Die drei Forschungsinstitute bauten innerhalb des Projekts IDEA zwei automatisierte, additive Produktionslinien für den metallischen 3D-Druck mit Vorbildcharakter auf, um hochperformante High-End-Komponenten wie zum Beispiel für Gasturbinen zu fertigen.
Mit Erfolg: In Berlin und Georgensgmünd entstehen seit Kurzem per 3D-Druck Bauteile aus Metall, die zeigen, wie nicht nur Großkonzernen, sondern auch KMUs die additive Serienfertigung von individualisierten Komponenten in mittleren Losgrößen wirtschaftlich gelingt. Eine wichtige Rolle spielen dabei das Laser-Power-Bed-Fusion-(LPBF)-Verfahren des Fraunhofer ILT sowie das Digitale Engineering entlang der Produktentwicklungskette zur Optimierung der Bauteile.
Serienmäßiger 3D-Druck von Metallbauteilen wird bezahlbar
„Der serienmäßige 3D-Druck von Metallbauteilen dauert zu lange, läuft nicht automatisiert ab und ist viel zu teuer. Diesen Luxus können sich daher nur Konzerne aus der Luft- und Raumfahrt oder Medizintechnik leisten.“ Elf Industrieunternehmen und vier Forschungsinstitute aus Aachen widerlegen dieses Argument mit Beendigung des Projekts IDEA im Oktober 2022.
Gefördert im Rahmen der Förderinitiative „Linienintegration additiver Fertigungsverfahren (LAF)“ des BMBF entwickelte das Projektkonsortium eine großindustrielle Pilot-Fertigungslinie im Siemens Energy Gasturbinenwerk Berlin und eine Fertigungslinie für KMU bei Toolcraft in Georgensgmünd. Der Digitale Zwilling der Fabrik, entwickelt für KMUs und die große Serienfertigung, konnte bereits vor dem Bau und Betrieb die Produktkosten signifikant reduzieren.
Siemens Energy und Toolcraft: Lesson learned für weitere Schritte
Es entstanden nach einer intensiven Entwicklungs- und Implementierungsphase zwei automatisierte, modular aufgebaute Produktionslinien, die den Reifegrad der additiven Fertigung als industrielle Produktionstechnologie demonstrieren. Das soll produzierenden Unternehmen Mut zur Anwendung der digital-additiven Fertigung in der Serienproduktion machen. Die positive Resonanz der Betreiber der Linien beweist, dass sich komplexe Turbinenteile mit großer Variantenvielfalt und Fertigungstiefe mit dem pulverbettbasierten Laserstrahlschmelzverfahren LPBF serienmäßig fertigen lassen.
Dazu meint Julius Schurb, Projektleiter IDEA, vom Berliner Siemens Energy Gasturbinenwerk: „Wir konnten für unser Demonstratorbauteil, einer Turbinenleitschaufel, aufzeigen, dass sich unter holistischer Betrachtung der Fertigungskette vom Design bis zum fertigen Produkt die geplanten Reduktionen von Entwicklungs- und Durchlaufzeiten von circa 50 Prozent darstellen lassen. Diese Ergebnisse werden uns in die Lage versetzen, die Industrialisierung der Additiven Fertigung weiter voranzutreiben und Schlüsselkomponenten unserer Gasturbinen auch in kleinen Stückzahlen zu wettbewerbsfähigen Kosten anzubieten.“
Doch nicht nur für große, sondern auch für kleine und mittlere Unternehmen kommt der metallische 3D-Druck infrage. Dafür sprechen die Erfahrungen des mittelständischen Unternehmens Toolcraft, das auf die Fertigung von Präzisionsbauteilen und -baugruppen für die Luft- und Raumfahrtindustrie, Halbleiterindustrie und Medizintechnik sowie von Werkzeugen und Spritzgussteilen spezialisiert ist und die additiven Fertigungsverfahren zur Serienfertigung einsetzt.
„Im Fördervorhaben IDEA ist es uns gelungen, wichtige Entwicklungsschritte erfolgreich abzuschließen, unter anderem aus Teilprozessen eine ganzheitliche, durchgängige Fertigungskette besser abbilden zu können¡, betont Markus Langer, Leiter Forschungs- und Technologieförderung bei Toolcraft, und gibt einen Überblick zu den Projektergebnissen.
