Etwa alle zwei Jahre verdoppelt sich die Anzahl der Transistoren auf einem Chip – so besagt es das Mooresche Gesetz. Entsprechend kleiner wurden die Schaltkreise, doch ein Ende der Entwicklung scheint absehbar. „Inzwischen ist man bei Strukturen angekommen, die nur noch 2 bis 3 nm groß sind“, sagt Prof. Qing-Tai Zhao vom Peter-Grünberg-Institut (PGI-9) des Forschungszentrums Jülich. „Das entspricht etwa zehn Atomdurchmessern. Damit bewegt man sich an den Grenzen des Machbaren, viel kleiner geht es nicht.“
Schon länger suchen Forscher daher nach einem Ersatz für Silizium, dem Grundstoff der Halbleiterindustrie. „Die Idee ist, ein Material zu finden, das günstigere elektronische Eigenschaften aufweist und mit dem man die gleiche Performance bei größeren Strukturen erzielen kann“, erklärt Zhao.
Grenzen von Silizium überwinden
Im Fokus der Forschung steht unter anderem ein Material, das bereits in den Anfängen der Computer-Ära zum Einsatz kam: Germanium. Elektronen können sich darin deutlich schneller bewegen als in Silizium, zumindest in der Theorie. Zhao und seine Kollegen gingen jetzt noch einen Schritt weiter: Um die elektronischen Eigenschaften weiter zu optimieren, bauten sie Zinn-Atome in das Germanium-Kristallgitter ein. Das Verfahren wurde vor einigen Jahren am PGI-9 entwickelt.
„Das Germanium-Zinn-System, das wir erprobt haben, macht es möglich, die physikalischen Grenzen der Siliziumtechnologie zu überwinden“, sagt Zhao. So zeigt der Transistor aus Jülich in Experimenten eine 2,5-fach höhere Elektronenbeweglichkeit als ein vergleichbarer Transistor aus reinem Germanium.
Ein weiterer Vorteil: Das neue Material ist mit dem bestehenden CMOS-Prozess zur Chip-Herstellung kompatibel. Germanium und Zinn stammen aus der gleichen Hauptgruppe im Periodensystem wie Silizium. Die Germanium-Zinn-Transistoren ließen sich daher mit bestehenden Produktionslinien direkt in konventionelle Siliziumchips integrieren.
Germanium-Zinn ist resistenter gegen Kälte
Neben klassischen Digitalrechnern könnten auch Quantencomputer von dem Germanium-Zinn-Transistor profitieren. Schon länger gibt es Bestrebungen, Teile der Steuerelektronik direkt auf dem Quantenchip anzubringen, der im Inneren eines Quantencomputers bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt betrieben wird. Messungen legen nahe, dass Germanium-Zinn-Transistoren unter diesen Bedingungen deutlich besser funktionieren als solche aus Silizium.
„Die Herausforderung besteht darin, einen Halbleiter zu finden, der auch bei tiefsten Temperaturen noch mit geringen Spannungen schaltbar ist“, erklärt Zhao. Für Silizium flacht diese Schaltkurve unterhalb von 50 K ab. Die Transistoren benötigen dann eine hohe Spannung und viel Energie. Die entstehende Wärme führt letztlich zu Störungen der empfindlichen Quantenbits. Zhao: „Germanium-Zinn schneidet bei Messungen bis zu 12 K besser ab, und es besteht die Hoffnung, das Material auch bei noch niedrigeren Temperaturen einzusetzen.“
Optische und elektrische Datenübertragung vereinen
Der Germanium-Zinn-Transistor könnte sich zudem als nützlicher Baustein für die optische On-Chip-Datenübertragung erweisen. Die Übermittlung von Informationen mit Lichtsignalen ist bereits in vielen Datennetzen Standard, weil sie erheblich schneller und energiesparender ist als der Transfer über elektrische Leiterbahnen. Im Bereich der Mikro- und Nanoelektronik werden Daten dagegen meist noch elektrisch übertragen.
Institutskollegen der Jülicher Arbeitsgruppe von Dr. Dan Buca haben in der Vergangenheit bereits einen Germanium-Zinn-Laser entwickelt, der die Möglichkeit schafft, Daten direkt auf einem Siliziumchip optisch zu übertragen. Der Germanium-Zinn-Transistor ist nun ein weiterer Baustein, um die optische und elektrische Datenübertragung zu vereinen.