Fast-Ethernet-Verfahren Datentransfer im Nanosekundentakt

HS Kairo kann durch transparente Objekte aller Art senden und empfangen. Das System nutzt bei der Master- und Slave-Schnittstelle blaues und rotes Licht.

Bild: Hoerbiger
25.09.2018

Ein neu entwickeltes Übertragungssystem sorgt dafür, dass große Datenmengen drahtlos und schnell mit Hilfe von Lichtsignalen übertragen werden können. Das System setzt dabei nicht auf Funktechnik, sondern auf LED-Lichtsignale in blauer und roter Farbe.

Für eine effiziente Serienfertigung und Logistik ist die schnelle und sichere Datenübertragung entscheidend. Bei der Bandfertigung von Automobilen etwa fallen große Datenmengen an, die von Montagestation zu Montagestation weiter gegeben werden müssen. Sie sind mit dem Datenvolumen von Filmen in hoher Auflösung vergleichbar. Stockt der Datenfluss, steht die gesamte Produktion.

WLAN-Systeme stoßen in diesem Umfeld schnell an ihre Grenzen – sowohl bei Übertragungsraten als auch den zu überbrückenden Distanzen oder den Sicherheitsstandards. Um dieses Problem sicher zu lösen, hat Hoerbiger Elektronik HS Kairo entwickelt und zur Marktreife geführt. Dabei handelt es sich um ein Freiraumdatenübertragungssystem auf Basis von sichtbarem Licht. Es wird bereits erfolgreich in der Automobilfertigung eingesetzt und soll künftig auch in der Logistikbranche, der Bahntechnik und der Chemieindustrie zur Anwendung kommen.

Kabelersatz für digitale Daten

HS Kairo überträgt die Datenpakete mit modernster LED-Technik im freien Raum. Im Vergleich zu Kommunikationssystemen auf Basis von Lasern, die häufig zur Vernetzung von Gebäuden eingesetzt werden, sind keine Zertifizierungen nach Laserschutzklassen notwendig. Eine Feinjustierung der Geräte entfällt und auch die Kosten sind um ein Vielfaches geringer als bei lasergestützten Systemen.

Die Informationsübertragung erfolgt durch LED-Lichtsignale in blauer und roter Farbe. Die Daten werden nach dem Fast-Ethernet-Verfahren übermittelt – bis zu 100 Megabit pro Sekunde. Die maximale Reichweite der Datenübertragung beträgt 30 Meter. Die Verwendung von zwei verschiedenen Wellenlängen für die Kommunikation ermöglicht den Vollduplexbetrieb. Die Informationen lassen sich über einen kompletten Winkel von 90 Grad senden und empfangen. Dies eröffnet neue Einsatzgebiete.

Einsatz in der Automobilindustrie

Ausgangspunkt für die Entwicklung des HS Kairo waren die Anforderungen an die Datenübertragung bei Prüf- und Diagnosesystemen in der Automobilindustrie. Über lange Zeit konnte die Datenübertragung via WLAN abgewickelt werden. Für die heute üblichen Datenmengen ist WLAN allerdings nicht mehr der beste und schnellste Übertragungsweg.

Der Grund: Bei Personenwagen, Nutzfahrzeugen und Landmaschinen muss die Funktion der gesamten Fahrzeug­elektronik mit speziell entwickelten Systemen geprüft werden. So sind in modernen Fahrzeugen weit über 100 elektronische Steuergeräte zur Motoren- und Bremsensteuerung sowie zur Steuerung von Zusatzaggregaten wie Klimaanlagen oder Fensterhebern verbaut. Die Software dieser Steuergeräte muss in jedem Fahrzeug verifiziert und unter Umständen neu aufgespielt werden. Dennoch darf dieser hochkomplexe Prüfvorgang nur wenige Minuten dauern.

Wireless-LAN stößt bei diesen Anforderungen schnell an Grenzen: Je mehr Datenpakete gleichzeitig über die Funkstrecke übertragen werden, desto langsamer wird der Transfer der Daten. Zudem erfordert die permanente Bewegung des Prüfobjekts entweder sehr große WLAN-Netze mit vielen Repeatern oder einen ständigen stationsübergreifenden Wechsel des Netzwerks.