„Manuelle Arbeitsschritte wurden durch Automationslösungen substituiert, aufgrund derer eine höhere Prozessstabilität und -qualität erzielt werden können. Hervorzuheben ist die Digitalisierung, die global zur Herstellung von additiv gefertigten Bauteilen betrachtet werden muss, um reale Daten virtuell nutzen zu können. Zudem ist die Überführung von analogen Daten, wie in IDEA weiterentwickelt, zu digitalen Arbeitsplänen, Arbeits- und Prüfanweisungen und interaktiven Trainings, mittels einer VR-Brille wichtig, um die Mitarbeitenden in dem hochkomplexen Aufgabenumfeld bestmöglich zu begleiten.“
Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Gemeinsam zum Ziel
Als Erfolgsfaktor erwies sich vor allem die interdisziplinäre Zusammensetzung des IDEA-Projektteams, in dem unter anderem Fachleute für Turbomaschinenbau, Digitalisierung, Automatisierung, Flugzeugtechnik, Nachbearbeitung, Laser- und 3D-Drucktechnik zusammenkamen. Die Anwender mussten bei dem Projekt nicht bei Null anfangen. Dafür sorgten beispielsweise die Expertinnen und Experten des Fraunhofer ILT aus Aachen, die ihre im Rahmen vorangegangener Forschungsprojekte entwickelten Kompetenzen im Bereich des LPBF im Konsortium beisteuerten.
Mit Prozessführung die Bauteilqualität im Griff
Thomas Laag, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer ILT: „Wegen den sehr hohen Sicherheitsstandards der Luft- und Raumfahrt steht und fällt die Anwendung des Laserstrahlschmelzens mit der intensiven Qualitätssicherung entlang der Prozesskette. Innerhalb von IDEA lag der Fokus daher insbesondere auf der regelbasierten Überwachung des Pulverzustandes, der robusten Prozessqualifizierung von Multi-Laser-Maschinen sowie der Weiterentwicklung von Lösungen zur automatisierten Prozessüberwachung.“
Das Fraunhofer ILT entwickelte für das eingesetzte LPBF eine Prozessführung mit gepulster Laserstrahlung, dank der sich die Detailauflösung verbessern lässt und weniger Formabweichungen entstehen. Sie senkt außerdem den Aufwand für die Nachbearbeitung und ermöglicht neue, effizientere Bauteilgeometrien.
Darüber hinaus wurde am Fraunhofer ILT ein neuartiges, bildgebendes Monitoringsystem entwickelt und evaluiert. Durch eine hochauflösende Stereokamera können Prozessinstabilitäten wie Bauteilverzug oder Pulverbettdefekte detektiert werden. Das Kamerasystem wird hierbei am Beschichter montiert und ist somit prinzipiell auch in bestehenden Maschinen nachrüstbar. In Zusammenarbeit mit dem Partner Jenoptik wurde eine KI-basierte Auswertung der Messdaten demonstriert.
Gesamte Prozesskette physikalisch und digital im Fokus
Beide Produktionslinien weisen trotz der unterschiedlichen Aufgabenstellung viele Gemeinsamkeiten auf. Im Mittelpunkt von IDEA stand unter dem Stichwort Digital Engineering die digitale Transformation der gesamten Prozesskette: Zielgerichtete Automatisierung sorgt im Zusammenspiel mit digitalen Zwillingen und modernen Produktleitsystemen für eine durchgängige Erfassung und Nutzung aller relevanten Fertigungsdaten. Die Linien unterscheiden sich damit erheblich von bisher üblichen 3D-Druck-Anlagen mit ihren weitestgehend isoliert ablaufenden Prozessschritten und ihren vielen erforderlichen manuellen Eingriffen, die leicht zu einer „trial-and-error“-Produktion sowie zu hohen Bauteilkosten führen können.
„Im Bereich der Additiven Fertigung revolutioniert der digitale Zwilling die Abläufe entlang der gesamten Wertschöpfungskette“, hebt Dr. Karsten Heuser, VP Additive Manufacturing bei Siemens Digital Industries, hervor. „Als virtuelles Abbild des additiven Bauteils, des Produktionsprozesses oder der Performance ermöglicht er eine nahtlose Verknüpfung der einzelnen Prozessschritte. Durch den Einsatz des digitalen Zwillings konnten wir durchgängig die Effizienz der beiden industriellen Linien steigern, die Fehlerquote minimieren, sowie die Entwicklungszyklen verkürzen.“
Besonderes Merkmal beider Produktionslinien ist die sowohl physikalische als auch digitale Abbildung der gesamten additiven Prozesskette. Dazu zählen unter anderem automatisierte Messmethoden zur Bauteilgeometrie-Überwachung, die additive Reparatur von Turbinenleitschaufeln und die automatisierte Endbearbeitung von additiv gefertigten Bauteilen.