Viren verbreiten sich auf unterschiedliche Art – einige über Tröpfchen und Aerosole wie das Coronavirus, andere über den Wasserweg wie Rota- oder Enteroviren. Bisher wurden solche aquatischen Viren mittels Nanofiltration oder Umkehrosmose aus dem Wasser entfernt.
Das allerdings ist teuer und belastet die Umwelt: Nanofilter bestehen aus erdölbasierten Rohmaterialien, Umkehrosmose benötigt relativ viel Energie. Ein internationales Team unter der Leitung von Raffaele Mezzenga, Professor für Lebensmittel und weiche Materialien an der ETH Zürich, hat deshalb eine neue Filtermembran entwickelt, die Viren hocheffektiv aus Wasser eliminieren kann. Sie ist zudem biologisch abbaubar, da für ihre Herstellung nur natürliche Ausgangsmaterialien zum Einsatz kommen.
Einfach in der Herstellung
Die neue Filtermembran basiert auf demselben Prinzip, das Mezzenga und seine Mitarbeitenden bereits für die Filterung von Schwer- und Edelmetallen verwendet haben. Grundlage bilden denaturierte Molkeproteine, die sich zu feinsten Fäserchen, sogenannten Amyloidfibrillen, zusammenlagern. Neu haben die Forschenden dieses Fibrillengerüst jetzt mit Nanopartikeln aus Eisenhydroxid (FeOHO) kombiniert.
Die Herstellung der Membran ist relativ einfach. Um die Fibrillen zu produzieren, werden aus der Milchverarbeitung stammende Molkeproteine in Säure gegeben und auf 90 °C erhitzt. Dadurch strecken sich die Proteine und lagern aneinander an, sodass Fäserchen entstehen.
Die Nanopartikel lassen sich im selben Reaktionsgefäß wie die Fibrillen erzeugen, indem die Forschenden den pH-Wert anheben und Eisensalz beimischen. Dieses „zerfällt“ dann in Eisenhydroxid-Nanopartikel, die sich an den Amyloidfibrillen anlagern. Als Träger für die Membran verwenden Mezzenga und seine Mitarbeitenden Zellulose.
Die Kombination von Amyloidfibrillen und Eisenhydroxid-Nanopartikeln macht die Membran zu einer hochwirksamen Falle für im Wasser zirkulierende Viren. Das positiv geladene Eisenoxid zieht die negativ geladenen Viren elektrostatisch an und inaktiviert sie. Die Amyloidfibrillen alleine wären dazu nicht in der Lage, da sie wie die Virenpartikel bei neutralem pH-Wert ebenfalls negativ geladen sind.
Eliminierung von Schweinegrippe- und Coronaviren
Die Membran eliminiert unterschiedliche Viren im Wasser. Darunter finden sich auch hüllenlose Adeno-, Retro- und Enteroviren, die Magendarminfektionen verursachen können. Pro Jahr sterben rund eine halbe Million Menschen, oft Kleinkinder in Entwicklungs- und Schwellenländern, an Infektionen mit Enteroviren. Diese sind äußerst zäh, säurebeständig und verbleiben sehr lange im Wasser. Die Filtermembran könnte deshalb gerade in ärmeren Ländern nützlich sein.
Sehr effizient eliminiert sie auch Grippe- (H1N1) sowie Sars-Cov-2-Viren im Wasser. In gefilterten Proben lag die Konzentration der beiden Erreger unterhalb der Nachweisgrenze, was einer fast vollständigen Eliminierung gleichkommt.
„Wir sind uns bewusst, dass das neue Coronavirus überwiegend über Tröpfchen und Aerosole übertragen wird“, sagt Mezzenga. „Doch selbst dabei muss es stets von Wasser umgeben sein. Dass wir es sehr effizient auch aus dem Wasser entfernen können, unterstreicht die breite Anwendbarkeit unserer Membran eindrücklich.“
CO2-neutral durch passive Filterung
Konzipiert ist die Membran in erster Linie für den Einsatz in Kläranlagen oder bei der Trinkwasseraufbereitung. Sie ließe sich jedoch auch in Luftfilteranlagen oder sogar in Masken verbauen. Nach Gebrauch kann sie einfach kompostiert werden.
Weil sie zudem mit minimalem Energieaufwand hergestellt wird, weist die Membran eine sehr gute Umweltbilanz auf, wie die Forschenden in ihrer Studie aufzeigen. Die Filtration ist passiv, kommt daher ohne zusätzlichen Energieaufwand aus und macht den Betrieb CO2-neutral.
An der Arbeit beteiligt waren neben Mezzengas Labor auch Wissenschaftler mehrerer Schweizer Universitäten, darunter Virenspezialisten der Universitäten Zürich, Lausanne und Genf, der EPFL, der Universität Cagliari sowie des ETH-Spin-offs BluAct. Das Unternehmen hält auch das Patent auf die neue Technologie.