ERC Consolidator Grant gewährt Weniger Energieverbrauch durch effizientere Softwareprogramm

Um den digitalen Wandel nachhaltig zu unterstützen, müssen Wege gefunden werden, Software künftig erheblich effizienter auszuführen.

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27.11.2023

Inkrementelle Berechnungen, bei dem Ergebnisse nicht neu berechnet, sondern schrittweise angepasst werden, können auf geänderte Eingaben blitzschnell reagieren. Dadurch wird eine hohe Energieeinsparung erwartet. Daher soll eine automatisierte Methode entwickelt werden.

Der Energieverbrauch von Rechenzentren und Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik wächst mit alarmierender Geschwindigkeit und wird Schätzungen zufolge im Jahr 2030 bis zu 20 Prozent des weltweiten Energiebedarfs ausmachen. Um den digitalen Wandel nachhaltig zu unterstützen, müssen Wege gefunden werden, Software künftig erheblich effizienter auszuführen. Dazu könnte das inkrementelle Rechnen beitragen, bei dem Ergebnisse nicht neu berechnet, sondern schrittweise angepasst werden, wenn sich Eingabeparameter ändern. An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) arbeitet Prof. Dr. Sebastian Erdweg mit seinem Team daran, eine automatisierte Methode für das inkrementelle Rechnen zu entwickeln.

Für das Projekt „AutoInc“ erhält er eine Förderung des Europäischen Forschungsrats, kurz ERC für European Research Council, in Höhe von zwei Millionen Euro. Sebastian Erdweg ist seit 2019 Professor am Institut für Informatik der JGU und leitet hier die Arbeitsgruppe Programmiersprachen. Der bewilligte ERC Consolidator Grant gehört zu den am höchsten dotierten Fördermaßnahmen der EU, die an Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher vergeben werden.

Inkrementelles Rechnen für reaktive Anwendungen verstärkt nutzen

Die digitale Transformation geht mit einem hohen Strombedarf einher. Zu den erforderlichen Einsparungen müssen Server und Endgeräte beitragen, aber Hardware allein wird keine ausreichende Entlastung bringen. „Wir müssen daher bei der Software ansetzen“, sagt Sebastian Erdweg. „Hier sind massive Effizienzgewinne möglich, wenn es uns gelingt, die maßgeblichsten Beschränkungen bei inkrementellen Berechnungen zu lösen.“

Inkrementelles Rechnen kommt beispielsweise zum Einsatz, wenn Navi-Geräte die Route wegen eines Verkehrsstaus neu berechnen oder wenn die Rechtschreibprüfung in Textprogrammen verwendet wird. „Bei solchen reaktiven Anwendungen, wenn wir Daten eingeben und das System sofort darauf reagiert, sind inkrementelle Berechnungen das Herzstück“, so Erdweg. Anstatt das Ergebnis von Grund auf neu zu berechnen, werden nur diejenigen Informationen neu kalkuliert und ausgegeben, die von den geänderten Daten abhängen. Das spart Zeit und Energie.

Inkrementelle Berechnungen sind technisch und konzeptionell anspruchsvoll

„Inkrementelle Berechnungen sind großartig, aber sie zu erstellen geht mit einem enormen Mehraufwand einher. Sie sind ist sowohl technisch als auch konzeptionell äußerst anspruchsvoll.“ Inkrementelles Rechnen ist daher nach Darstellung von Erdweg relativ selten oder wird nur bei einfachen Sachverhalten wie etwa einer Rechtschreibprüfung genutzt. Um die Hürde zu überwinden, dass diese Art von Berechnungen sehr viel Expertise benötigen, und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen, will Erdweg mit seiner Arbeitsgruppe in dem Projekt „AutoInc – Asymptotic Speedups for Free through Automatic Incremental Computing“ eine neue Methode entwickeln: Nicht-inkrementelle Berechnungen sollen automatisch in inkrementelle Berechnungen überführt werden.

Das Team hat in Voruntersuchungen erreicht, dass Berechnungen damit bis zu 10.000 Mal schneller abliefen. Insgesamt, so die Erwartungen, wird das Projekt nicht nur die Effizienz von Softwareprogrammen verbessern, sondern auch grundlegende Erkenntnisse über das Wesen und die Grenzen der automatischen inkrementellen Datenverarbeitung erzielen.

ERC Consolidator Grant für Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher

Sebastian Erdweg arbeitet mit seinem Team an Programmierabstraktionen, Programmiersprachen und Programmierwerkzeugen, die die Entwicklung und Wartung komplexer Softwaresysteme vereinfachen. Er hat Informatik studiert und 2013 an der Philipps-Universität Marburg promoviert. Danach war er bis 2016 als Postdoc an der TU Darmstadt und im Anschluss daran bis 2019 als Juniorprofessor an der Technischen Universität Delft in den Niederlanden tätig. 2019 wurde Sebastian Erdweg zum Professor für Programmiersprachen an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz berufen.

Der ERC Consolidator Grant ist eine der höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU für einzelne Wissenschaftler. Der Europäische Forschungsrat fördert damit herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 7 bis 12 Jahre nach der Promotion. Zusätzlich zur wissenschaftlichen Exzellenz müssen die Antragsteller den bahnbrechenden Ansatz ihres Projekts und seine Machbarkeit nachweisen, um die Förderung zu erhalten. Die Förderdauer beträgt fünf Jahre.

Der Europäische Forschungsrat hat außerdem zwei weitere ERC Consolidator Grants am Fachbereich Biologie der JGU genehmigt: Ein Projekt zur Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen von Prof. Dr. Dorothee Dormann und ein weiteres zur Evolution von Ökosystemen im Klimawandel von Prof. Dr. Shuqing Xu. Ferner ist der Palaeogenetiker Prof. Dr. Joachim Burger an einem Consolidator Grant beteiligt, den Prof. Dr. Christina Papageorgopoulou von der Demokrit-Universität Thrakien koordiniert und der die Anpassung historischer Bevölkerungen an städtisches Leben erforscht.

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