25 Jahre alt und 50 Million Knoten im letzten Jahr – das muss Profinet dem Profibus erst mal nachmachen. Das Ethernet-Protokoll von Profibus & Profinet International (PI) steht mit zehn Millionen Knoten in zehn Jahren allerdings auch nicht so schlecht da. In der Automobilindustrie ist der Wechsel von Profibus zu Profinet sogar schon fast komplett vollzogen. Natürlich bietet es als offenes Standard-Ethernet-Protokoll einige Vorteile. So entstehen durch die Anbindung an das Internet ganz andere Möglichkeiten mit Daten zu arbeiten. Diese kann man in eine Cloud liefern, um zum Beispiel Analysen für vorausschauende Wartung zu erstellen. Sicher, Remote-Service- und Wartungskonzepte sind nichts neues, die Organisation bietet sie schon seit 20 Jahren an. Nur waren sie ohne Internet wesentlich komplizierter: Der Anlagenbetreiber musste sich selbst darum kümmern, auf welchem Server seine Daten landen. Ethernet-Protokolle machen das quasi von selbst über eine Standardplattform. Das bedeutet, dass sich hier die Anbieter darum kümmern. Zudem sind bei Ethernet-Protokollen bereits Diagnose-Tools eingebaut, die an einem Feldbus durch andere Geräte hinzugekauft werden müssen.
„Auch wenn wir vergangenes Jahr noch mehr Profibus- als Profinet-Geräte verkauft haben“, meint Karsten Schneider, Chairman bei PI, „denke ich schon, dass Profinet bald den Feldbus überholen wird.“ Doch Profibus wird sich allein schon wegen den noch nicht Ethernet-zugängigen Einsatzfeldern, wie den Ex-Bereichen, noch lange halten. Zudem benötigt Ethernet Switche, sobald die Übertragungsstrecke 100 m überschreitet. Ein Feldbus dagegen reicht bis zu 2000 m weit. Es steckt natürlich auch ein Vierteljahrhundert Know-how im PI-Bus. Zum Beispiel gibt es zur Zeit 10 000 zertifizierte Profibus-Ingenieure und zahlreiche Geräte verschiedener Hersteller mit Profibus-Schnittstelle. Da er einfach zu bedienen ist, zahlt er sich auch in den Gesamtbetriebskosten aus. Außerdem reichen seine Funktionen für die meisten Anwendungen völlig aus. Und auch in einer smarten Fabrik wird ein Feldbus noch Daten einsammeln und verarbeiten sowie die Aktorik steuern, sagt Schneider. „Denn irgendjemand muss einem Servoantrieb auch sagen, was er zu tun hat.“ Größere Neuerungen wird es keine geben, denn Profibus ist ausgereift. Geplant sind lediglich Verbesserungen, die sein Bedienen noch weiter vereinfachen sollen.
Sicherheit als Aufgabe
Eine Verbindung ans IoT ist bei Ethernet gar nicht ausschlaggebend, denn allein dadurch, dass es sich um ein offenes Netzwerk handelt, bestehen Sicherheitslücken. Darum müssen sich sowohl Anlagenbauer als auch -betreiber Gedanken machen, wobei sie sich von der 2013 aktualisierten Security-Guideline von PI unterstützen lassen dürfen. Aber auch ein Profibus hat Sicherheitslücken: Von einer Engineering-Station aus wird auf Geräte zugegriffen. Diese Station befindet sich auf einem PC, von dem aus sich die Engineering-Software über das Profibus-Interface mit dem Internet verbindet. Hackt jemand diesen PC, kann er in die Anlage laden was er will. Aber die Bedrohung muss nicht von außen kommen. Woher soll ein Anlagenbetreiber wissen, ob der PC seines Dienstleisters frei von Schad-Software ist?
Allerdings ist es auch nicht damit getan, einmal eine Guideline zu lesen und die Anlage dementsprechend abzusichern. „Security ist ein kontinuierlicher Prozess. Man muss sich immer über neue Bedrohungen informieren und entsprechend das Konzept anpassen“, gibt Schneider zu bedenken und rät, eine Person als verantwortlichen Sicherheitsbeauftragten zu ernennen.
Nachteile: Von Installation bis Leitebene
Ethernet kann es dem Anwender auch komplizierter machen als ein Feldbus. So muss man sich rechtzeitig Gedanken darum machen, wie man sein Netzwerk plant und ob man ein Ethernet-Protokoll installieren möchte. Während Anwender bei einem Feldbus genau wissen, welche Protokolle hoch laufen und bequem das Engineering Tool für sich arbeiten lassen können, kann bei einem Ethernet-Netzwerk jeder beliebige PC angeschlossen werden. Dadurch entsteht eine Last, die das Engineering Tool vorher nicht planen kann. Deswegen müssen Anlagenbetreiber vor der Installation wissen, wie sie ihr Netzwerk auslegen möchten. Und die Möglichkeiten sind zahlreich, denn im Gegensatz zum Feldbus kann man alle denkbaren Topologien entwerfen. „Das ist zwar nicht schwierig, aber man muss es sich neu erarbeiten“, erklärt Schneider. „Deswegen bietet PI Planungs-, Inbetrieb- und Abnahme-Guidelines, die Ingenieuren helfen, ihr Netzwerk zu strukturieren.“
Ein Nachteil von Feldbussen hingegen ist die Kommunikation mit der Leitebene. Hier herrscht ein enger Austausch mit der OPC Foundation, inklusive Case Studies. Bei Profinet ist diese Zusammenarbeit jedoch nicht mehr notwendig. „Da es ein offenes Ethernet-System ist, können andere Protokolle auch mit laufen“, erklärt Schneider. „Wenn also jemand OPC zusätzlich nutzen will, tut er das einfach.“ Es gibt zum Beispiel Antriebe, die haben einen Profinet-Anschluss zur Steuerung hin und gleichzeitig einen OPC-Server, um andere Daten in die Leitebene zu transportieren. In dieser Kombi flitzt Profinet mit seinem leichten Datengepäck zur Steuerung, damit diese schnell reagieren kann. OPC hingegen bringt im Vergleich dazu eher gemächlich seine Masse an Informationen zur Cloud. Dort kann dann unter anderem die Qualitätssicherung stattfinden.
Was für die Kombination aus Ethernet und OPC gilt, gilt auch für die Kommunikation zwischen Feld- und Steuerungsebene: Mittels Proxys, also standardisierten Gateways, ist dies auch möglich. Sie fungieren als Übersetzer, die Diagnosedaten von einem System ins andere übertragen. Auch wenn die Idealvorstellung natürlich eine Anlage mit so wenig Varianz wie möglich ist, sind Proxys eine gute Lösung für Ethernet-freie Bereiche. Schneider bringt es auf den Punkt: „Nutzen Sie das richtige Protokoll für Ihre Anwendung! Bei Bedarf beide.“