A&D:
Gerade erst hat sich die Welt beim Klimagipfel in Paris verpflichtet, die CO2-Belastung zu reduzieren. Wie verkaufsfördernd ist das Argument der Energieeffizienz für Ihre Produkte?
Bendig:
Fragt man die Kunden, dann ist das durchaus ein wichtiger Punkt. Uns allen ist schließlich nicht erst seit dem Gipfel in Paris bewusst, dass der Klimawandel eine ernsthafte Bedrohung ist, der man sich stellen muss. Sieht man sich aber den tatsächlichen Entscheidungsprozess an, ist Energiesparen meist nur ein untergeordnetes Argument. Andere Punkte überwiegen da deutlich.
Können Sie Beispiele geben?
Bendig:
Wenn beispielsweise ein neues Hochregallager gebaut wird, dann geht es um eine mindestens siebenstellige Investitionssumme. Die Personalkosten liegen im sechsstelligen Bereich. Durch Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz sind maximal wenige 10 000 Euro pro Jahr einzusparen, das macht nicht viel aus im Vergleich zu den anderen Positionen – und fällt bei den Entscheidern deshalb nicht in das Zentrum der Aufmerksamkeit.
Das hört sich an, als würden Anwender den Einsatz moderner, ressourcenschonender Technik in der Industrie blockieren.
Bendig:
So kann man das nicht sagen. Sie werden durch uns alle, in unserer Rolle als Konsumenten, dazu getrieben, möglichst wirtschaftlich zu arbeiten. Eine Investition darf dann eben nicht teurer sein, oder weniger Leistung bringen oder gar geringere Flexibilität. Im Gegenteil, in Zeiten von Industrie 4.0 muss die Flexibilität steigen. Um im Beispiel zu bleiben: Das Hochregallager eines Einzelhändlers soll mit immer mehr Artikeln verschiedener Hersteller und mit zusätzlichen Packungsgrößen umgehen können, damit der Einkauf individueller werden kann. Aber kein Händler kann es sich leisten, dass aufgrund einer höheren Kostenbelastung aus der Logistik der Mozzarella teurer wird – sonst sind die Kunden bei der Konkurrenz.
Über die Life-Cycle-Cost-Betrachtung lässt sich doch aber belegen, wie sich eine energieschonendere Lösung auch betriebswirtschaftlich rechnet.
Bendig:
Ja, schon, aber da wird noch zu wenig von Seiten des Maschinen- und Anlagenbaus gemacht. Der muss nicht nur Willens sein, sondern auch noch die Kapazitäten haben, sich in seinem Engineering damit auseinanderzusetzen.
Weil Aufwand entsteht, bestehende Systeme neu zu entwickeln, um die Effizienzvorteile tatsächlich heben zu können?
Walter:
Nicht nur das. Auch der Vertrieb hat zusätzlichen Aufwand.
Bendig:
Unseren Kunden geht es besonders um die Vermeidung von Risiko, und das muss auch so sein. Wir sprechen hier über Mittelständler, die häufig Konzerne, beispielsweise im Bereich Automobil- oder Konsumgüterproduktion, als Kunden haben. An dem Tag, an dem der Mittelständler einen Vertrag mit einem solchen Konzern unterschreibt, dessen Fertigung mit Automatisierungstechnik auszustatten, setzt er potenziell sein gesamtes Unternehmen ins Risiko.
Warum?
Bendig:
Er ist für eine gewisse Zeit auf diesen Kunden ausgerichtet, denn der große Kunde lastet die Produktion des Maschinenbauers für den definierten Zeitraum signifikant aus. Sollte es zu Problemen kommen, zum Beispiel bei der Inbetriebnahme, und der Konzern seine Bestellung stornieren, dann ist der Begriff Problem wohl eher verniedlichend für die tatsächliche Dimension. Wenn er also einmal einen Unsicherheitsbereich gut beherrscht, dann möchte er die Lösung auch nicht unbedingt gern noch mal überdenken. Denn es läuft ja, und eine Diskussion über Neuerungen verspricht erst einmal neue Probleme aus Sicht des Maschinenbauers.
Das klingt jetzt sehr pessimistisch …
Walter:
So schlimm ist es Gottseidank nicht. Die Gelegenheit, Neuerungen einzuführen, ergibt sich immer dann, wenn sowieso aufgrund neuer Anforderungen die Produktion neu geplant werden muss. Sei es aus Gründen der Flexibilisierung oder anderer zusätzlicher Anforderungen an die Fertigung. Aber auch wenn die Gesellschaft es fordert, wie beim Klimaschutz, und ein Unternehmen dadurch die Gelegenheit bekommt, sich positiv aus der Masse hervorzuheben.
Bendig:
Letztendlich erwartet der Anwender sogar, dass bei einer größeren Veränderung auch neue Technik zum Einsatz kommt, die beispielsweise den Energieverbrauch reduziert. Aber er beschäftigt sich nicht damit oder formuliert konkrete Anforderungen. Trotzdem muss der Maschinenbauer darauf reagieren.
Wenn also sowieso größere Änderungen anstehen ...
Bendig:
… ergibt sich die Gelegenheit, den Antriebsstrang neu zu konzipieren und effizienter zu gestalten.
Walter:
Diese Gelegenheit sollte man auch nutzen. Energieeffizienter zu konzipieren heißt aber nicht, einfach nur Komponenten aneinander zu reihen, die für sich effizienter sind, etwa einen normalen Motor durch einen IE3-Motor zu ersetzen. Sondern die Gesamtkonzeption muss passend ausgelegt werden, und dazu brauchen Sie eine hohe Anwendungskompetenz. Alleine auf diesem Weg lassen sich nach unserer Schätzung rund 75 Prozent der durch die Antriebstechnik möglichen Energieeinsparung erzielen.
Wenn neue Normen und Vorschriften nicht automatisch dazu beitragen, die Klimaziele zu erreichen, welchen Weg soll die Politik dann einschlagen?
Bendig:
Ich wüsste jetzt nicht, was exakt in einem solchen Gesetz stehen müsste. Ich halte es aber für geboten, dass zu einem Gesetz auch eine Zielerreichung formuliert wird, die sich an bestimmten Key-Performance-Indikatoren, festmachen lässt. Sollten sich diese nicht erfüllen, hat das Gesetz seinen Zweck verfehlt und kann entfallen. Dann muss man etwas anderes machen. Würde man so vorgehen, kämen wir zu einer intelligenteren Gesetzgebung.
Dann will ich die Eingangsfrage noch mal neu stellen: Werden die Klimaziele von Paris Ihr Geschäft befördern, und in welchem Zeitrahmen?
Bendig:
Um es kurz von der Geschäftsebene wegzuheben: Ich glaube, dass wir im Nachgang zu Paris eine Chance haben, einen Losbrech-Moment zu erleben. Die Menschen müssen sich jetzt Gedanken machen, was zu tun ist, und das auch umsetzen. Das wird dann zwangsläufig einen Einfluss auf unser Geschäft haben. Wir haben dafür viele konkrete Hebel. Und wie es so schön heißt: Das Konkrete erschafft die Möglichkeiten!