Konnektivitätskonzepte für die Cloud in der Produktionsautomatisierung Strategischer Vorteil: Daten für den digitalen Wettbewerb nutzen

Bild: iStock, kentoh
21.02.2018

Ein Hauptnutzen des IIoT liegt in der Sammlung und Auswertung der Daten aus der Feldebene mit geeigneten Systemen und Algorithmen. Um jedoch neue Zusammenhänge zu erschließen, müssen möglichst viele Daten in die Cloud übermittelt werden, bei minimalem Umrüstaufwand für Bestandsanlagen. Erst dann lassen sich auch strategische Wettbewerbsvorteile erarbeiten.

Die direkte Verbindung von Sensoren und Cloud scheitert zumeist daran, dass die überwiegende Zahl an Feldgeräten keine geeigneten Kommunikationseigenschaften besitzen. Für einen Anschluss an das IIoT müssen gewisse Übertragungsparameter eingestellt werden können, die zum einen den semantischen Kontext bestimmen, zum anderen die konkrete Kommunikation bestimmen. Für die Semantik wird eine maschinenlesbare Beschreibung des Sensors und seiner Datenpunkte benötigt, um auf Cloud-Ebene die übertragenen Werte nicht zu erhalten, sondern auch interpretieren zu können. So muss neben dem Aktualwert eine Beschreibung geliefert werden, um welches Gerät in welchem Anlagenabschnitt es sich handelt, sowie der Sensortyp, sein Wertebereich, Abtastrate und vieles mehr. Für die Kommunikation werden Zieladressen, Übertragungshäufigkeit und vieles mehr benötigt. Da es in diesem Fall eine Verbindung zwischen Sensor und Cloud gibt, sind auch gewisse Sicherheitsmerkmale erforderlich. Typische Sensorprotokolle wie die 4-20mA Stromschnittstelle können diese Anforderungen bei weitem nicht erfüllen.

SPS als Aggregationsebene

Bei Bestandsinstallationen macht es deshalb Sinn, auf die nächst höhere Aggregationsebene zuzugreifen; in der Regel wird dies eine SPS sein. Die vorhandene Sensorik ist in aller Regel vollständig an die angebunden, da dort ja die unterste Ebene der Verknüpfung und Verarbeitung erfolgt. Zudem bietet die SPS über ihr Engineering auch eine gewisse semantische Beschreibung an. Alle Daten verfügen dort über einen definierten Datentyp und meist über einen symbolischen Namen, der durch die Eingliederung in Datenbausteine auch einen Objektcharakter bietet. Außerdem verfügen der Sensor und die SPS selbst meist über logische Namen oder ein Ortskennzeichen, die die Zuordnung der Werte zu ihrem Anlagenkontext vereinfachen.

Um nun die Daten von der SPS zur Cloud zu transportieren, werden sogenannte IIoT-Gateways eingesetzt, wie zum Beispiel der RX1400 von Siemens. Derartige Geräte führen eine spezielle Kommunikationssoftware aus, die die gewünschten Daten aus der SPS zyklisch abfragen und an die Cloud transportieren. Der große Vorteil dieser Lösung ist es, dass die bestehende Automatisierungslösung nicht verändert werden muss. Hinzu kommt bei RX1400 die freie Programmierbarkeit, die es Systemhäusern mit Linux-Knowhow ermöglicht, eigene Protokolle oder Verarbeitungs­algorithmen einzubringen.

Nutzung des Prozess-Kontextes

Um jedoch auch den Ablaufkontext einer SPS zu nutzen, ist eine intrinsische Cloud-Fähigkeit der SPS wichtig, das heißt die Fähigkeit des SPS-Systems, selbst die gewünschten Informationen an die Cloud zu schicken. So kann beispielsweise eine Maschine im Standby-Modus laufen, so dass die aufgenommenen Temperaturwerte eigentlich uninteressant sind. Einer reinen Gateway-Lösung fehlt jedoch diese Information, so dass sie trotzdem im vorgegebenen Zyklus die Sensordaten überträgt – es entsteht ein Datenrauschen ohne Nutzinformationen. Auch kann bei einer intrinsischen Kommunikation die Übertragungshäufigkeit an den aktuellen Programmablauf angepasst werden. Werden dann noch spezielle Kommunikationsmodule in der SPS eingesetzt, werden auch die Anforderungen an die Security über Firewall-Mechanismen und eine strikte Netzwerktrennung erfüllt.

