Damit Ihre zukünftigen EMV-Prüfungen von möglichst großem Erfolg gekrönt sind, sollten Sie stets die folgenden zehn Praxistipps beachten.
1. Richtige Normenauswahl
Falls es für das zu prüfende Gerät eine EMV-Produktnorm gibt, ist dieser erste Rat einfach zu befolgen. Ansonsten erfolgt die Prüfung nach den EMV-Fachgrundnormen. Dabei wird unterschieden, ob das Gerät im Wohn- und Kleingewerbebereich oder im Industriebereich eingesetzt wird. Wenn das Gerät universell verwendbar sein soll, werden die jeweils höchsten Anforderungen geprüft, das heißt Störaussendung nach den Wohnbereichs- und Störfestigkeit nach den Industrieanforderungen. Mittlerweile gibt es auch Fachgrundnormen für Geräte in den Bereichen Energieerzeugung und -verteilung sowie funktionale Sicherheit. Geräte mit Funkschnittstellen müssen zusätzlich die EMV-Anforderungen der Funkstandards (ETSI) einhalten. Und vielseitig einsetzbare Geräte sollten für möglichst viele Anwendungsbereiche (Bahn, Medizin, Schiffsbau, ...) geprüft werden. Damit sind Voraussetzungen für einen breiten Marktzugang geschaffen. Da EMV-Prüfungen stets gemäß der gängigen Basisprüfverfahren durchgeführt werden, ist es sinnvoll, mit dem Prüflabor einen Prüfplan zu vereinbaren, der möglichst viele Bereiche abdeckt und überflüssige Mehrfachprüfungen vermeidet und somit Prüfkosten einspart.
2. Termin für die erste EMV-Prüfung
Starten Sie im Entwicklungszyklus so früh wie möglich mit EMV-Messungen! Bei der Störfestigkeit ist dies meist nur eingeschränkt möglich, da viele Funktionen des zu entwickelnden Geräts erst zu einem späten Zeitpunkt der Entwicklung vollständig verfügbar sind. Die Störaussendung kann jedoch bereits am ersten Platinenmuster gemessen werden. So lassen sich Taktoszillatoren und getaktete Spannungswandler durch Anlegen der Versorgungsspannung bereits bezüglich ihres Störaussendungsverhaltens untersuchen. Schon hier entscheidet sich, ob die EMV einfach in den Griff zu bekommen ist. Mit jedem Redesign der Leiterplatte hat man dann die Chance, die EMV zu verbessern. Dieser Weg ist deutlich kosten- und zeitsparender als eine EMV-Messung am fertigen Gerät, die im Zweifel noch ein weiteres, lediglich auf die Einhaltung der EMV zielendes Redesign erforderlich macht.
3. Betriebszustand für die Messung der Störaussendung
In der Regel fordern EMV-Normen, dass in demjenigen Betriebszustand des Prüflings gemessen wird, der die maximale Störaussendung erzeugt. Dazu muss das Gerät hinsichtlich möglicher Abstrahlquellen analysiert werden. Zum Beispiel sind Schaltflanken eine häufige Ursache für Abstrahlungen. Je steiler die Schaltflanke, desto höher reicht die Störaussendung im Frequenzbereich. Darum sollte man die Datenrate für Datenübertragungen immer auf den maximal möglichen Wert einstellen. Auch Spannungswandler und Leistungsendstufen sollten während der EMV-Messung mit höchster Taktrate arbeiten. Häufig sind die Prüflinge so komplex, dass zahlreiche Betriebsparameter einstellbar sind. In solchen Fällen kann man sich mithilfe von Vormessungen an die maximale Störaussendung herantasten. Natürlich lassen sich nicht alle Kombinationen untersuchen. Die EMV-Normen geben aber den Hinweis, dass die Messung in einem möglichst praxisnahen Betriebszustand erfolgen sollte.
