Das markante Brummen eines Rennwagens ist zu hören. Ein bisschen leiser, als von den Formel1-Rennen im Fernsehen gewohnt. Biegt man auf dem Stuttgarter Messegelände um die Halle 8, sieht man bereits die ersten Pylonen. Sekundenbruchteile später schießt auch schon der Rennwagen um die Kurve der abgesteckten Strecke. In der Mitte der liegenden Acht, des Skid Pad, sitzen eine Frau und ein Mann an einem Tisch, vor ihnen ein Laptop und Messgeräte. Abseits der Strecke stehen weitere Studenten hinter einer Biergartengarnitur.
Nachdem der Wagen die Strecke verlassen hat, sehen alle erwartungsvoll die Frau hinter dem Laptop an. „Eine Zehntelsekunde schneller“, verkündet sie. Die gewonnene Zeit geht auf das Konto von kleinen Spoilern aus Pappe, sogenannten Gurney Flaps, die das Green Team der Uni Stuttgart an den Kotflügel ihres Rennwagens geklebt hatte. Für den Wettbewerb auf dem Hockenheimring in zwei Wochen muss die Pappkonstruktion allerdings noch gegen Kunststoff ausgetauscht werden, sonst gibt es Punktabzüge beim Design.
Die Formula Student Germany Electric ist ein internationaler Konstruktionswettbewerb für Studenten, die innerhalb eines knappen Jahres einen Rennwagen eigenständig planen, bauen und fahren. Anfang August treffen sie sich am Hockenheimring, um sich in verschiedenen Disziplinen zu messen; dazu gehört nicht nur fahrerisches Talent, sondern es wird auch der Kostenfaktor, die Marketingstrategie sowie das Design bewertet.
Unterstützung durch Unternehmen
Komponenten für Rennwagen sind teuer. Angefangen bei den Kabeln, über die Elektromotoren bis hin zu den Verbundstoffen für die Karosserie werden Teile und Material von Unternehmen gesponsert. Oft können Maschinen genutzt werden oder Auszubildende helfen bei der Fertigung. So entstanden beispielsweise mit Hilfe von CNC-Maschinen und mit Unterstützung durch Azubis der Water Werke Teile für das Fahrwerk und den Antriebsstrang des Rennwagens. Bei der Konstruktion des Rennwagens konnte das Green Team einiges vom Vorgängerwagen lernen. Viele neue Einfälle ergaben dann eine integrierte und intelligente Konstruktion. Die neuentwickelte Kühlung der Motoren ist hierfür ein Beispiel.
Die Motoren selbst sowie die Umrichter kommen von ihrem Sponsor AMK. Der Motorenhersteller stand aber auch mit Rat und Tat zur Seite und half bei der Auslegung des Antriebsstrangs. Diese Saison entschied sich das Green Team für einen Vierrad-Antrieb mit radnahen Motoren. Das brachte nicht nur eine entscheidende Gewichtseinsparung, sondern durch die kürzere Übertragung auch mehr Stabilität. Auch die Vorteile des Elektronantriebs können so genutzt werden. Die Motoren können einzeln angesteuert werden und es kann das aus dem professionellen Rennbetrieb bekannte Torque Vectoring eingesetzt werden. Dies bringt entscheidende Vorteile beim Handling und schlägt sich in deutlich geringeren Rundenzeiten nieder.
Aber auch scheinbar banale Dinge wie Kabelbinder werden von Unternehmen gesponsort. Im E0711-5, dem diesjährigen Wagen des Green Teams, finden sich Kabel und Kabelbinder von Lapp und Leoni. Als ein Hauptsponsor unterstützte Leoni die Studenten auch in der Fertigung des Kabelbaums mit Einblicken in die Produktion sowie den richtigen Werkzeugen. Doch ohne Software ist heute die Planung eines Kabelbaums nicht mehr denkbar. Hierfür erhielten die Studenten hilfreiche Schulungen von Eplan sowie die nötige Konstruktions-Software, mit der sie einen Kabelbaum fertigen konnten, der genau auf die Anforderungen der Gesamtkonstruktion zugeschnitten war.
Die Wiederauferstehung
Nach monatelanger Arbeit kam jedoch im Mai der Schock: Nur zwei Monate vor dem Rennen brannte der Wagen ab. Lediglich mehrere Stecker, die Motoren und Radträger sowie die Nase des Wagens überlebten. Ist das überhaupt noch zu schaffen: Das Rennauto komplett neu aufbauen und noch Zeit fürs Testen zu erübrigen? Rund um die Uhr wurde gearbeitet, Nachtschichten eingelegt. Innerhalb von rekordverdächtigen fünfeinhalb Wochen stand der komplette Wagen wieder, und das Team konnte fast planmäßig mit den Tests beginnen.
Die Wochen vor der Formula Student waren dann nicht weniger arbeitsintensiv. Täglich um 7:30 Uhr werden die Sachen gepackt und alles auf das Testgelände auf der Stuttgarter Messe transportiert. „Um 9:00 Uhr beginnt das Testtraining. Während der Tests erstellen wir eine Fehlerliste, die am Ende des Trainings an die Wartungscrew geht.“, so Felix Bezler, im Team Systemelektronik verantwortlich für die Hardware.
Die nächtlichen Einsätze haben sich gelohnt. Nicht nur, dass der Chief Design Judge Pat Clarke den E0711-5 offiziell The Phoenix taufte. Unter 40 Studenten-Teams erreicht das Green Team bei der Formula Student den zweiten Platz.