Die Energiewende ist für die chemische Prozessindustrie eine bedeutende Herausforderung, die sie möglichst rasch bewältigen muss. Die Komplexität dieser Aufgabe rührt daher, dass fossile Rohstoffe einerseits ersetzt werden müssen, da sie die Quelle des klimaschädlichen Kohlendioxids sind. Andererseits ist CO2 in der chemischen Industrie jedoch auch ein Rohstoff, der für diverse Prozesse benötigt wird. Bisher wurde dieses CO2 als Nebenprodukt erzeugt, was jedoch künftig in einer dekarbonisierten Welt nicht mehr in gewohnter Weise möglich ist. Die Umstellung auf erneuerbare Rohstoffe und Energieträger erfordert daher häufig umfangreiche Anpassungen der bestehenden Prozesse. Sie ermöglicht zugleich neue Wege für Technologien zur CO2-Vermeidung und gleichzeitig solche zur CO2-Abscheidung und -Speicherung.
Um die verschiedenen Strategien und Ansätze zur Erreichung der Klimaziele besser beschreibbar zu machen und sowohl die Herausforderungen als auch die Lösungen zu diskutieren, werden sie für diesen Beitrag in drei Themen untergliedert: Der erste Punkt ist die Elektrifizierung von Prozessen zur Emissionsvermeidung sowie die Effizienzsteigerung bestehender Anlagen mit dem Ziel, Emissionen zu reduzieren, wo sie sich (noch) nicht vermeiden lassen. Der zweite Punkt behandelt die Umstellung auf alternative Energieträger, allen voran auf grünen Wasserstoff. Neben der Herstellung, dem Transport, der Nutzung und Speicherung von H2 fallen auch Power-to-Chemicals-Ansätze (P2C) oder das Thema Green Steel unter diesen Punkt. Das dritte Thema behandelt CO2 als Rohstoff, den es als Emission oder als abgeschiedenes Produkt zu erfassen gilt. Hierunter fallen Schlagworte wie Carbon Capture (CC) oder Direct Air Capture (DAC), auch die Speicherung sowie der Transport von CO2 fallen unter diesen Themencluster.
Elektrifizierung von Prozessen
Als erste und vielversprechende Maßnahme kann die chemische Industrie Prozesse, wo dies möglich ist, direkt auf regenerativen – emissionsfreien – Strom aus Wind, Wasser und Sonne umstellen. Dies ist sicherlich eine der größten und vermutlich auch einfachsten Stellschrauben in der Prozessindustrie. Oftmals sind diese Umstellungen mit gar nicht so drastischen Einschnitten in die Prozesse möglich. Ein Beispiel ist die Dampferzeugung, die leicht elektrifiziert werden kann und wo infolgedessen keine Änderungen am Wärmenetz oder an der Messtechnik zur Messung und Bilanzierung der Wärmeerzeugung, -verteilung und des Wärmeverbrauchs gemacht werden müssen.
Für Prozesse, die zwar nicht sofort emissionsfrei gestellt werden können, existieren jedoch oft größere Einsparpotentiale für Emissionen, die sich durch Effizienzsteigerungen und Optimierungen der Anlagen realisieren lassen. Als Grundlage für Optimierungsmaßnahmen müssen Energieverbräuche engmaschig gemessen und bilanziert werden. Dies gelingt mit dem breit aufgestellten Feldgeräteportfolio von Endress+Hauser, mit dem sämtliche Parameter in den Kernprozessen und in Utilities wie Dampf-, Heiz-, Kühl- oder CIP/SIP-Kreisläufen bis hin zu eichfähigen Messstellen erfasst werden können. Das Portfolio umfasst die Messparameter Druck, Durchfluss, Materialfeuchte, Flüssigkeitsanalyse, Füllstand, optische Analyse, Systemkomponenten und Temperatur. Der Messtechnikspezialist bietet neben Dienstleistungen zur Erfassung von CO2-Emissionen außerdem Digitalisierungsservices rund um das IIoT-Ökosystem Netilion, die Transparenz über Anlagenassets schaffen und eine Basis für Anlagenoptimierungen bereitstellen.
Speichermedium Wasserstoff
Der zweite Punkt dieses Beitrags zur Dekarbonisierung der Industrie betrifft die Umstellung von Anlagen auf alternative Energieträger. Entscheidend für die Emissionssenkungen durch Elektrifizierung ist die ausreichende Verfügbarkeit der regenerativen Energie. Die Sonne scheint nicht überall und zu jeder Zeit in gleichem Maße, auch die Erzeugung von Windenergie ist großen Schwankungen unterworfen. Die regenerative Energie ist somit zwar die Grundlage für die Elektrifizierung, ein Schlüsselfaktor für das Gelingen der Energiewende sind jedoch Speichertechnologien, die diese Schwankungen ausgleichen können.
