Software-defined, Edge Computing und Open Source Das moderne Fahrzeug: ein Rechenzentrum auf Rädern

Harald Ruckriegel, Chief Technologist and Strategic Business Development Automotive bei Red Hat, beleuchtet die zentralen Trends, Chancen und Herausforderungen, die die Branche künftig nachhaltig prägen und verändern werden.

Bild: Red Hat
15.03.2022

Softwaregesteuert, autonom und vernetzt – so sieht das Auto der Zukunft aus. Die Transformation zum softwaredefinierten Fahrzeug ist bereits in vollem Gange.

Bei der Konzeption von Fahrzeugen geht es heute nicht mehr nur um Faktoren wie PS-Leistung oder Innenausstattung. Die Automobilindustrie befindet sich in einem massiven Umbruch. Die beherrschenden Themen sind dabei Autonomes Fahren, Konnektivität, elektrische Antriebe oder flexible Nutzung – Stichwort Car-Sharing.

Diese Herausforderungen können OEMs nur mit einer umfassenden Digitalisierung und mit der Einführung neuer Architekturkonzepte und Technologien bewältigen. An Bedeutung gewinnen dabei vor allem die Themen Software-defined, Edge Computing und Open Source.

Software-defined

Der Trend zum softwaredefinierten Fahrzeug ist nicht mehr aufzuhalten. Doch was heißt softwaredefiniert? Es bedeutet, dass Funktionen, die herkömmlicherweise etwa in Firmware oder ROM fest kodiert sind, in einen Software-Layer überführt werden, der auf standardisierter Hardware läuft.

Die Entkopplung der Software von der Hardware ermöglicht neben der Hardware-Unabhängigkeit eine Standardisierung und bietet Vorteile wie eine höhere Skalierbarkeit und Flexibilität, ein vereinfachtes Management und letztlich auch geringere Kosten. Die Abstrahierung der Software von der Hardware unterstützt darüber hinaus die schnelle Bereitstellung neuer Funktionen.

Damit findet ein gravierender Paradigmenwechsel im Automotive-Sektor statt. Schließlich wurde in der Vergangenheit das Fahrzeug durch die Hardware definiert, auf die die Software aufgesetzt wurde – jetzt verlagert sich der Schwerpunkt auf die andere Seite

Ein konkretes Beispiel für die steigende Bedeutung der Software liefert die folgende Veränderung: In den heutigen Fahrzeuggenerationen können mehr als 150 Steuergeräte – sogenannte ECUs (Electronic Control Units) – vorhanden sein, die alle für einen bestimmten Anwendungsfall konzipiert sind, zum Beispiel für die ABS-Bremsfunktion.

In der Branche zeichnet sich nun der Trend ab, weniger, aber leistungsstärkere ECUs zu nutzen, die eine Vielzahl von Funktionen und gleichzeitig alle Anforderungen an die funktionale Sicherheit erfüllen können. Die Änderung der Sitzposition etwa darf also keine Auswirkungen auf die Motorsteuerung haben. Die Entwicklung solcher integrierten, funktional umfangreichen Steuergeräte wird maßgeblich durch softwaredefinierte Lösungsansätze getrieben

Edge-Computing

Die Fahrzeuge der Zukunft werden sich zwangsläufig zu Rechenzentren auf Rädern entwickeln müssen. Schließlich muss das intelligente, vernetzte Auto in Echtzeit Daten analysieren und Entscheidungen treffen, gerade hinsichtlich des Autonomen Fahrens. IT-Technologien müssen folglich an den Einsatzort – sprich das Fahrzeug – gebracht werden. An diesem Punkt kommt das Edge Computing in Form der Vehicle Edge ins Spiel.

Die Datenverarbeitung wird dabei von zentralisierten Rechenzentren direkt in das Fahrzeug verlagert. Vehicle Edge bedeutet also, dass eine Recheneinheit im Fahrzeug vorhanden ist, die entweder unabhängig oder in Verbindung mit einem fahrzeugnahen Edge Gateway etwa am Straßenrand arbeitet. Nur so können die elementaren Anforderungen an Echtzeitverarbeitung, Security und Safety erfüllt werden. Zudem ist Vehicle Edge die Basis eines softwaredefinierten Fahrzeugs, bei dem Features dynamisch nachgeladen und freigeschaltet werden.

Edge-Computing-Strategien und softwaredefinierte Fahrzeuge bestimmen somit die Automotive-Zukunft. Allerdings geht es dabei keineswegs nur um die Komponenten im Fahrzeug, sondern auch um das Netzwerk und die Cloud, die die Vorgänge im Auto unterstützen.

Das heißt, die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung im Automotive-Bereich erfordern auch die Nutzung einer Hybrid-Cloud- oder Multi-Cloud-IT-Infrastruktur. Nur damit können Anwendungen in kurzen Entwicklungszyklen in einer dynamisch skalierbaren Umgebung bereitgestellt werden. Je mehr Leistungsmerkmale ein Fahrzeug bietet, desto größer sind schließlich auch die Herausforderungen, gerade im Hinblick auf kontinuierliche Funktionsaktualisierungen und Sicherheitsupdates. Die Edge stellt somit starke Integrationsanforderungen und es handelt sich dabei um ein Hybrid-Cloud-Szenario.

Open Source

Prinzipiell werden softwaredefinierte Fahrzeuge die Standardisierung vorantreiben und auch die Nachfrage nach schnell integrierbaren Softwarekomponenten erhöhen. Dabei werden vor allem moderne Architekturkonzepte wie Virtualisierung, Container, Linux und Open Source im Allgemeinen an Bedeutung gewinnen.

Sie stammen alle aus dem Offboard-Bereich, werden aber zunehmend Bestandteil des Fahrzeugs selbst. Eine zentrale Entwicklung werden dabei Fahrzeugplattformen mit einem Linux-basierten Betriebssystem sein, auf dem die Applikationen und Services laufen. Dabei muss eine hohe Sicherheit gewährleistet sein. Folglich werden auch Zertifizierungen etwa nach ISO 26262 unverzichtbar sein, einer Norm für die funktionale Sicherheit eines Systems mit elektrischen und elektronischen Komponenten in Kraftfahrzeugen.

Rund um Linux als Betriebssystem im Fahrzeug entsteht darüber hinaus ein offenes Ökosystem, das die weiteren Entwicklungen im Automotive-Segment aktiv vorantreibt. Dazu gehören Fahrzeughersteller, Integrationsdienstleister, Application Provider und Open-Source-Lösungsanbieter ebenso wie die gesamte Open-Source-Community.

Initiativen zur Digitalen Transformation gibt es derzeit in sehr vielen Unternehmen, so auch in der Automobilindustrie. Dabei findet die Digitale Transformation auch im Produkt selbst, also im Fahrzeug, statt. Das traditionelle Auto entwickelt sich hin zu einem intelligenten, vernetzten und softwaredefinierten Fahrzeug, das als intelligenter Knotenpunkt und Teil eines breiten Ökosystems fungiert.

Es wird letztlich auch die Umsetzung innovativer Mobilitätskonzepte wie Car-as-a-Service, Mobility-as-a-Service oder Smart City unterstützen. Für den Autokäufer der Zukunft bedeutet das, dass er ein Fahrzeug erhält, das Konnektivität, Personalisierung und Sicherheit bietet.

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