Steuerungstechnik „Wir lösen Probleme mit der Kommunikation – ganz egal in welcher Branche“

„Eine spezifische Umsetzung ist nicht auf das Protokoll limitiert. Wir setzen auch alle weiteren Sonderwünsche um, zum Beispiel bei der Gehäuse- oder Platinenform.“ Matthias Reusch, Kunbus

24.06.2014

Welche Vorteile bieten kundenspezifische Kommunikationslösungen? Welchen Bedarf gibt es? Und ist Industrial Ethernet überhaupt schon in der Praxis angekommen? Diese Fragen hat A&D mit den Kunbus-Experten Andreas Müller und Matthias Reusch diskutiert.

A&D:

Kunbus versteht sich als Spezialist für industrielle Kommunikation. Was heißt das genau?

Matthias Reusch:

Wir unterstützen Hersteller dabei, ihre Steuerungen unkompliziert an verschiedene Kommunikationsprotokolle anzubinden. Ein gutes Beispiel dafür ist die hiesige Region. Hier im Schwäbischen gibt es viele kleine Maschinenbauer, deren Spezialwissen und Kernkompetenz oft in der Steuerungstechnik liegt. Die Steuerungen oder Maschinen gilt es dann später in ein Fertigungsnetz zu integrieren, und dieses kann – je nach dem wo die Maschine hingeht – jedes Mal ein anderes sein. Der Hersteller muss also all diese Feldbusse und Industrial-Ethernet-Derivate bedienen können, obwohl das normalerweise nicht zu seiner Kernkompetenz gehört. An dieser Stelle kommen unsere Kommunikationsmodule ins Spiel. Sie bieten eine einheitliche Schnittstelle zur Applikation und decken das breite Spektrum der Protokolle und Standards ab.

Andreas Müller:

Der Überbegriff über all unser Tun lautet industrielle Kommunikation – und wir sind einer der wenigen, die diese Ausrichtung konsequent verfolgen. Auf den Punkt gebracht: Kunbus-Module sorgen dafür, dass Sensoren und Aktoren in einem Netz miteinander reden können. Weiterhin lassen sich mit unseren Gateways auch verschiedene Anlagen oder Fertigungsnetze verbinden.

Entgegen der Hoffnung des Anwenders wird das Protokollspektrum durch den Einzug von Ethernet in die Produktion nicht um einen neuen Standard, sondern um einen ganzen Reigen ergänzt. Wie nehmen Sie diese Entwicklung wahr?

Müller:

Das Angebot an verschiedenen Protokollen ist historisch gewachsen. Weil eine Werkzeugmaschine eben andere Anforderungen hat als eine Abfüllanlage, stecken auch jeweils unterschiedliche Ansätze dahinter, die über Jahre weiterentwickelt wurden. Aber auch in Zeiten von Industrial Ethernet gibt es nach wie vor Probleme, wenn die verschiedenen Standards miteinander sprechen sollen. Das wird meines Erachtens auch noch lange so bleiben.

Reusch:

Diese Situation ist aus unserer Sicht ein essenzieller Aspekt und letztlich die Geschäftsgrundlage von Kunbus. Nur weil es die ganzen unterschiedlichen Standards und Protokolle gibt, können wir mit unserer Kernkompetenz richtig glänzen. Aber die Situation ist auch für den gesamten Markt gut, schließlich belebt Konkurrenz immer das Geschäft und sorgt für Innovationen.

Sind die Industrial-Ethernet-Derivate denn schon in der Praxis angekommen?

Reusch:

Auf Seite der klassischen Feldbusse wird heute noch deutlich mehr verbaut. Das lässt sich sowohl am Umsatz, als auch an den installierten Knoten abmessen. Aber alle fragen schon nach Industrial Ethernet und dessen Funktionen und hätten diese auch gerne in ihrem Fabriknetz – ob sie es heute schon brauchen oder nicht.

Müller:

Die Industrial-Ethernet-Protokolle werden sich aber sicherlich durchsetzen – schließlich sind sie die Kommunikationsbasis für Industrie 4.0. Aber wenn man die tatsächlichen Marktanteile betrachtet, macht Ethernet heute erst rund 15 Prozent der Feldbusse aus.

Die großen Vorteile von Industrial Ethernet sind also noch gar nicht greifbar?

Müller:

Jein, jedenfalls nicht in dem Umfang, wie es die Anbieter in Aussicht gestellt haben. Aber man ist noch relativ am Anfang und da sich die Versionen und Spezifikationen noch häufig ändern ist technologisch einfach noch Unruhe drin. Aber die Nachfrage zeigt, dass die Möglichkeiten der kompletten Fabrikvernetzung von Industrial Ethernet Begehrlichkeiten wecken.

Kunbus bietet ein großes Spektrum an standardisierten Kommunikationsmodulen. Wann sind denn kundenspezifische Lösungen erforderlich?

Reusch:

Unsere Standard-Kommunikationsmodule verstehen schon eine ganze Reihe verschiedener Sprachen. Sie decken aber nicht alle Einsatzfälle ab. Dann können wir aber dann eine individuelle Lösung anbieten und umsetzen. Eine solche Umsetzung ist aber bei Leibe nicht auf die Sprache, also das Protokoll, limitiert. Wir setzen auch alle weiteren Sonderwünsche des Anwenders um, zum Beispiel bei Gehäuse- oder Platinenform.

Müller:

Ausschlaggebend ist meist, dass sich mit einer spezifischen Umsetzung des Kommunikationsmoduls die gesamte Funktionalität auf einer Leiterplatte vereinen lässt. Ansonsten muss der Anwender mit Aufsteckmodulen einen Umweg über zwei Platinen gehen.