4. Betriebszustand für die Prüfung der Störfestigkeit
Bei der Störfestigkeitsprüfung ist darauf zu achten, dass derjenige Betriebszustand gewählt wird, der voraussichtlich die höchste Empfindlichkeit gegenüber elektromagnetischen Störungen aufweist. Auch hier sollten Datenverbindungen mit der höchstmöglichen Datenrate betrieben werden. Zudem sollte die Eingangsverstärkung der Messeingänge am Prüfling auf den maximalen Wert eingestellt werden. Bei digitalen I/Os ist es sinnvoll, etwa die Hälfte der Eingänge auf logisch 1 und die andere Hälfte auf logisch 0 zu setzen. Noch besser ist es, wechselnde Datenmuster zu verwenden. Dadurch steigen allerdings auch die Anforderungen an die Überwachungssoftware. Bei analogen I/Os sollte nach Möglichkeit ein mittlerer Wert eingestellt werden, um Abweichungen des Analogwertes nach oben oder unten erfassen zu können. Kontinuierliche Änderungen des Analogwertes sind nicht sinnvoll, weil es durch Filterung in den Analogeingängen zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann, was das Monitoring erschwert.
5. Fehlfunktionen bei der Prüfung der Störfestigkeit
Störfestigkeitsprüfungen sind Funktionsprüfungen unter EMV-Einfluss. Daher ist es entscheidend, die Funktion des Prüflings während der Prüfung zu überwachen. In der Praxis haben sich folgende Methoden bewährt:
Überwachung per EMV-fester Kamera (Display, Anzeigen);
Monitoringsoftware und Datenverbindung zum Prüfling (idealerweise über Lichtwellenleiter);
Messgeräte, die elektromagnetisch vom Prüfplatz entkoppelt sind;
Drehzahlerfassung von Motoren über optische Systeme;
Erkennung ungewollter Motorbewegungen mithilfe eines Klebestreifens an der Welle;
Überwachung von Geräuschen und akustischen Signalen mit optischen Mikrofonen.
I/O-Leitungen können digitale oder analoge I/Os sein. Wenn sowohl Ein- als auch Ausgänge am Gerät vorhanden sind, können diese für die Störfestigkeitsprüfung verbunden werden. Im Falle eines Fehlers lässt sich dann aber keine Aussage treffen, ob der Aus- oder der Eingang gestört ist. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Hilfsgeräte zu verwenden, die über komplementäre Anschlüsse des Prüflings verfügen: Ist der Prüfling zum Beispiel ein digitales Ausgangsmodul, muss das Hilfsgerät ein digitales Eingangsgerät mit entsprechender Kanalanzahl sein. Die Hilfsgeräte müssen EMV-fest sein. Anderenfalls müssen die zu überwachenden Signale über Filter zum Hilfsgerät außerhalb des Prüfplatzes geführt werden.
6. Messung, Modifikation, Messung
Wenn ein Gerät die Störaussendungsgrenzwerte nicht einhält, muss zuerst die Quelle der erhöhten Störemission gefunden und anschließend der Ausbreitungsweg lokalisiert werden. Basierend auf diesen Erkenntnissen lässt sich dann das Gerät modifizieren, zum Beispiel durch ein Redesign der Leiterkarte, eine andere Kabelverlegung im Gerät, den Einsatz von Ferriten oder eine Verbesserung der Gehäuseschirmung. In einer erneuten Messung wird dann primär geprüft, ob die Grenzwerte jetzt eingehalten werden können. Sollte dies immer noch nicht der Fall sein, muss man sich überlegen, welche der Maßnahmen am wirkungsvollsten ist, und gezielt in dieser Richtung weiterentwickeln.
Das Verfahren zur Messung der Störaussendung weist schon an sich eine relativ hohe Messunsicherheit auf, doch durch den Aufbau kommen noch weitere Unsicherheiten hinzu. Vor diesem Hintergrund ist es hilfreich, das Testmuster der ersten Messung nicht zu verändern, sondern alle Modifikationen an einem zweiten Muster durchzuführen. Auf diese Weise lässt sich später feststellen, welcher Einfluss auf den Messaufbau und welcher auf die Modifikationen am Prüfling zurückgeht. Und vergessen Sie nicht, ausreichend viele Fotos des Prüfaufbaus zu schießen! Das erleichtert die Reproduzierbarkeit der Messungen erheblich.
