert werden. Damit ein humanoider Roboter wie ein Mensch flexibel und schnell auf Veränderungen in der Umwelt reagieren kann, sind eine ausgezeichnete dynamische Kontrolle und Ansteuerbarkeit sowie eine schnelle Reaktionszeit ausschlaggebend. Die Dynamik eines Elektromotors beschreibt die Fähigkeit des Motors, auf Veränderungen in der Belastung oder Steuerung schnell und präzise zu reagieren. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf das Verhalten des Motors unter wechselnden Bedingungen und wie gut er in der Lage ist, Geschwindigkeit, Position oder Drehmoment zu ändern.
Wie erreicht ein elektrischer Aktuator nun diese hohe Reaktionszeit und Dynamik? Um in Echtzeit reagieren zu können, werden für eine kurze Zeit sehr hohe Drehmomente benötigt, um beispielsweise die Fußbewegung schnell zu antizipieren und an das Loch im Boden anzugleichen. Dieses Drehmoment ist dann für einen kurzen Augenblick um ein Vielfaches erhöht. Dies wird auch als Überlastfähigkeit eines Servomotors und als Spitzendrehmoment bezeichnet, also das maximale Drehmoment, das ein Motor kurzfristig erzeugen kann. Der Spitzendrehmoment der TQ-Motoren ist etwa um ein Dreifaches höher als ihr Nenndrehmoment beziehungsweise der konstante Wert, der langfristig erreichbar ist. Konkret erreichen die TQ-Motoren einen Spitzendrehmoment im zweistelligen Newtonmeterbereich (Nm) und verfügen damit über eine markführende Überlastfähigkeit.
Effizienz und Energieverbrauch
Die Effizienz, also wie hoch die Verlustleistung über die Akkulaufzeit ist, entscheidet darüber, wie lange ein batteriebetriebener humanoider Roboter arbeiten kann. Dabei gilt: Höchste Effizienz, aufgrund von geringem Kupferverlusten, verlängert die Akku-Laufzeit. Kupferverluste beschreiben Verluste, die durch den elektrischen Widerstand der Wicklungen in einem Motor verursacht werden. Sie werden in Form von Wärme abgegeben und sind eine der Hauptverlustquellen in elektrischen Maschinen. Motoren mit einer hohen Verlustleistung brauchen viel Strom, was die Akkulaufzeit verkürzt und damit die Arbeitsdauer begrenzt.
Das bedeutet, dass der Faktor Effizienz bei einem mobilen, humanoiden Roboter eine wesentlich wichtigere Rolle spielt als bei einem kollaborativen Roboter (Cobot), der am Stromnetz angeschlossen ist. Für den Einsatz von humanoiden Robotern in der Praxis, sei es in der Industrie, im Gesundheitswesen oder im Einzelhandel, ist eine hohe Effizienz mit ausschlaggebend für den kontinuierlichen Einsatz der Roboter. Die TQ-Torquemotoren haben einen Wirkungsgrad von 90 Prozent oder höher und erreichen besonders geringe Kupferverluste in Watt.
Drehmomentdichte und Kompaktheit
Die Drehmomentdichte eines Elektromotors ist ein Maß dafür, wie viel Drehmoment der Motor pro Volumeneinheit oder pro Gewichtseinheit erzeugen kann. Sie ist ein entscheidender Faktor für die Leistungsfähigkeit und Kompaktheit eines Motors und insbesondere für diejenigen Anwendungen wichtig, bei denen das Gewicht ausschlaggebend ist – zum Beispiel in der Robotik.
Das Gesamtgewicht eines humanoiden Roboters wird maßgeblich vom Gewicht der Achsen bestimmt. Je leichter die Motoren in den Achsen sind, desto geringer ist auch das Gesamtgewicht. Dies bewirkt wiederum eine längere Akku-Laufzeit, die eine höhere Traglast und damit auch insgesamt eine höhere Dynamik des Roboters ermöglicht. Das Gewicht wird in der Branche oft als „muskulär“ bezeichnet. Aber auch wenn dies für einen Menschen erstrebenswert ist, ist es für einen humanoiden Roboter von Nachteil, denn ein schlanker Humanoider ist dynamischer, schneller und kann vor allem höhere Traglasten transportieren.
Die TQ-Motoren sind im Vergleich zu anderen Motoren besonders drehmomentdicht, das heißt sie können bei gleicher Größe das Doppelte Drehmoment beziehungsweise bei halber Größe das gleiche Drehmoment erzielen. Das erreicht TQ durch eine einzigartige Wicklungstechnologie, die den Kupferfüllfaktor im Vergleich zu herkömmlich gewickelten Elektromotoren maximiert. TQ ist derzeit der einzige Motoren-Entwickler am Markt, der dank bestimmter Fertigungsschritte in der Manufaktur die physikalischen Möglichkeiten komplett ausschöpft: In der jeweiligen Motorgröße ist es nicht möglich, noch mehr Kupfer unterzubringen. TQ-Motoren haben somit den höchsten Kupferfüllfaktor am Markt.
