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Ultraschall-Firewall fürs Handy App schützt vor Abhör-Cookies

Durch sogenannte akustische Cookies kann über die Mikrofone und Lautsprecher der Handys das Verhalten der Nutzer ausgelesen werden. Eine neue App weiß das zu verhindern.

14.05.2018

Wie kann das Ausspionieren von Handys und Tablet-PCs verhindert werden? Forscher haben eine kostenlose App entwickelt, die die Geräte schützt. Diese Abwehr hilft gegen ungewolltes Audiotracking durch akustische Cookies.

Mobiltelefone und Tablets können durch sogenanntes Audiotracking mittels Ultraschall unbemerkt das Verhalten ihrer Benutzer verfolgen – etwa das Betrachten bestimmter Videos oder den Aufenthalt an bestimmten Räumen und Plätzen. Im Projekt Sonicontrol entwickelte die Fachhochschule St. Pölten eine Methode, wie dieses unbemerkte (und meist ungewollte) Ausspionieren enttarnt und blockiert werden kann. Daraus entstanden ist die weltweit erste Ultraschall-Firewall, die nun im App Store gratis verfügbar ist.

Der unsichtbare Lauschangriff

Die permanente Vernetzung mobiler Endgeräte kann die Privatsphäre der Benutzer gefährden und zu neuen Formen der Überwachung führen. Neue Technologien wie Google Nearby und Silverpush verwenden Ultraschalltöne, um Informationen zwischen Geräten über Lautsprecher und Mikrofon auszutauschen (auch „data over audio“ genannt).

Immer mehr unserer Geräte kommunizieren über diesen unhörbaren Kommunikationskanal. Ultraschallkommunikation ermöglicht es, Geräte zu koppeln, Informationen auszutauschen, aber auch Benutzer und ihr Verhalten über mehrere Geräte hinweg zu verfolgen, ähnlich wie mit Cookies im Web. Jedes Gerät mit einem Mikrofon und einem Lautsprecher kann Ultraschalltöne senden und empfangen. Die Benutzer sind sich in der Regel dieser unhörbaren und versteckten Datenübertragung nicht bewusst.

Das Projekt Sonicontrol der FH St. Pölten entwickelte eine mobile Anwendung, die akustische Cookies aufspürt, die Nutzer darauf aufmerksam macht und auf Wunsch das Tracking blockiert. Die App ist damit gewissermaßen die erste verfügbare Ultraschall-Firewall für Smartphones und Tablets. „Das herausforderndste an der Entwicklung der App war es, eine Methode zu entwickeln, die unterschiedliche existierende Ultraschallübertragungstechniken zuverlässig und in Echtzeit erkennen kann“, sagt Matthias Zeppelzauer, Leiter des Projekts.

Nutzerverhalten kann über mehrere Geräte verfolgt werden

Ultraschallsignale können für sogenanntes Cross-device-tracking verwendet werden. Damit kann das Verhalten von Benutzern über mehrere Geräte hinweg verfolgt werden und entsprechende Benutzerprofile können miteinander verschmolzen werden. So lassen sich akkuratere Nutzer-Profile für zielgerichtete Werbung und die Filterung von Internetinhalten erstellen.

Akustische Cookies konnten bisher jedoch nicht – so wie ihre elektronischen Gegenstücke beim Besuch von Webseiten – blockiert werden. „Das Handymikrofon ist oft permanent aktiv, um Sprachbefehle entgegen zu nehmen. Jede mobile Anwendung, die Zugriff auf das Mikrofon hat, sowie das Betriebssystem selbst können jederzeit das Mikrofon eines mobilen Endgerätes ohne Benachrichtigung aktivieren, abhören, akustische Cookies erkennen und über das Internet abgleichen“, sagt Zeppelzauer. Die Nutzer werden über diese Informationsübermittlung im laufenden Betrieb oft nicht informiert. Nur eine permanente Deaktivierung des Mikros hätte bisher Abhilfe geschafft, wodurch jedoch das Gerät als Telefon unbrauchbar wird.

Maskieren von Ultraschall-Coockies

Im Projekt Sonicontrol entwickelte Zeppelzauer mit seinen Kollegen Peter Kopciak, Kevin Pirner, Alexis Ringot und Florian Taurer ein Verfahren, um akustische Datenübertragung zu erkennen und Gerätenutzer zu informieren: Basis sind Signalverarbeitungsmethoden, die kontinuierlich auf das Ultraschallfrequenzband angewendet werden. Zur Maskierung und Blockierung des Ultraschalldatenaustauschs werden Störsignale über den Lautsprecher des eigenen Mobilgeräts gesendet. So können akustische Cookies neutralisiert werden, bevor Betriebssystem oder mobile Applikationen darauf zugreifen können. Benutzer können Cookies selektiv blockieren, ohne die Funktionsweise des Smartphones zu beeinträchtigen.

Die für Menschen unhörbare Maskierung der Cookies erfolgt mittels Ultraschall. „Es gibt derzeit keine Technologie am Markt, die akustische Cookies erkennen und blockieren kann. Die in diesem Projekt entwickelte Applikation repräsentiert den ersten Ansatz, Menschen die Kontrolle über diese Art des Trackings zu geben“, sagt Zeppelzauer.

Sämtliche Projektergebnisse und die Applikation wurden öffentlich zur Verfügung gestellt. Das System ist somit für jeden direkt nutzbar und erweiterbar. Sämtliche Projektergebnisse wurden unter Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht.

Datenaustausch mittels Ultraschall im Internet of Things

Die Technik wird nun in einem Folgeprojekt weiterentwickelt: Durch Internet-of-Things (IoT)-Technologien kommunizieren zunehmend mehr Geräte miteinander. Ultraschallkommunikation wird immer häufiger für den Datenaustausch zwischen Mobiltelefonen und Endgeräten eingesetzt, weil sie unhörbar ist und mit Mikrofon und Lautsprecher nur ein Minimum an Hardware benötigt. So ist Ultraschallkommunikation eine alternative Technologie für Ad-hoc-Datenaustausch, Nahfeldkommunikation (NFC) und als Kanal für Zwei-Faktor-Authentifizierung, den Nachweis der Identität von Nutzern durch Kombination zweier unterschiedlicher und unabhängiger Komponenten.

Kontrolle und Privatsphäre für die Nutzer

Das neue Projekt Sonitalk will Benutzern die volle Kontrolle darüber geben, was von welcher App gesendet werden darf und soll helfen, die eigene Privatsphäre effektiv zu schützen. Sonitalk setzt sich ein quelloffenes, transparentes und vollständig privatsphäre-orientiertes Protokoll für Ultraschallkommunikation zum Ziel. Im Gegensatz zu existierenden proprietären Lösungen für nur einzelne Anwendungen können Benutzer sämtliche Privatsphäre-Einstellungen für jede Anwendung separat verwalten.

Sonitalk will damit die Grundlage für einen neuen freien Standard im Bereich der Ultraschallkommunikation legen, der sichere Kommunikation ermöglicht und die Privatsphäre der Anwender schützt. Auf dieser Basis sollen in Zukunft sichere und transparente Lösungen für Internet of Things (IoT) und Industrie 4.0 entwickelt werden. Sämtliche Projektergebnisse werden auch in diesem Projekt wieder unter Creative-Commons-Lizenz als Open Source veröffentlicht.

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