Ein Medium, in dem die überschüssige Sonnen- und Windenergie gespeichert werden kann, ist Wasserstoff. Die Umwandlung von Elektrizität in H2 ist zwar verlustbehaftet, jedoch kann dieser gut gespeichert und nach Bedarf wieder in Elektrizität zurückverwandelt werden. Die Speicherung von Energie in Wasserstoff ist unter dem Begriff Power-to-Chemicals (P2C) bekannt. In chemischen Prozessanlagen gibt es jedoch auch Prozesse, die insgesamt so viel Energie benötigen, dass ihr Energiebedarf nicht vollständig über die regelmäßige Einspeisung von erneuerbarer Elektrizität in die Netze abgedeckt werden kann. Diese Prozesse können komplett auf Wasserstoff umgestellt werden, der über ein Transportnetz zur Anlage angeliefert wird.
Messtechnik für Energiewende
Den Messgeräten und -lösungen kommt bei der gesamten Energiewende ein sehr wichtiger Stellenwert zu. Bereits heute sind sowohl Kernprozesse als auch Utilities wie zum Beispiel Wärme-, Kühlkreisläufe oder CIP/SIP-Anlagen mit einem engmaschigen Netz an Messinstrumenten ausgestattet, um Messwerte und weitere Daten für die Prozessüberwachung und -steuerung zu erheben und an die Steuerung zu kommunizieren. Im Rahmen der Energiewende benötigen Anlagenbetreiber darüber hinaus auch präzise Messwerte über Energieeinspeisung, -verbräuche und die genaue Energiedistribution bis hin zur anlagenweiten Energiebilanzierung. Auch die CO2-Emissionen in die Umwelt müssen genauestens erfasst werden. Weil die Energiemengen exakt und zuverlässig erfasst werden müssen, sind die Anforderungen an die Messinstrumente hoch, was die Messgenauigkeiten oder die Anforderungen an die Langzeitstabilität betrifft.
Denn nur wer weiß, wo die Energie in den Anlagen verbraucht wird, ist in der Lage, diese einzusparen oder auf andere Energieträger umzustellen. Sehr speziell werden die Anforderungen an die Messtechnik jedoch dann, wenn die Geräte im direkten Kontakt mit Wasserstoff stehen. Beispielsweise bietet Endress+Hauser für die Druckmessung im Elektrolyseur eine Druckmesszelle mit goldbeschichteter Membran an, die einen Schutz gegen die Diffundierung der kleinen H2-Moleküle durch die Membran darstellt. Diffundiert das Gas durch herkömmliche Membran-Materialien, so kann dies zu Geräteausfällen führen.
Teils müssen Anlagen und Geräte im Kontakt mit Wasserstoff außerordentlich hohen Drücken und geringen Temperaturen standhalten und entsprechende Messbereiche abdecken. Besondere Anforderungen stellt auch die qualitative Messung des H2 als Produkt der Elektrolyse. Hier bietet Endress+Hauser mit dem Sauerstoffanalysegerät OXY5500 ein Gerät, mit dem sich zuverlässig und in Echtzeit der Gehalt an Restsauerstoff im Wasserstoff ermitteln lässt. Mit dem J22 TDLAS-Gasanalysegerät (Tunable Diode Laser Absorption Spectroscopy) kann darüber hinaus die Spurenfeuchte in Brenngasen in Echtzeit gemessen werden, was ebenfalls eine Aussage über die Qualität und den Brennwert von Gasen zulässt.
H2 zur Emissionssenkung
Auch wenn es technologisch bereits heute möglich wäre, Anlagenteile oder ganze Anlagen auf Wasserstoff umzurüsten, so muss jedoch einschränkend erwähnt werden, dass die Industrie sich in einer Phase befindet, in der Wasserstoff hierfür noch nicht in ausreichender Menge vorhanden ist – erst recht nicht der besagte grüne Wasserstoff aus regenerativen Energiequellen. Doch auch wenn der Brennstoffwechsel auf H2 nicht sofort vollumfänglich mit einem großen Paukenschlag erfolgen kann, lassen sich Emissionen teilweise einsparen, indem H2 anderen Brenngasen zugemischt wird. Da hierzu jedoch die genaue Gaszusammensetzung gemessen werden muss, spielt die Messtechnik wiederum eine entscheidende Rolle.
