Embedded Computing/IoT ist längst kein Nischenthema mehr, sondern gängige Praxis. Während Gerätehersteller in der Vergangenheit die Hardware meist von Grund auf selbst entwickelten, integrieren sie heute überwiegend fertige Board-Produkte oder auf Standards basierende Module in Verbindung mit individuellen Carrier-Boards.
Die geringen Kosten und Abmessungen vieler Einplatinen-Computer gestatten das Lösen individueller Aufgaben direkt am Ort des Geschehens; die Module lassen sich über die Carrier-Boards an die individuellen Abmessungen und Schnittstellen anpassen. Durch robuste Ausführungen mit erweitertem Temperaturbereich kann das neben industriellen Steuerungen auch innerhalb von Geräten für den Einsatz in Fahrzeugen oder im Freien sein.
Produktvielfalt und Auswahl
Die Bandbreite ist groß, sie reicht von Einplatinen-Mikrocontrollern und Einplatinen-Computern im Format einer Kreditkarte wie dem Raspberry Pi über Embedded Motherboards und Prozessormodule mit x86-Architekturen von Intel und AMD bis zu Computer-on-Modules für das High Performance Computing (COM-HPC). Die Wahl des passenden Prozessorboards oder -moduls ist oft schwierig, denn selbst wenn man nur die Erzeugnisse des deutschen Herstellers Kontron betrachtet, ist die Produktvielfalt enorm.
In erster Linie unterscheiden sie sich nach der Art der Anwendung, die realisiert werden soll. Darüber hinaus müssen Anwender aber auch den bestmöglichen Kompromiss finden zwischen Verarbeitungsleistung, Grafikfähigkeit und Konnektivität einerseits und Größe, Verlustleistung und Kosten andererseits.
Vision-Systeme und AI
Prozessorboards oder -module im Internet der Dinge (IoT) müssen exponentiell wachsende Datenmengen handhaben und verarbeiten können. Denn der Bedarf an Rechenleistung sowie Übertragungs- und Speicherbandbreite steigt rapide an.
Dazu trägt auch die wachsende Bedeutung anspruchsvoller Bildverarbeitungsaufgaben bei. Diese findet man quer durch alle Branchen, von Security über medizinische Diagnostik bis zu Machine und Robot Vision im Maschinen- und Anlagenbau. Sie werden immer häufiger in Grafik-Prozessoren (GPUs) ausgelagert, um die CPU zu entlasten. Gleiches gilt für die nicht selten auch im Zusammenhang mit Bildauswertungen um sich greifende Verbreitung von Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (Artificial Intelligence; AI). Auch für deren Beschleunigung gibt es mittlerweile eigenes Silizium, etwa in Form der Google Coral Edge TPU oder dem integrierten, weltweit führenden Hailo-8 AI-Beschleuniger.
Leistung für Edge und Cloud
Auswirkungen auf die Anforderungen an die Rechnerhardware hat auch das Umdenken in Bezug auf die Service-orientierte Datenverarbeitung in der Cloud. Um von der Übertragungsbandbreite unabhängig zu bleiben, erfolgen besonders zeitkritische Berechnungen auf der Geräteebene, an der sogenannten Edge.
In der Cloud selbst findet in Analogie zu früheren Entwicklungen beim Office Computing eine Abkehr von der strikt zentralisierten Verarbeitung statt. Hier stehen den Edge-Devices statt einer zentralen Intelligenz dezentrale, oft aufgabenspezifisch arbeitende Edge-Server gegenüber. Die Anforderungen an deren Leistungsfähigkeit steigen trotz der Arbeitsteiligkeit zwischen Cloud und Edge ebenfalls kontinuierlich weiter kräftig an.