Reusch:

Es geht immer um zwei Dinge: um die Technik und die Kosten. In unserer preissensitiven Welt müssen sich unsere Kunden immer schneller entscheiden: Entweder bleiben sie bei der Standard-Lösung, die aber meist einen hohen Integrationsaufwand und zusätzliche Bauteile mit sich bringt. Oder sie satteln um auf eine speziell auf ihre Bedürfnisse angepasste Leiterkarte und brauchen dafür einen kompetenten Partner.

Gibt es hier einen konkreten Fall?

Müller:

Ja, ein gutes Beispiel ist der Automatisierungsanbieter Pilz und dessen PNOZ-Multi-Steuerungssystem, bei denen eine spezifische Kunbus-Entwicklung die vorherige Zweiplatinenlösung abgelöst hat. Dadurch spart der Kunde jetzt 50 Prozent der Leiterplattenkosten. Das ist schon eine Hausnummer.

Welche Intention treibt den Anwender zu einer kundenspezifischen Lösung?

Reusch:

Für viele Kunden ist der Preisvorteil ausschlaggebend, aber es geht auch um die Kompetenzfrage: Will ein Maschinenbauer überhaupt in den Aufbau des erforderlichen Know-hows investieren? Als Technologiepartner bringen wir diese Expertise mit und können Hardware und Software auf die Anforderungen des Kunden abstimmen.

Ab welcher Menge macht die kundenspezifische Umsetzung einer Kommunikationslösung Sinn?

Müller:

Das lässt sich pauschal schwer beantworten, denn es kommt stets auf das Geschäftsmodell des Kunden sowie die Preissensitivität der Anwendung und Branche an. In einem Fall kann es sich schon ab 400 Modulen pro Monat lohnen, im anderen erst ab 1000.

In wie weit setzen Sie sich als Lieferant mit den Anwendungen, Branchen und spezifischen Herausforderungen und Besonderheiten des Kunden auseinander?

Müller:

Bei uns arbeiten nur Ingenieure in der Entwicklung – rund ein Viertel unserer gesamten Belegschaft. Das sind ausgezeichnet ausgebildete Leute, die sich nicht nur mit den entsprechenden Protokollen, sondern auch mit den unterschiedlichen Branchen und den darin eingesetzten Geräten und Maschinen auskennen müssen. Ohne dieses Know-how kann man bei seinen Kunden keinen Stich machen.

Wo liegen die Alleinstellungsmerkmale Ihres Unternehmens?

Müller:

Neben der Möglichkeit, analoge Daten direkt in unseren Kommunikationsmodulen zu verarbeiten, gibt es weitere Punkte, die Kunbus unverwechselbar machen. Dazu gehört die außergewöhnliche Zykluszeit unserer Module oder deren erweiterter Temperaturbereich bis 65 °C. Auch die komplette Fertigung in Deutschland ist an dieser Stelle zu nennen.

Welche Branchen kann Kunbus mit Kommunikationslösungen abdecken?

Müller:

Wir legen unseren Schwerpunkt auf die Automatisierungstechnik und den Maschinenbau. Abseits davon unterscheiden wir nicht zwischen den Märkten der Endanwender. Unsere Kunden haben Probleme mit der Kommunikation und die lösen wir – egal in welcher Branche.

Tun sich abseits der Automation neue Geschäftsfelder für Sie auf?

Reusch:

Man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Deshalb konzentrieren wir uns auf die Fertigungsautomation. Wir sind aber sehr flexibel und bei entsprechendem Bedarf hätten wir auch kein Problem, in andere Segmente zu liefern.

Müller:

Unter dem Stichwort 4.0 werden die Hürden zwischen Fertigungs-, Prozess- und Gebäudetechnik sowie IT nach und nach fallen. Vielleicht dauert es noch einige Jahre, aber es wird so kommen. Wir stehen dann mit unseren Lösungen bereit.

In Zukunft soll alles smart werden. Was bedeutet diese Entwicklung für Ihr Geschäft?

Reusch:

Es kommt darauf an, was smart wird: Geht es um die Fabrik, um Energienetze oder um Haushaltsgeräte? Wenn der internetfähige Kühlschrank, der autark Lebensmittel nachbestellt, wirklich in jedem Haushalt zu finden ist, wird dieser Markt auch für uns interessant. So lange es eine Vision bleibt, konzentrieren wir uns weiterhin auf die Fabrik.

Müller:

Wir bewegen uns in einem Markt, der seit vielen Jahren Zuwächse verzeichnen kann. Der Trend hin zu verteilter Intelligenz und die dafür benötigten Schnittstellen, werden diese Entwicklung weiter antreiben. Entsprechend wollen wir von diesem wachsenden Markt profitieren.

Zeichnet sich auf dem Weg zu Industrie 4.0 eine vereinheitlichte Kommunikation in der Fertigung ab?

Müller:

Ich glaube nicht, dass es in naher Zukunft durchgängige Netze geben wird, die auf ein und demselben Standard basieren. Die Durchgängigkeit wird sicherlich kommen – aber so, dass sich die verschiedenen Protokolle und Standards untereinander verständigen. Die Kommunikation muss also mehr Flexibilität leisten. Hier wird ein Markt entstehen und das ist einer der Gründe, warum wir uns auch im Bereich der Gateways engagieren. Wir wollen zur SPS IPC Drives einen Modulbaukasten an modularen Gateways vorstellen, der diese Entwicklung voll unterstützt.

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