Das kompakte Design des Antriebs ermöglicht eine effiziente Raumausnutzung und Gewichtsreduzierung, senkt den Schwerpunkt des Roboters und verbessert die Stabilität. Ein Beispiel: In einem betriebsamen Lager in einer dicht besiedelten, städtischen Umgebung oder aber an einem Fließband ermöglicht es ein kompaktes Design dem Roboter, sich in engen Räumen zurechtzufinden und beim Manövrieren durch Menschenmengen das Gleichgewicht zu halten. Ein zusätzlicher Vorteil der Motoren ist ihre große Hohlwelle, die sehr wichtig ist, um Kabelbäume intern zu verlegen und ein sauberes Roboter-Design zu erreichen.
Robustheit und Zuverlässigkeit
Auch die Robustheit und Zuverlässigkeit der Motoren sind wichtige Faktoren für Anwendungen der humanoiden Robotik. Insbesondere in der Testphase kommt es noch häufig zu Stürzen. Ein robustes, wartungsfreies Design stellt sicher, dass die Gelenke trotz der zu durchlaufenden Lernkurve intakt und funktionsfähig bleiben. Den größten Herausforderungen müssen sich Antriebe im Weltall stellen. Selbst bei Temperaturschwankungen von -40 °C bis 125 °C müssen sie hier zuverlässig funktionieren. Auf der ISS (International Space Station) kam ein ILM-E Motor von TQ unter anderem im Arm des Roboters Rokviss zum Einsatz und führte präzise Arbeiten in der Schwerelosigkeit durch – über fünf Jahre hinweg in Hunderten von Tests, stets zuverlässig und mit höchster Leistungsfähigkeit.
Auch in industriellen Anwendungsszenarien, zum Beispiel in einer Produktions- oder Lagerhalle kann es vorkommen, dass ein humanoider Roboter, der schwere Lasten heben muss, Gegenstände fallen lässt oder plötzlichen Stößen ausgesetzt ist. Die Robustheit der Gelenke des Roboters schützt vor Beschädigungen und gewährleistet einen kontinuierlichen und zuverlässigen Betrieb auch unter anspruchsvollen Bedingungen.
Standard-Motoren oder maßgeschneiderte Lösung?
Robotik-Hersteller stehen zudem vor der Frage, ob sie sich für einen Motoren-Hersteller entscheiden sollen, der Standard-Komponenten liefert, oder ob sie auf eine kundenspezifische Lösung setzen sollen. Bei TQ erhalten Kunden eine Auswahl an Standardgrößen, die sich auf Wunsch jedoch maßgeschneidert an die kundenspezifische Applikation anpassen lassen.
Der Vorteil der Frameless-Servokits von TQ ist dabei, dass sie in Durchmesser und ihrer sogenannten Stack-Länge modifizierbar sind und ihre Performance und Dimensionierung somit an die kundenspezifische Applikation anpassbar sind. Insbesondere bei Stückzahlen von nicht mehr als ein paar Hundert Einheiten pro Jahr, kann eine kundenspezifische Lösung die beste Option sein. Sie ermöglicht die vollständige Kontrolle über Design, Materialien und den Herstellungsprozess.
Hardware is hard
Die Redewendung „Hardware is hard“ ist bei der Entwicklung und Produktion von Roboterachsen und der dafür nötigen Komponenten treffend. Denn die Kernkompetenz beziehungsweise die Unternehmenshistorie von Herstellern humanoider Robotik findet sich oft in den Bereichen Künstlicher Intelligenz und Software, Erfahrungswerte in der Industrialisierung von Robotern und der Entwicklung von Mechatronik hingegen sind selten vorhanden. Dazu kommt, dass die Entwicklung und Produktion eines derart komplexen Systems, wie eine Roboterachse, oft unterschätzt wird. TQ ist in Deutschland einer der wenigen Anbieter, der komplette Roboter industrialisieren kann und das auch bereits unter Beweis gestellt hat.
Vor diesem Hintergrund kann es Sinn machen, auf die Technologieführer in ihrem jeweiligen Feld zurückzugreifen. So entwickelt TQ oftmals ganze Motor-Getriebe-Einheiten für mobile Anwendungen. Ein entscheidender Vorteil, der dabei hilft, im aktuellen Wettrennen um den ersten, in Serie gefertigten humanoiden Roboter wertvolle Zeit zu sparen.