Anforderungen im Blick
Auch im Bereich der Konnektivität steigen die Anforderungen an Prozessorboards und -module. Der Mobilfunkstandard 5G ermöglicht deutlich verbesserte Datenübertragungsraten und Latenzzeiten. Die Erweiterung von Ethernet um die Echtzeitfähigkeit mittels Intel Time Coordinated Computing (Intel TCC) beziehungsweise Time Sensitive Networking (TSN) ermöglicht das Verschmelzen der bisher getrennten Netzwerke für IT und OT. Diese Echtzeitfähigkeit steht zunehmend häufiger auch bei x86-Prozessoren zur Verfügung, da diese oft mit integrierten Arm-Coprozessoren ausgestattet sind.
Eine genaue Festlegung der erforderlichen Leistungsdaten ist aber nicht erforderlich. Kontron bietet in allen Leistungsklassen Boards und Module in etablierten, standardisierten Formaten an. Durch die enge Zusammenarbeit mit allen namhaften Halbleiterherstellern kann so die langfristige Verfügbarkeit funktionsäquivalenter Produkte mit zeitentsprechend mitwachsenden Performancedaten jederzeit gewährleistet werden.
COM-Express-Skalierbarkeit
Die breite Skalierbarkeit der speziell für IoT-Anwendungen entwickelten Intel-Prozessoren der Serie Atom x6000 (vormals Elkhart Lake) und der Intel Pentium und Celeron-Serien N und J in 10-nm-Strukturbreite bietet Kontron auch in den Formaten COM Express Compact Typ 6 und COM Express Mini Typ 10 an. Mit bis zu vier CPU- und 32 GPU-Kernen gewähren diese eine konkurrenzlose Systemleistung pro Watt. Damit bilden sie eine extrem kosten- und energieeffiziente Plattform mit TSN- und TCC-Funktionalität für Anwendungen wie IoT/Edge Gateways oder mobile, portable HMI/POS/POI Geräte mit Akku-/Batteriebetrieb.
Mit Intel Core Prozessoren der 11. Generation mit 10-nm-Strukturbreite, PCIe 3.0 und einem TSN-fähigen Ethernet-Controller dringt das COM Express Modul im Formfaktor Compact in eine neue Performanceklasse vor, ohne die Leistungsaufnahme über Gebühr zu steigern. Diese CPUs verfügen über einen Befehlssatz für die vektorisierten neuronalen Netze der AI. Auch im Formfaktor Basic sorgen Intel Core und Celeron Prozessoren der 11. Generation (vormals Tiger Lake H) mit bis zu 8 Rechenkernen für die Eignung in High-End-Anwendungen mit komplexen Workloads und hoher Bandbreite. Dabei erhalten sie Unterstützung durch Intel Iris Xe Graphics und Intel Deep Learning Boost für erhöhte AI-Performance und integrierte TSN- und TCC-Funktionalität. AI-Workloads im Umfeld von Machine Vision oder Medizinanwendungen erreichen somit ein neues Performance-Level.
In derselben Prozessor-Leistungsklasse bringt das Modul COM Express Basic Typ 6 mit AMD Ryzen V/R1000 Prozessor bei relativ geringer Stromaufnahme eine hohe Grafikleistung. Unterstützung von bis zu 16 Threads auf bis zu acht Prozessorkernen bietet es mit dem AMD Ryzen V2000. Dank Grafik- und Bildverarbeitungsmöglichkeiten eignet sich dieses Modul nicht nur für Thin Clients und Industrie-PCs, sondern auch für bildgebende Verfahren in der medizinischen Diagnostik und im Bereich von Digital Signage, Kiosks und Casino/Entertainment.
Skalierbare, vordefinierte Computer-on-Module in Kombination mit neuesten Edge-Technologien sind wesentliche Bausteine für die nächsten Schritte im IoT. Hier stehen Entwicklern eine breite Auswahl an entsprechenden Modulen und Boards zur Verfügung, die den unterschiedlichsten Ansprüchen im Hinblick auf Performance, Energieverbrauch und Konnektivität Rechnung tragen.
