Wir befinden uns inmitten einer industriellen Umbruchsphase, irgendwo auf dem Weg zur Autonomisierung und möglicherweise zur vollständigen Vernetzung. Industrie 4.0 galt vor wenigen Jahren noch als Zukunftsmusik. Mittlerweile ist es fast Realität. Genießt die sogenannte vierte industrielle Revolution ihren Ruf zu Recht? Schließlich verheißt sie Unternehmen eine glänzende Zukunft, verspricht ihnen eine weitere Steigerung von Effizienz, Produktivität und Flexibilität und gar die problemlose Umsetzung der Losgröße 1. Das würde bedeuten, der Produkt-Individualisierung wären keine Grenzen mehr gesetzt.
Tatsache ist, um auf nationalen und internationalen Märkten attraktiv zu bleiben, müssen Unternehmen mit den zur Verfügung stehenden technologischen Entwicklungen Schritt halten. Nur so können sie die Wünsche ihrer Kunden erfüllen. Die Wettbewerbsfähigkeit wird künftig maßgeblich von der Fähigkeit abhängen, ständig wechselnde Bedürfnisse zu erfüllen und mit flexiblen Konzepten und gar neuen Geschäftsmodellen schneller zu sein als andere.
Neu ist das nicht. Gewandelt hat sich aber die Geschwindigkeit, in der Veränderungen notwendig sind. Der Kunde erwartet, dass seine Wünsche erfüllt werden und zwar genau nach seinen Vorstellungen und ohne Verzögerung. Er erwartet außerdem eine schnelle Anpassung der Fertigung, falls sich seine Vorstellungen ändern. Mit herkömmlichen Konzepten und Verfahren ist das kaum mehr machbar. Für die Umsetzung müssen Maschinen- und Anlagenbau sowie die Automatisierung Datengewinnung, Datenauswertung, Fern-Überwachung und -Steuerung einbeziehen. Die neue Formel lautet: Super-Flexibilität, bei vorhersagbarer Wartung und punktgenauer Fertigung und das ohne Ressourcen zu verschwenden.
Der Wandel in der Elektronikfertigung ist so deutlich wie seit langem nicht mehr. Vielleicht kann er deshalb auch nur von jenen Unternehmen umgesetzt werden, die bereits die jüngsten Entwicklungen, wie Wertstromanalysen, Fluss-Fertigung, Kanban und Poka Yoke, erfolgreich eingeführt haben.
Wo bleibt in all dem Streben nach technischer Revolution der Mensch? Welche Rolle spielt er zwischen künstlicher Intelligenz, autonomer Produktion und vernetzten Maschinen? Der Mensch ist der Mittelpunkt – auch im Zeitalter hochkomplexer, cyberphysischer Systeme. Schließlich soll all das Gefertigte ihn glücklich machen und seinem Wohlbefinden dienen.
Der Mensch darf deshalb als die wohl wertvollste betriebliche Ressource nicht übersehen werden. Er verfügt über Fähigkeiten, die bislang noch keine Maschine in Gänze nachbilden kann. Selbst bei kleineren Versuchen zeigt sich die Genialität dieser „Schöpfung“. Abgesehen von einem unglaublichen Funktionsumfang, besitzt er große Flexibilität und kognitive Leistungsfähigkeit. Interessanterweise werden auch diese Fähigkeiten in einer industriellen Revolution angestrebt.
Ob sich Industrie 4.0 nun als Revolution erweist oder nicht, wir tun in jedem Fall gut daran, den Menschen sehr intensiv in dieses neue Konzept einzubeziehen – auch in der Elektronikfertigung.