Um das Problem zu lösen, wurde von Hoerbiger in einem ersten Schritt Infrarot-Licht zur Übertragung der Botschaften zwischen dem Auto und dem Prüf-PC verwendet. Nachdem die Automobilindustrie aber zunehmend infrarotgedämmte und beheizbare Windschutzscheiben einsetzt, die Infrarotwellen nicht durchlassen, wurde eine Weiterentwicklung der Datenübertragung durch Licht erforderlich.

Lichtsignale in Rot und Blau

Die Ingenieure von Hoerbiger begegneten der Herausforderung mit sichtbarem Licht. Eine Autoscheibe wird sichtbares Licht niemals filtern. Insbesondere Blaulicht oder die Signalfarben rot, gelb und grün müssen immer zu erkennen sein, da diese von Ampeln, Polizei und Feuerwehr genutzt werden.

Weil Rot und Blau darüber hinaus Farben mit einer deutlich unterscheidbaren Wellenlänge sind, werden bei der Datenübertragung Störungen durch an der Scheibe reflektiertes Licht ausgeschlossen. Mithilfe einer Steuerelektronik kann Hoerbiger das Licht im Takt von zwei Nanosekunden ein- und ausschalten. Bei der Übertragung sehr hoher Datenmengen blinkt es nicht mehr: Das menschliche Auge kann die hohe Signalfrequenz schlichtweg nicht mehr verarbeiten.

Sichtbares Licht so schnell wie Fast-Ethernet

Hoerbiger ist nach eigenen Angaben das erste Unternehmen, das mit sichtbarem Licht die Performance eines Fast-Ethernet-Datenkabels erreicht. Dabei werden Daten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde übertragen. Durch die Verwendung zweier verschiedener Farben wird der Vollduplex-­Betrieb sichergestellt.

HS Kairo ist damit in vielfacher Hinsicht eine Alternative zu verkabelten Netzwerken und WLAN-Systemen. Das System wird bereits bei zahlreichen namhaften Automobilproduzenten in Deutschland sowie darüber hinaus, zunehmend im europäischen Ausland sowie in Amerika eingesetzt. Es hat das Potential, sich über Anwendungen in der Automobilindustrie hinaus auch in anderen Branchen zu etablieren: Immer dann, wenn hohe Datenmengen an einem Standort transportiert werden müssen.

Einsatz in Logistik und Krankenhäusern

Ein Beispiel sind Unternehmen der Logistikbranche. Diese stehen bei der Datenübertagung vor ähnlichen Herausforderungen wie die Automobilindustrie. Denn in diesen Firmen gibt es sehr große Datenmengen, viele Netze und viel Bewegung. Denkbar ist außerdem ein Einsatz in Krankenhäusern und Kliniken. Insbesondere in sensiblen Bereichen, wie beispielsweise Operationssälen, ist WLAN untersagt, da Funk­übertragungen die empfindliche Medizintechnik unter Umständen stören könnten. Über Licht hingegen lassen sich nicht nur Informationen auf einen Bildschirm übertragen, sondern auch der Operationstisch und die Medizinroboter können auf diese Weise gesteuert werden.

HS Kairo kann überall verwendet werden, wo Kabel einer hohen mechanischen Belastung durch ständiges Biegen ausgesetzt sind. Etwa bei Hochgeschwindigkeitszügen, bei denen ein zentraler Internet-Empfänger ein zuginternes Netzwerk speist. Die Wagons sind mit Kabeln verbunden, die durch die hohe mechanische Belastung regelmäßig brechen und ausgetauscht werden müssen. Hier könnte eine Datenübertragung via Licht Abhilfe schaffen.

Bildergalerie

  • Die maximale Übertragungsstrecke bei HS Kairo beträgt 30 Meter. Sie hängt von dem Winkel ab, in dem Master (HS Kairo Master) und Slave (HS Kairo Slave) zueinanderstehen.

    Die maximale Übertragungsstrecke bei HS Kairo beträgt 30 Meter. Sie hängt von dem Winkel ab, in dem Master (HS Kairo Master) und Slave (HS Kairo Slave) zueinanderstehen.

    Bild: Hoerbiger

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