Beispielsweise geschieht eine Beimischung bei der Speisung von Gasturbinen. Hier kann mithilfe von Durchflussmesstechnik sowie optischer Analysemesstechnik von Endress+Hauser die Mixtur aus Erdgas und H2 bestimmt werden und die Anlage Schritt für Schritt auf reinen Wasserstoffbetrieb umgerüstet werden. Auch die Beimischung von H2 in Winderhitzer von Hochöfen, bekannt unter dem Schlagwort Green Steel, verfolgt diesen Ansatz.
Emissionstechnologien
Für Prozesse, die bisher noch nicht auf regenerative Energien umgestellt wurden oder für solche, bei denen dies gar nicht möglich ist, bieten sich aktiv abscheidende Emissionstechnologien an. Das Carbon Capture (CC) fängt CO2 ein, bevor es in die Luft abgegeben wird und dort einen schädlichen Einfluss auf unser Klima nimmt. Direct Air Capture (DAC) fängt CO2 direkt aus der Umgebungsluft ein. Hierzu bieten sich verschiedene Verfahren wie zum Beispiel die Aminwäsche an, die heute schon vielfach angewendet wird, um CO2 aus Prozessgasen, Abgasen oder auch aus der natürlichen Umluft
zu gewinnen.
Zur exakten Messung der CO2-Konzentration der Ausgangsgase setzt
Endress+Hauser hier auf die bewährte Tunable Diode Laser Absorption Spectroscopy (TDLAS), damit der Prozess sicher und effizient gesteuert werden kann. Ein Beispiel, wo Carbon Capture bereits angewandt wird, ist die Zementindustrie. Hier lässt sich das Kohlenstoffdioxid im Prozess zwar nicht gänzlich vermeiden, jedoch wird es durch CC-Technologie und weitere Maßnahmen eingefangen. Diese Maßnahmen helfen, kein weiteres CO2 in die Atmosphäre abzugeben, jedoch lassen sich aktiv abscheidende Vorrichtungen ebenfalls dazu nutzen, Kohlenstoffdioxid aus der Umgebungsluft durch den Einsatz von regenerativer Energie herauszufiltern.
CO2 als Ausgangsstoff
Das Hauptaugenmerk der CO2-Wende liegt derweil zwar auf der Vermeidung und Abscheidung des Gases, jedoch spielt Kohlendioxid in der Industrie ebenso als Rohstoff eine für die Produktion wichtige Rolle. Beispielsweise wird CO2 in Treibhäusern dazu genutzt, die Photosynthese-Rate zu steigern und das Pflanzenwachstum anzukurbeln. Auch in der Lebensmittelindustrie wird CO2 nicht nur zum Aufsprudeln von Erfrischungsgetränken benötigt, sondern ebenso als Hilfsmedium zum Abfüllen von Bier in Flaschen oder Fässer. In der Chemieindustrie wird Kohlenstoffdioxid als Rohstoff ebenso benötigt. Dort wird es fehlen, wenn Prozesse auf emissionsfreie Energieträger umgestellt werden und kein Ersatz geschaffen wird. Dies betrifft zum Beispiel die Produktion von Methanol. An dieser Stelle wird es gegebenenfalls sogar nötig sein, eine neue Infrastruktur für die CO2-Versorgung aufzubauen, zum Beispiel in Form eines Pipeline-Netzes. Für jeden dieser Prozesse benötigen Anlagenbetreiber präzise Messdaten für die Prozesssteuerung, -überwachung und -dokumentation, für die Endress+Hauser Geräte, Lösungen und Dienstleistungen bereithält.
Durchgängige Messkonzepte für die Energiewende
Um die CO2-Wende zu schaffen, müssen zahlreiche Maßnahmen durchgeführt und verschiedene technologische Ansätze kombiniert werden. Endress+Hauser bietet ein breites Spektrum an Geräten und Lösungen an, um den Prozess der Umstellung der Chemieindustrie auf emissionsfreie Technologien zu bewerkstelligen. Dies sind beispielsweise Geräte speziell für den Einsatz in Wasserstoffanwendungen, die den besonderen Stoffeigenschaften der Moleküle oder den extremen Prozessbedingungen Rechnung tragen. Auch auf dem Gebiet der optischen Gasanalyse mit TDLAS-, QF- und Raman-Sensoren setzt der Hersteller Maßstäbe und unterstützt Anwender bei der präzisen Bestimmung der Zusammensetzung von Gasen, Flüssigkeiten und Feststoffen.