An der Erdgas-Technologie scheiden sich die Geister: Während sich Daimler im PKW-Segment aus dem Markt verabschiedet hat, entdeckte der VW-Konzern Erdgas nach der Dieselaffäre wieder für sich. Im Jahr 2017 wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt insgesamt 3.723 CNG-betriebene Fahrzeuge (CNG = Compressed Natural Gas) neu zugelassen. Im Vergleich zu fast zwei Millionen Benzinern und 84.675 PKWs mit Hybridantrieb ist dies eine verschwindend geringe Zahl, gemessen am Vorjahr aber immerhin ein Anstieg um 14,9 Prozent. „Ich halte es für realistisch, dass sich die CNG-Flotte in Deutschland bis 2025 auf eine Million Fahrzeuge verzehnfachen wird“, äußerte sich beispielsweise Frank Jürgens, Geschäftsführer von Škoda Deutschland, im September 2017 gegenüber dem Fachmagazin kfz-betrieb.
Tatsächlich hat die Technologie großes Potenzial: Erdgas-Antriebe emittieren kaum Stickoxide oder Feinstaub und produzieren bis zu 25 Prozent weniger CO2 als Benziner. Damit schneiden sie selbst gegenüber Elektroautos gut ab, denn diese sind nur so umweltfreundlich wie der zu ihrem Antrieb genutzte Strom. Und im Gegensatz zu flüssigem LPG, das Propan und Butan aus der Erdölraffinierung enthält, handelt es sich bei CNG um Methan, das völlig klimaneutral aus Biomasse gewonnen werden kann.
Dezentrale Methanproduktion
Die Voraussetzungen für eine flächendeckende Versorgung mit Biomethan sind im DACH-Bereich verhältnismäßig günstig: Allein in Deutschland gibt es 9.000 Biogasanlagen, von denen 99 Prozent derzeit noch ausschließlich Strom und Wärme produzieren. „Vor allem im Sommer kann die Abwärme nur ungenügend genutzt werden. Hinzu kommt, dass elektrischer Strom fast nicht speicherbar ist“, so Ueli Oester, Geschäftsführer der Apex, die sich auf den Bau beziehungsweise die Wartung von Erdgastankstellen und Biogas-Aufbereitungsanlagen spezialisiert hat. „Die Biogas-Aufbereitung kann diese Nachteile weitgehend kompensieren, da Biomethan sowohl direkt zur Betankung genutzt als auch ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Gleichzeitig entsteht bei der Produktion nur wenig Abwärme.“
Derzeit gibt es noch viele ungenutzte Biogasquellen. Neben eigens für Biogasanlagen angebauten Substraten wie Mais sind auch agrarwirtschaftliche Abfallstoffe und Klärgase verwendbar. „In der Schweiz gibt es zum Beispiel viele kleine Klärwerke mit relativ geringen Klärgasmengen, an deren Aufbereitung die schweizerischen Erdgas-Versorgungsunternehmen sehr interessiert sind“, so Oester.
Doch dabei gab es lange ein Problem: Alle herkömmlichen Technologien für die kommerzielle Aufbereitung von Rohgas – einem Gemisch mit den Hauptkomponenten CH4 und CO2 – zu Biomethan sind für große Anlagen gedacht. Gängige Abtrennungsmethoden wie Druckwasserwäsche, Druckwechseladsorption oder Aminwäsche benötigen relativ viel Energie und Chemikalien, die danach aufwändig entsorgt werden müssen. Zudem steht das Biomethan nach der Aufbereitung meist unter geringem Druck und muss für die anschließende Einspeisung in ein Mitteldrucknetz auf 15 bis 20 bar verdichtet werden. Daher arbeiten konventionelle Aufbereitungsanlagen erst ab einer Gasmenge von deutlich über 500 Nm3/h wirtschaftlich. Für eine dezentrale Energieversorgung mit zahlreichen kleineren Anlagen sind sie in der Regel ungeeignet.
Hochselektive Membranen
Auf der Suche nach alternativen Verfahren für eine ökonomisch sinnvolle Aufbereitung geringerer Rohgasmengen wurde Apex beim Spezialchemie-Konzern Evonik fündig: „Seit 2012 arbeiten wir mit Sepuran-Green-Membranen von Evonik. Diese eignen sich sehr gut für Anwendungen mit relativ kleinen Biogasmengen von weniger als 100 Nm3/h“, erklärt Oester.
Die einzelnen Membranmodule bestehen aus Hohlfaserbündeln, die aus druck- und temperaturbeständigem Hochleistungskunststoff gefertigt sind. Sie arbeiten nach dem Prinzip der selektiven Permeation: CO2-Moleküle wandern schneller durch die Poren der Hohlfaserwand als CH4-Moleküle, sodass die Gase trennbar werden. Die Gasseparationsmembranen von Evonik weisen eine CO2/CH4-Selektivität von über 50 auf, wodurch sich das hergestellte Methan auf bis zu 99 Prozent aufreinigen lässt.
