Der Sensor ist eine Entwicklung des Halbleiterlabors der Max Planck-Gesellschaft (MPG) und stellt das erste Modul für den Vertex-Detektor des Belle-II-Experiments am japanischen Beschleunigerzentrum KEK dar. Der Belle-II-Vertex-Detektor entsteht in einer internationalen Kooperation unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Physik.
Im Experiment bringen Wissenschaftler Elektronen und Positronen zur Kollision und werten die Zerfallspuren der produzierten schweren Mesonen und deren Antiteilchen aus. „Wir suchen dabei nach winzigen Unterschieden. Dafür ist die präzise Vermessung des Zerfallsortes – auch als Vertex bezeichnet – entscheidend“, erklärt Prof. Christian Kiesling, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Physik. „Zuständig für die Messungen ist der jetzt fertiggestellte, wegen seiner Eigenschaften weltweit konkurrenzlose Sensor.“
Hergestellt aus 1.000-fach reinerem Silizium als herkömmliche Transistoren oder Speicherchips, integriert das Modul auf einer Fläche von acht Quadratzentimetern 200.000 DEPFET-Pixelzellen. DEPFET steht für für Depleted p-channel Field Effect Transistor. Er wurde am Halbleiterlabor (HLL) der MPG erfunden und wird ausschließlich dort gefertigt.
Das DEPFET-Bauteil erlaubt den Nachweis von Photonen oder, so wie hier, von hochenergetischen Teilchen mit höchster Effizienz und Präzision. „Der grundlegende Prozess ist dem, der in herkömmlichen Foto- oder Videokameras abläuft, sehr ähnlich“, erklärt Dr. Jelena Ninkovic, Leiterin des HLL. „Jedoch ist das primäre Signal beim Nachweis von einzelnen Photonen oder Teilchen sehr viel kleiner.“
Hier kommt der Vorteil des DEPFET zum Tragen: Das sehr kleine primäre Signal wird in dem Sensor selbst verstärkt. Der DEPFET ist somit das Sensormaterial und die erste Verstärkerstufe in Einem. Durch die Anordnung vieler DEPFETs zu einer Matrix entsteht ein Bildsensor, mit dem man den Entstehungsort eines Teilchens genau bestimmen kann. „In unserem Fall geschieht das mit einer Genauigkeit von etwa einem Hundertstel eines Millimeters“, so Ninkovic weiter.
Die Ansteuerung der Pixel in einer Matrix und die schnelle Verarbeitung des DEPFET-Signals erfordert zusätzliche Elektronik, die in Kollaboration mit deutschen Universitäten entstanden ist. Diese Elektronik wird in Form von anwenderspezifischen Schaltkreisen (ASICs) direkt auf das Sensorsubstrat aufgebracht. Mit den ASICs lassen sich die Signale der Pixelmatrix digitalisieren und die Datenmenge verlustfrei reduzieren, um sie in höchster Geschwindigkeit (50.000 Bilder pro Sekunde) zu übertragen.
Die DEPFET-Matrix wird dadurch zu einem sehr komplexen Modul mit maximaler Integrationsdichte, das trotz aller Komplexität extrem dünn und leicht ist, um die Messung der Teilchenspuren nicht durch das Sensormaterial selbst zu verfälschen.
Das HLL hat dafür eine einzigartige Technologie entwickelt. Sie erlaubt es, extrem dünne und hoch integrierte Sensormodule herzustellen. Der sensitive Teil des Moduls, die DEPFET-Matrix, wird dabei durch angepasste Ätzverfahren auf 75 Mikrometer verdünnt, was der Dicke eines menschlichen Haares entspricht.
Diese an sich biegsame „Folie“ aus Silizium wird durch einen monolithisch integrierten Rahmen unterstützt, auf dem die Auslese- und Steuerelektronik aufgebracht ist. Die Spannungsversorgung und die Datenleitungen laufen über ein flexibles Flachbandkabel, das am Ende des Moduls angebracht ist.
Die HLL-Technologie erlaubt es, die dünnen DEPFET-Matrizen zylinderförmig ohne jede weitere Unterstützung um den Wechselwirkungspunkt des Experiments anzuordnen. Die hochpräzise Messung von Teilchenspuren wird damit zur Realität.