Drei Generationen der Quantenkommunikation Wie entwickeln sich „quantensichere“ Kommunikationstechnologien in Zukunft?

Die Studie, die vom Fraunhofer ISI und der Universität des Saarlandes koordiniert wurde, weist auch auf die Notwendigkeit hin, kritische Technologien in Deutschland und Europa zu sichern.

Bild: iStock, D3Damon
11.07.2024

Das Fraunhofer ISI und die Universität des Saarlandes haben in einer neuen Studie drei Generationen der Quantenkommunikation analysiert. Im Rahmen eines quantitativen Monitorings gibt diese Einblicke in die Patententwicklung, liefert Prognosen zu künftigen Wachstumsraten und vergleicht internationale Forschungsstrategien. Wie Deutschland und Europa dabei im internationalen Kontext abschneiden, hat die vom BMBF geförderte Studie ebenfalls untersucht.

Sichere Kommunikation ist ein Grundpfeiler freier Gesellschaften und essenziell für den verlässlichen Betrieb kritischer Infrastrukturen. Kryptografische Verfahren sind hier von zentraler Bedeutung. Allerdings ist die Sicherheit heute verwendeter Verschlüsselungsverfahren durch die schnell voranschreitende Entwicklung von Quantencomputern bedroht. Denn diese könnten in absehbarer Zeit in der Lage sein, herkömmliche Verschlüsselungen zu knacken.

Hier kommen Quantenkommunikation und darauf basierende „quantensichere“ Verschlüsselungsstrategien ins Spiel: Die Quantenschlüsselverteilung (QKD), die auf dem Übertragungsweg physikalisch sichere Kommunikation auf Basis quantenmechanischer Prinzipien verspricht, sowie Quantenrepeater, die Quantenzustände über längere Distanzen hinweg transportieren, stellen hier die zukünftige technologische Basis dar.

Technologieüberblick zu Quantenkommunikation

Eine neue Studie des Fraunhofer ISI und der Universität des Saarlandes, die im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Schirmprojekts Quantenkommunikation Deutschland (SQuaD) durchgeführt wurde, hat in diesem Kontext den aktuellen Stand von Quantenkommunikationstechnologien näher betrachtet. Neben deren Marktreife sowie Vor- und Nachteilen wurden mittels eines quantitativen Monitorings auch Publikations- und Patentaktivitäten, Wachstumsraten und die Technologieförderung untersucht.

Die Studie betrachtet insgesamt drei Generationen der Quantenkommunikation: Bei der ersten Generation – der Quantenschlüsselverteilung (QKD) nach dem Prepare & Measure-Prinzip – lässt sich durch eine geeignete Präparation und Messung der Quantenzustände ein sicherer Schlüssel erzeugen, der anschließend zur Codierung der eigentlichen Nachricht dient. Jeder Versuch des Abhörens oder Kopierens durch einen Angreifer führt unweigerlich zu Zustandsänderungen, die erkannt werden können. Prepare & Measure-QKD stellt eine schon heute marktreife Technologie für sichere Kommunikation dar. Ein breiter Einsatz wird zum jetzigen Zeitpunkt aber durch hohe Kosten sowie ausstehende Sicherheitsbeweise, Zertifizierungen und Zulassungen gehemmt.

Bei der zweiten Generation, der Quantenschlüsselverteilung (QKD) mit photonischen Verschränkungsquellen, gewährleistet eine spezielle Verknüpfung zwischen quantenmechanischen Teilchen eine sichere Kommunikation. Wird diese gestört oder abgehört, ist dies erkennbar. Verschränkungsbasierte QKD ist noch nicht so ausgereift wie Prepare & Measure-QKD und erreicht aktuell geringere Schlüsselraten, könnte aber zukünftig Vorteile für komplexe Kommunikationsnetzwerke bieten.

Zukünftige jährliche Wachstumsraten zwischen 15 und 25 Prozent

Die dritte Generation umfasst die Entwicklung von Quantenrepeatern, die eine Verschränkungsverteilung über größere Distanzen erlauben. Dadurch lässt sich die Reichweite von QKD deutlich vergrößern. Darüber hinaus ermöglichen Quantenrepeater verteiltes Quantenrechnen, was potenziell die Rechenleistung von Quantencomputern steigern könnte. Quantenrepeater tragen damit wesentlich zur Entwicklung zukünftiger Quantenkommunikationsnetze bei und haben daher hohe gesellschaftliche Bedeutung für IT-Sicherheit und den Schutz kritischer Infrastrukturen. Allerdings sind Quantenrepeater derzeit technologisch noch nicht ausgereift genug, um eine kommerzielle Anwendung zu ermöglichen und erfordern noch weitere Forschung.

Eine Untersuchung der Patentierungsaktivitäten zu Quantenkommunikation im Rahmen der Studie verdeutlicht, dass der größte Anteil der Patentanmeldungen der letzten Jahre aus der EU (35 Prozent) gefolgt von den USA (29 Prozent) und China (15 Prozent) kamen. Auch wenn Patentanmeldungen aus der Industrie mit einem Anteil von circa 70 Prozent dominieren, treiben auch Forschungsorganisationen die Technologie stark voran (Anteil circa 30 Prozent).

Zudem deuten zahlreiche ausgewertete Marktstudien zu Quantenkommunikation auf einen in den nächsten Jahren stark wachsenden Markt hin. Der Median der analysierten Marktschätzungen und -prognosen ergibt einen globalen Umsatz in Höhe von 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2023, der bis 2030 auf 5,8 Milliarden ansteigen könnte. Die meisten ausgewerteten Studien prognostizieren jährliche Wachstumsraten zwischen 15 und 25 Prozent. Weiterhin zeigt eine Analyse internationaler Forschungs- und Innovationsstrategien, dass neben Deutschland und der EU auch China, die USA, das Vereinigte Königreich, Japan und Südkorea die strategische Wichtigkeit der Quantenkommunikation erkannt und entsprechende Förderprogramme aufgesetzt haben.

Stärkung der technologischen Souveränität

Die Studie, die am Fraunhofer ISI von Dr. Thomas Schmaltz sowie von Prof. Dr. Christoph Becher von der Universität des Saarlandes koordiniert wurde, weist auch auf die Notwendigkeit der Sicherung kritischer Technologien in Deutschland und Europa hin: Schließlich gewährleistet sichere Kommunikation nationale Sicherheit, den Schutz von Geheimnissen und Privatsphäre sowie die Integrität wirtschaftlicher und politischer Prozesse.

Um Deutschlands und Europas technologische Souveränität im Hinblick auf Quantenkommunikation zu stärken und entsprechende Technologien auf Systemebene verstehen, entwickeln und herstellen zu können, gilt es laut der Studie aber noch eine Reihe von Herausforderungen zu meistern: Dazu zählen etwa die Senkung der aktuell noch sehr hohen Infrastrukturkosten, die Weiterentwicklung der Technologien und die Schaffung eines Bewusstseins für IT-Sicherheitsrisiken in der Gesellschaft und bei potenziellen Anwender und Anwenderinnen, was wiederum eine der Voraussetzungen für eine breite Marktimplementierung darstellt.

Erreichen ließe sich die Stärkung der technologischen Souveränität unter anderem durch die Fortführung der öffentlichen Finanzierung, Kaufanreize für Endnutzende in der Industrie, Investitionen in europäische Infrastruktur sowie Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsprogramme. Darüber hinaus sind auch die Förderung des Technologietransfers in die Industrie, eine Beseitigung von Zulassungshürden oder eine gute Zusammenarbeit der Behörden der EU-Mitgliedsstaaten von entscheidender Bedeutung.

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