7. Welches Kabel strahlt?
Eine wichtige Aufgabe von Störaussendungsmessungen besteht darin, herauszufinden, auf welchem Weg die hochfrequente Energie abgestrahlt wird. Dabei kommen das Gehäuse oder die angeschlossenen Kabel in Frage. Bei Metallgehäusen, die aus einzelnen Teilen bestehen, hat es sich bewährt, versuchsweise alle Teile leitend miteinander zu verbinden und Schlitze im Gehäuse leitend abzudichten, zum Beispiel mit Kupferklebeband. Für die Prüfung, welches Kabel als Abstrahlantenne wirkt, sollten alle Kabel nacheinander abgezogen werden. Aber Vorsicht: Dadurch wird möglicherweise die Funktion des Geräts eingeschränkt! Spätestens bei der Spannungsversorgungsleitung kommt diese Untersuchungsmethode an ihre Grenzen. Eine alternative Möglichkeit besteht darin, Kabel nacheinander mit Ferriten zu versehen. Aber auch hier ist Vorsicht geboten, da ein anderes Kabel möglicherweise umso besser strahlen kann, wenn die Abstrahlung durch einen Ferrit blockiert wird. Als weitere Untersuchungsmethoden bietet es sich an, Kabel zu kürzen beziehungsweise durch Ferritzangen abzuschließen oder ungeschirmte durch geschirmte Kabel zu ersetzen.
8. Entkopplung der Hilfsgeräte
Um mit dem Prüfling zu kommunizieren, wird immer eine Gegenstelle benötigt. Da aber nur die Funktion des Prüflings unter EMV-Einfluss beurteilt werden soll, müssen alle Hilfsgeräte bestmöglich von der Störgröße entkoppelt werden. Beispielsweise kann die Kommunikationsleitung in Richtung des Hilfsgeräts mit Ferrit-Entkoppelzangen versehen werden oder man kann ein Entkoppelnetzwerk zwischenschalten, etwa CDN aus der
EN 61000-4-6. Alternativ kann die Kommunikationsleitung auf Lichtwellenleiter umgesetzt werden, wodurch sich auch größere Distanzen zwischen Prüfling und Hilfsgerät überbrücken lassen. Bei einfachen Signalleitungen, wie sie üblicherweise zur Übermittlung von Sensorsignalen verwendet werden, kann häufig der Sensor durch eine entsprechende Simulation ersetzt werden – beispielsweise lässt sich ein PT100-Temperaturfühler mit einem Festwiderstand simulieren.
9. Gute Verbindung der geschirmten Kabel
Der Aufbau und die Verkabelung des Prüflings sollten exakt so erfolgen, wie es der Hersteller in den Begleitdokumenten des Geräts dokumentiert hat. Ein besonderes Augenmerk ist auf geschirmte Leitungen zu legen. Entscheidend ist dabei, wie der Schirm mit dem Bezugspotential verbunden wird. Falls der Hersteller des Prüflings dazu Anschlussmöglichkeiten am Gerät vorgesehen hat, sind diese zu benutzen; ansonsten muss der Kabelschirm möglichst kurz und flächig mit dem Bezugspotential verbunden werden. Verwenden Sie dabei lieber Schraub- als Klemmverbindungen. Steckverbinder sind nur geeignet, wenn der Schirm über das leitfähige Gehäuse des Steckers großflächig mit dem Bezugspotential verbunden ist.
10. Gehäuseschirmung
Ein Metallgehäuse des Prüflings ist keine Garantie für gute EMV-Eigenschaften. Zwar hilft die Schirmwirkung des Metalls, in der Praxis weichen die Gehäuse jedoch teils drastisch vom Idealzustand ab. Reale Gehäuse haben etwa Löcher und Aussparungen für Displays und Bedienelemente beziehungsweise zur Kühlung. Viele Gehäuse bestehen aus mehreren Teilen, und Leitungen führen durch das Gehäuse zur Elektronik im Inneren. Hier ist es wichtig, möglichst wenige Löcher im Gehäuse vorzusehen, Schlitze zu vermeiden, Gehäuseteile möglichst großflächig leitend miteinander zu verbinden, in das Gehäuse hineingehende Leitungen zu filtern und geschirmte Leitungen optimal mit dem Metallgehäuse zu verbinden.