2005 fiel der Startschuss für die ersten magnetischen Multiturn-Encoder, deren energieautarke Zählelektronik die Bewegungen der nachlaufenden Welle auch im stromlosen Zustand lückenlos erfasst. Wo klassisch Pufferbatterien oder optische Getriebe für die Multiturn-Erfassung sorgten, traten Wiegand-Sensoren auf den Plan, die für cleveres Energy Harvesting stehen.
Herzstück des Systems, das auf den US-Erfinder John Wiegand zurückgeht und von uns zur SMD-bestückbaren Energy Harvesting-Komponente – dem auf eine Fingerkuppe passenden Wiegand Sensor – weiterentwickelt wurde, ist ein aufwändig konditionierter haarfeiner Draht aus Vicalloy. Dank der Kombination aus hart- beziehungsweise weichmagnetischem Mantel und Kern verfügt der 15 mm kurze Wiegand-Draht, der in eine Kupferspule eingebettet ist, über ungewöhnliche – fast magische – ferromagnetische Eigenschaften. Sie sorgen dafür, dass mit jeder Ummagnetisierung des Wiegand-Drahtes durch das rotierende Feld des auf der Welle installierten Permanentmagnets ein Impuls entsteht, der sich in Energie umwandeln lässt. Die erzeugten 100-200 nJ genügen, um die Elektronik ständig zu aktivieren.
Seit gut 15 Jahren nutzen wir den Wiegand-Effekt für den energieautarken Betrieb von Multiturn-Encodern, wobei unser System längst auch weltweit Schule gemacht hat. Neben Drehgebern gehören schon länger Gas-, Wasser- und Öl-Durchflussmesser zum Einsatzfeld der Wiegand-Sensoren. Auch hier entfallen Batterien. Zu den Besonderheiten des Wiegand-Effekts zählt: Anders als bei einem normalen Dynamo werden selbst bei langsamsten Umdrehungen zuverlässig Strompulse erzeugt.
Mit Millionen weltweit verbauter Wiegand-Sensoren im Rücken haben wir jüngst eine Initiative gestartet, um komplett neue und andere Applikationen für den ‚magischen’ Draht aufzuspüren. Dabei stehen neben Energiegewinnung auch Signalerzeugung sowie drahtlose Übertragung elektrischer Energie im Fokus. Um die Wiegand-Technik noch stärker im Pool der Energy Harvesting-Systeme wie Solar, Piezo oder Thermoelektrik zu etablieren, wurden Anfang 2020 mit Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung zwei richtungsweisende Forschungsinitiativen gestartet – Laufzeit: je drei Jahre. Etat: jeweils ungefähr eine Million Euro.
Ziel des ersten, evolutionär ausgelegten Projektes ist, unter anderem die Wiegand-Sensoren noch robuster zu machen, ihre Fertigung weiter zu automatisieren und die Kosten noch einmal deutlich zu reduzieren. Beim zweiten, eher revolutionärer konzipierten Projekt steht die signifikante Erhöhung der Energieausbeute im Mittelpunkt – verbunden mit einer Vielzahl völlig neuer Anwendungen. Konkret geht es darum, genügend Energie für die drahtlose Kommunikation von Sensoren in IoT-Systemen zu erzeugen. Neben passivem haben wir auch aktiven Funk im Visier. Ziel ist, konkrete Prototypen von autark funkenden IoT-Sensoren zu präsentieren.
Beide F&E-Projekte sind verzahnt mit dem Launch der neuen Business Unit Ubito, die seit Juli 2021 die Wiegand-Aktivitäten der Fraba-Gruppe weltweit bündelt und völlig neue Aktionsfelder – jenseits von Multiturn-Encodern – im Visier hat. Das Spektrum reicht von eigensicheren Näherungsschaltern über ‚niederfrequentes drahtloses Laden’ bis zur ‚transkutanen Energieversorgung’ für implantierbare medizinische Geräte – etwa bei Herzschrittmachern. Pioniergeist ist bei Ubito gefragt – wie schon zu Beginn unseres Einstiegs in das spannende Wiegand-Thema.