Je nach Anwendung und Anlagengröße können verschiedene Modulgrößen gewählt und beliebig viele Membransysteme miteinander verschaltet werden. „Die derzeit durchsatzstärkste Sepuran-Green-Anlage hat ein Volumen von 6.250 Nm3/h Biogas. Mit kleinen Faserbündeln können jedoch auch Kleinstmengen an Gas aufbereitet werden“, erläutert Volker Wehber, Director Sepuran Green bei Evonik. Insgesamt weist das Evonik-System eine hohe Anlagenverfügbarkeit, geringen Energiebedarf und niedrige Wartungskosten auf. Zudem entstehen bei der Aufbereitung weder Abfälle noch Emissionen. Auch werden keine Hilfsmittel wie Wasser oder Sorbente benötigt.
Dreistufige Aufbereitung
Seit Juni 2016 ist die Technologie in der Abwasserreinigungsanlage Schönenwerd bei Aarau im Einsatz. Dort erzeugt eine BlueBonsai-Anlage von Apex 12 Nm3/h Biomethan aus 20 Nm3/h Rohgas und verdichtet es auf den notwendigen Speicherdruck von 300 bar für die Fahrzeugbetankung. Die Schlüsselkomponenten der Aufbereitungsanlage sind in einem zweigeteilten Container untergebracht: Im größeren Raum, der die Anforderungen der Ex-Zone 2 erfüllt, befindet sich die Gastechnik; im kleineren Bereich die Steuerung und der Kaltwassersatz.
Ein im Freien stehender 40×80-Liter-Hochdruckspeicher der Tankstelle und ein Füllschlauch samt -kupplung für die Fahrzeugbetankung komplettieren das System. Die Aufbereitung erfolgt automatisch und bedarfsgesteuert: Sinkt der Druck im Speicher durch die Betankung von Fahrzeugen unter einen bestimmten Schwellenwert, startet die Anlage und der Speicher wird wieder aufgefüllt.
Der Methangehalt des Rohgases liegt in Schönenwerd bei circa 60 Prozent. „Nach der Entfeuchtung und Vorkonditionierung wird das Rohgas auf den Betriebsdruck der Sepuran-Green-Membranen verdichtet, in denen dann der Trennungsprozess stattfindet“, erläutert Oester. Die Trennung erfolgt mit einem dreistufigen, von Evonik patentierten Verfahren, bei dem das Biogas immer mindestens zwei Membranstufen durchläuft. Beim Retentat aus der zweiten Stufe handelt es sich bereits um Biomethan in Treibstoffqualität.
Im Anschluss wird das hoch CO2-lastige Permeat der ersten Stufe in einer dritten Stufe erneut gereinigt und die darin verbliebenen CH4-Moleküle abgefangen. Bei diesem Verfahren liegt der Methanschlupf deutlich unter einem Volumenprozent.
Steuerbarer Energieverbrauch
Der Stromverbrauch für die Aufbereitung beläuft sich in Schönenwerd auf circa 0,3 kWh/Nm3 für Rohgas beziehungsweise 0,5 kWh/Nm3 für Biomethan. Hinzu kommt noch der Strom für die Gasverdichtung.
Der Strombedarf für die Aufbereitung hängt dabei wesentlich von der Konzeption der Gesamtanlage ab: „Eine Anlage kann auf einen höheren Druck und weniger Membranfläche ausgelegt werden. Mit steigendem Druck steigt jedoch auch die benötigte Kompressorleistung. Sollen niedrige Drücke gefahren und damit die Kompressorleistung reduziert werden, muss man in mehr Membranfläche investieren“, erklärt Wehber. Eine Simulationssoftware von Evonik hilft beim Finden des Optimums: Hier können Szenarien mit unterschiedlichen Druckstufen, Membranzahlen und Produktreinheiten durchgespielt werden.
Synergie mit Erdgas-Tankstellen
Apex plant, die Sepuran-Green-Membran auch in Zukunft in seinen Aufbereitungsanlagen zu verbauen und das Gesamtsystem weiter zu optimieren. Dabei setzt das Unternehmen auf Synergien mit dem Geschäftsfeld der Erdgas-Tankstellen, da die modulare Bauweise der Apex-Anlagen eine grundsätzliche Kompatibilität gewährleistet: „Mit der Membrantechnologie könnte letztlich jede existierende Biogas- oder Kläranlage mit einer Aufbereitungsanlage inklusive Tankstelle verbunden und somit die CNG-Tankstelleninfrastruktur innerhalb weniger Jahre flächendeckend erweitert werden – auch in Gebiete ohne Erdgasnetz“, resümiert Wehber. „Dieses Potenzial für eine dezentrale Energieversorgung bietet derzeit keine andere Technologie.“