Manchmal zählt jeder tausendstel Millimeter – etwa bei Bauteilen für die Automobil- oder Luftfahrtindustrie. Um herauszufinden, ob das einzelne Bauteil auch fehlerfrei und maßhaltig ist, eignet sich grundsätzlich die digitale Holographie.
Allerdings war diese Methode bisher sehr empfindlich gegenüber Erschütterungen und außerdem zu langsam. Für Produktionsumgebungen war sie daher nicht geeignet und bislang konnten nur Stichproben untersucht werden.
Hundertprozentige Kontrolle in der Produktion
Drei Forscher des Fraunhofer IPM – Dr. Markus Fratz, Dr. Alexander Bertz und Dr. Tobias Beckmann – haben das Verfahren der digitalen Holographie nun aus dem Labor in die Produktion geholt. „Wir konnten alle Nachteile beseitigen und haben damit erstmals ein System entwickelt, das eine Hundertprozent-Kontrolle in der Produktion erlaubt“, verkündet Beckmann, der das Projekt gemeinsam mit Fratz leitet.
„Unser System kann zentimetergroße raue Objekte in Sekundenbruchteilen mikrometergenau erfassen und kompensiert dabei Störeinflüsse wie Erschütterungen“, erläutert er die Vorteile holographischer Messtechnik weiter. Denn es ermöglicht erstmalig Messungen während der laufenden Produktion.
Statt also wie bisher nur Stichproben zu nehmen, lässt sich jedes einzelne Teil auf Maßhaltigkeit und gleichzeitig auf winzige Fehler überprüfen. Die Herausforderung hierbei beschreibt Fratz: „Die Fehlersuche ist in etwa so, als wolle man aus 300 Metern Höhe die 3D-Form eines 25 Meter hohen Fußballstadions so genau vermessen, dass man den Fußabdruck eines Babys im Rasen findet – und das in Sekundenbruchteilen und auch dann, wenn das Stadion durch ein leichtes Erdbeben erschüttert wird.“
Schnellstes System am Markt
Doch wie ist den Forschern das gelungen? Statt den Gegenstand mit Laserlicht nur einer einzigen Wellenlänge interferometrisch zu vermessen, beleuchten sie ihn nacheinander mit Laserstrahlen unterschiedlicher Wellenlänge. Die entstehenden Bilder verrechnen sie dann miteinander.
Ein weiterer Clou liegt in den Algorithmen zur Auswertung: Die Forscher haben die Rechenschritte so parallelisiert, dass sie die komplette Leistung einer High-End-Grafikkarte ausnutzen. Dadurch ist das System so schnell, dass es innerhalb von Sekundenbruchteilen Gegenstände auf den Mikrometer genau vermessen kann.
„Für hochgenaue dreidimensionale Messungen ist unser System das weltweit schnellste, das am Markt verfügbar ist“, sagt Bertz, Gruppenleiter am Fraunhofer IPM. Diese Schnelligkeit wiederum macht das System robust und vergleichsweise unempfindlich gegen störende Einflüsse, beispielsweise Erschütterungen. Das ist ähnlich wie beim Fotografieren: Je kürzer die Belichtungszeit, desto weniger verwackelt das Bild.
Für Werner Gießler – ein mittelständisches Unternehmen, das Komponenten für Dieseleinspritzanlagen herstellt – kam das neue Verfahren genau rechtzeitig. Der Zulieferer bekam von seinem Kunden Bosch den Auftrag, statt 6,5 Millionen Bauteile pro Jahr künftig 10 Millionen zu liefern. Fehlteile durften nicht darunter sein.
Mit der bisherigen Sichtprüfung hätte sich die Umsetzung wohl sehr schwierig erwiesen. Inzwischen wurde das digitale Holographiesystem jedoch in die Produktion integriert und ermöglichte es dem Unternehmen, den Auftrag anzunehmen. „Ich bin nicht risikofreudig genug, um auf diese Technologie zu verzichten“, meint Geschäftsführer Thomas Gießler dazu. „Denn Firmen, die nicht gelernt haben, die Qualität ihrer Teile zu prüfen, gibt es bald nicht mehr“, erklärt er die Entscheidung für die neue Messtechnik.
Forscher erhalten Fraunhofer-Preis
Für die Entwicklung der produktionstauglichen digitalen Holographie erhalten Dr. Markus Fratz, Dr. Alexander Bertz und Dr. Tobias Beckmann den diesjährigen Joseph-von-Fraunhofer-Preis. Die Jury begründet die Preisvergabe unter anderem mit „der herausragenden wissenschaftlichen Arbeit und der erstmaligen Darstellung der Industrietauglichkeit des Verfahrens“.