Widerstandslose Stromleitung Warum Nickelate nicht immer supraleitend sind

Bestimmte Nickelate würden vielversprechende Supraleiter darstellen – wenn es da nicht ein Problem gäbe.

Bild: iStock, statu-nascendi
05.05.2020

Nickel soll ein neues Zeitalter der Supraleitung einläuten. Das gestaltet sich allerdings schwieriger als gedacht. Forscher der TU Wien konnten nun herausfinden, woran das liegt.

Im vergangenen Sommer wurde ein neues Zeitalter für die Hochtemperatur-Supraleitung ausgerufen: das Nickel-Zeitalter. Man hatte entdeckt, dass es in einer speziellen Klasse von Materialien, den sogenannten Nickelaten, vielversprechende Supraleiter gibt, die auch bei hoher Temperatur elektrischen Strom immer noch völlig ohne Widerstand leiten können.

Allerdings zeigte sich bald, dass die zunächst so spektakulären Ergebnisse aus Stanford von anderen Forschungsgruppen nicht reproduziert werden konnten. Wissenschaftler an der TU Wien haben nun den Grund dafür gefunden: Bei manchen Nickelaten werden zusätzliche Wasserstoffatome in die Materialstruktur eingebaut. Dadurch ändert sich das elektrische Verhalten des Materials völlig. Bei der Produktion der neuen Supraleiter muss man diesen Effekt nun im Auge behalten.

Die Suche nach den Hochtemperatur-Supraleitern

Manche Materialien sind nur in der Nähe des absoluten Temperatur-Nullpunkts supraleitend – für technische Anwendungen sind solche Supraleiter deshalb nicht zu gebrauchen. Daher wird seit Jahrzehnten nach Materialien gesucht, die auch bei höheren Temperaturen noch supraleitend bleiben.

Im Sommer 2019 gelang der Forschungsgruppe von Harold Hwang aus Stanford, Hochtemperatur-Supraleitung in Nickelaten nachzuweisen. „Aufgrund unserer Rechnungen haben wir bereits vor zehn Jahren Nickelate als Supraleiter vorgeschlagen, allerdings etwas andere als die, die man jetzt entdeckt hat. Sie sind mit den Cupraten verwandt, enthalten aber Nickel statt der Kupfer-Atome“, sagt Prof. Karsten Held vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien.

Nach anfänglicher Begeisterung zeigte sich aber in den vergangenen Monaten, dass Nickelate doch schwieriger herzustellen sind als anfangs gedacht. Andere Forschungsgruppen berichteten, dass ihre Nickelate keine supraleitenden Eigenschaften haben. Dieser scheinbare Widerspruch konnte nun an der TU Wien aufgeklärt werden.

Der Ärger mit dem Wasserstoff

„Wir haben die Nickelate mithilfe von Supercomputern analysiert und dabei festgestellt, dass sie extrem empfänglich für Wasserstoff sind“, berichtet Liang Si von der TU Wien. Bei der Synthese bestimmter Nickelate können Wasserstoffatome mit eingebaut werden, das ändert die elektronischen Eigenschaften des Materials völlig.

„Allerdings passiert das nicht bei allen Nickelaten“, erklärt der Forscher weiter. „Unsere Berechnungen zeigen, dass es bei den meisten von ihnen energetisch günstiger ist, Wasserstoff einzubauen, bei den Nickelaten aus Stanford allerdings nicht. Auch geringfügige Änderungen der Synthesebedingungen können einen Unterschied ausmachen.“

Am 24. April 2020 konnte die Gruppe um Ariando Ariando von der NUS Singapore dann berichten, dass es auch ihr gelungen ist, supraleitende Nickelate zu herzustellen. Sie ließ den freiwerdenden Wasserstoff schon direkt bei der Produktion entweichen.

Kritische Temperaturen mit Supercomputern berechnen

An der TU Wien werden neue Computerberechnungsmethoden entwickelt, um die Eigenschaften von Nickelaten zu verstehen und vorherzusagen. „Nachdem hier immer eine große Zahl quantenphysikalischer Teilchen gleichzeitig eine Rolle spielt, sind die Rechnungen extrem aufwendig“, sagt Si. „Durch die Kombination verschiedener Methoden gelingt es uns nun aber sogar, die kritische Temperatur abzuschätzen, bis zu der die verschiedenen Materialien supraleitend sind. Solche zuverlässigen Berechnungen waren bisher nicht möglich.“

So konnte das Team etwa berechnen, in welchem Bereich sich die Strontium-Konzentration in den Nickelaten bewegen darf, um Supraleitung zu erlauben. Diese Vorhersage wurde jetzt im Experiment bestätigt.

„Hochtemperatur-Supraleitung ist ein äußerst komplexes und schwieriges Forschungsgebiet“, betont Held. „Durch die neuen Nickelat-Supraleiter sowie unser theoretisches Verständnis und die Vorhersagekraft der Computerrechnungen eröffnet sich eine ganz neue Perspektive, dem großen Traum der Festkörperphysik näher zu kommen: einem Supraleiter bei Umgebungstemperatur, also ohne Kühlung.“

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  • Bei der Herstellung von Nickelat-Supraleitern können zwei Endprodukte entstehen. Wenn Wasserstoff eingeschlossen wird, ist das Material nicht supraleitend.

    Bei der Herstellung von Nickelat-Supraleitern können zwei Endprodukte entstehen. Wenn Wasserstoff eingeschlossen wird, ist das Material nicht supraleitend.

    Bild: TU Wien

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