Breite Auswahl an Lösungen
Der Single Board Computer Pi-Tron CM3+ ist eine Variation des äußerst populären Systems Raspberry Pi, auf dem er auch basiert. Seine Broadcom BCM283780 CPU kommt mit vier Arm Cortex-A53 mit 1,2 GHz und einer separaten Video Engine. Mit einer CANbus-Schnittstelle eignet sich der SBC besonders für HMI-Geräte, Home Automation oder in portablen Geräten als Steuerungsplattform.
Im kompakten 2,5-Zoll-Pico-ITX-Format kann das Motherboard pITX-iMX8M auch in extrem anspruchsvollen Umgebungen eingesetzt werden und ermöglicht Konfigurationen mit erweitertem Temperaturbereich (-40 bis 85 °C). Damit eignet es sich besonders für Embedded Anwendungen in der Medizintechnik oder im Bereich Building Automation. Trotz Zwei- oder Vierkern-NXP-CPUs auf Basis der Arm Cortex-A53-Architektur und Full 4K UltraHD-Grafikauflösung sowie zwei Gigabit-Ethernet-Schnittstellen punktet das System mit einem geringen Energieverbrauch. Optional mit einem integrierten Google Coral M.2 Modul ausgestattet, bildet es die Einstiegsplattform für anspruchsvolle AI-Anwendungen, etwa in der Objekterkennung. Es schafft bis zu 4 TOPS (trillion operations per second) und 30 Bilder pro Sekunde Bildwechselrate.
Für High-End, „Best-in-Class“ AI-Anwendungen ist das Board mit dem integrierten Hailo-8 AI-Beschleuniger mit 26 TOPS verfügbar. Der Chip ist mit 3 TOPS/Watt sehr energieeffizient und durch seinen integrierten Speicher extrem schnell.
Energieeffizienz inklusive
Für extrem kompakte Low-Power Systeme ausgelegt sind auch die SMARC (Smart Mobility ARChitecture) Computer-on-Module. Das SMARC-fA3399-Modul ist mit dem Arm-Rockchip-Prozessor ausgestattet. Dank seiner sechs Prozessorkerne (4x A72 und 2x A53) in zwei Chips eignet es sich für Anwendungen rund um den Bereich von POS/POI; egal ob Digital Signage, Retail oder Kiosk - überall dort, wo Künstliche Intelligenz eine zielgruppenspezifische Kommunikation mit dem Endkunden möglich machen soll. Mit einer industriellen Version für -25 bis 75 °C ergeben sich vielseitige Einsatzmöglichkeiten auch im industriellen und Outdoor-Bereich. Da Rockchip Teil der Linux Open Source Community ist, sind für diese Plattform quelloffene Treiber im Internet verfügbar. Bei diesem Modul ist zudem der Energieverbrauch in Relation zur Modul-Gesamtperformance gering.
Das Modul SMARC-sAMX8X mit iMX8X-Prozessor und bis zu 3 GB RAM ist dank seiner geringen Leistungsaufnahme für den Einsatz in mobilen, portablen Systemen mit Akku-/Batteriebetrieb prädestiniert. Mit bis zu fünf integrierten TSN-fähigen 1GB Ethernet-Ports, einem integrierten TSN-Switch und einem NXP Dual Arm Cortex-A72 LS1028 Prozessor sowie einer 3D-GPU eignet sich das SMARC-sAL28 Modul im SMARC Short-Size-Formfaktor ideal zum Einsatz in besonders rauen IoT beziehungsweise Industrie 4.0-Systemen. Die robuste Lösung ist für den industriellen Temperaturbereich von -40 bis 85 °C zertifiziert.
Diese beiden Module entsprechen bereits dem SMARC 2.1 Standard, der unter anderem erweiterte Ethernet-Konnektivität und zusätzliche I/O- und Kamerainterfaces bietet. Diesem Standard entsprechen auch neue SMARC-Module am oberen Ende des Leistungsspektrums mit den energieeffizienten Intel Atom-Prozessoren der nächsten Generation.