Wie kann eine solche Lösung in der Praxis aussehen? In einer Maschine werden dezentrale Peripheriemodule Simatic ET200SP eingesetzt, an die die Sensoren für Temperatur, Vibration usw. angeschlossen sind. Auch ein optischer Codereader wie die Simatic MV440 fehlt nicht, um das jeweilige Werkstück über einen Datamatrix-Code zu identifizieren. Als übergeordnete Station dient eine Simatic S7-1500, die die dezentral angebundenen Sensorwerte in ihrem Prozessabbild für den SPS-Programmierer bereithält. Die Kommunikation mit Siemens MindSphere erfolgt über spezielle Bausteine, die MindConnect FB. Durch eine geeignete Einbindung in das SPS-Programm kann eine Steuerung der Kommunikation realisiert werden. Zur Netzwerkanbindung wird ein Kommunikationsprozessor CP1543-1 verwendet, der die Daten über einen speziellen Netzwerkstrang überträgt. Der Vorteil: Das Automatisierungsnetzwerk und auch die SPS bleiben von Angriffen zuverlässig geschützt.

Die Anwendung für eine solche Konfiguration ist beispielsweise die Sammlung und Auswertung von Qualitätsdaten. An einzelnen Bearbeitungsstationen werden Qualitätsdaten erfasst und zur Steuerung des jeweiligen Produktionsschrittes genutzt. Gleichzeitig werden diese Qualitätsparameter zusammen mit der eindeutigen Produktkennung im Datamatrix-Code an die Cloud geschickt, die nun übergeordnete Analysen vornehmen und Korrelationen zu allen denkbaren Informationen überprüfen kann, die weit über den Kontext der eigentlichen Bearbeitungsmaschine hinausgehen – bis hin zur Auswertung der Prüfprotokolle von Lieferanten. Für das Qualitätsmanagement eröffnen sich damit völlig neue Möglichkeiten.

Schrittweise Digitalisierung

Damit Unternehmen eigene Wettbewerbsvorteile aus entwickeln können, empfiehlt sich eine schrittweise Herangehensweise. Einerseits sollte in kleinen Pilotprojekten die eigene Lösungsarchitektur skizziert und erprobt werden. Dabei ist vor allem das Datenmodell möglichst kompromisslos zu gestalten, um es später auf einen ganzen Betrieb oder sogar standortübergreifend skalieren zu können. Andererseits sollten bereits frühzeitig der Blick auf die passenden Netzwerkstrukturen für die industrielle Kommunikation gelenkt werden. Ein modernes Industrienetzwerk ist nicht nur performant und hoch verfügbar, sondern auch ausreichend flexibel, um heutige und künftige IIoT-Lösungen zu unterstützen. Vereinfacht gesagt – wer Daten transportieren will, muss sich auch um die geeignete Datenautobahn kümmern.

Schließlich empfiehlt es sich, einen Technologiepartner zu gewinnen, um das Rad selbst nicht neu erfinden zu müssen. Firmen wie Siemens bieten ein umfassendes Portfolio an Komponenten und Systemen, verfügen aber auch über das Know-how, neue Lösungen daraus zu generieren. So bekommen Kunden Servicedienstleistungen je nach Bedarf, um Netzwerkinfrastrukturen zu analysieren, zu planen und zu realisieren sowie das eigene Personal zu schulen und zu zertifizieren. In einem konkreten Beispielprojekt hat Siemens gemeinsam mit Würth Industrie Service ein RFID-gestütztes e-Kanban-System entwickelt, das nicht nur eine zielgerichtetere Versorgung der Würth-Kunden mit sogenannten C-Teilen sicherstellt, sondern Würth auch ein erneuertes, digitales Geschäftsmodell ermöglicht. Durch diese strategische Innovation sieht sich Würth optimal für die Zukunft aufgestellt; auch in Zeiten der digitalen Disruption.

Bildergalerie

  • Typische Konfigurationen zur Cloud-Konnektivität nutzen die SPS als Aggregationsstufe (links) oder spezielle IIoT-Gateways (rechts).

    Typische Konfigurationen zur Cloud-Konnektivität nutzen die SPS als Aggregationsstufe (links) oder spezielle IIoT-Gateways (rechts).

    Bild: Siemens

  • Das IIoT-Gateway RX1400 von Siemens kann durch freie Programmierung an beliebige Protokolle und Anforderungen angepasst werden.

    Das IIoT-Gateway RX1400 von Siemens kann durch freie Programmierung an beliebige Protokolle und Anforderungen angepasst werden.

    Bild: Siemens

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