Wie Deutschlands energieintensive Volkswirtschaft zum Gelingen der Energiewende beitragen und dennoch auf dem internationalen Markt bestehen kann, erklärt Dr. Georg Schütte, Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Dieser betonte am 23. Mai 2017 im Rahmen des Zukunftskongresses Energieoffensive 2030: „Die einfachen Potenziale bei der Energiewende sind gehoben, jetzt müssen wir uns den komplexeren technologischen Herausforderungen zuwenden.“
Dies geschieht unter anderem mit dem Kopernikus-Projekt SynErgie, das vom BMBF mit insgesamt 10 Millionen Euro in den ersten drei Jahren finanziert wird. Prof. Eberhard Abele, Leiter von SynErgie und Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik, ist sich sicher: „Wenn wir den Energiebedarf der Industrie mit dem bekanntermaßen schwankenden Angebot erneuerbarer Energien synchronisieren, sind drastische Einsparungen sowie Steigerungen der Effizienz möglich – und das bei sinkendem CO2-Ausstoß.“
Wo stecken die Synergien?
Dass Sonne, Wind und andere erneuerbare Energien nicht gleichmäßig verfügbar sind, ist bekannt. Ebenso, dass Energiespeicher diese Schwankungen im Angebot derzeit nicht ausgleichen können. Mit Blick auf den stetig steigenden Anteil der Erneuerbaren im Stromsektor ist es also für die Industrie eine Notwendigkeit, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. Das gilt insbesondere für energieintensive Branchen, zu denen auch viele Kunden der international bekannten deutschen Werkzeugmaschinenindustrie und der Maschinenbau zählen.
Zwar ist der Stromverbrauch einzelner Anlagen in metallverarbeitenden Betrieben nicht extrem hoch, doch auch hier gibt es eine große Anzahl elektrisch getriebener energieintensiven, wie etwa Härteöfen oder leistungsstarken Kompressoren. „Wenn wir Unternehmen nur dazu bringen, diese Anlagen in einem bestimmten Rhythmus einzuschalten, der dem momentanen Angebot an Strom angepasst ist, lässt sich enorm viel Energie sparen, weil vorübergehende Stromüberschüsse nicht verloren gehen“, erläutert Abele. „Vielmehr wird die Produktion auf Zeiten eines hohen Stromangebotes verlegt, was die Stromnetze entlastet.“
Interdisziplinärer Ansatz ist essentiell
Mehr als 80 Partner aus Forschung, Industrie und gesellschaftlichen Organisationen haben sich für SynErgie zusammengetan. Nicht nur die Größe dieses Konsortiums ist ungewöhnlich, es deckt mit seiner Vielzahl energieintensiver Branchen auch die deutsche Industrielandschaft ab. „In jeder Branche wurden Potenziale gefunden, die elektrische Leistung innerhalb der Fabrik zu verschieben. Mit SynErgie wollen wir nun einen allgemeingültigen Ansatz für Flexibilisierungsmaßnahmen schaffen“, sagt Abele.
Das Ziel von SynErgie ist laut des Darmstädter Produktionstechniker jedoch nicht nur, die ökonomisch besten Lösungen zu finden, sondern auch die sinnvollsten für die Gesellschaft. Es müssen also zugleich sinnvolle Arbeitszeit- oder Entkopplungsmodelle für Bediener und Anlage geschaffen werden, um eine breite gesellschaftliche Akzeptanz zu garantieren.
Der Vorreiter Deutschland
In dem auf zehn Jahre angelegten Forschungsprojekt werden die Akteure zunächst den Stand der Dinge analysieren:
Wieviel Flexibilisierungspotenzial bezüglich des Stromverbrauchs besteht?
Wie können Branchen und Regionen dazu bewegt werden, diese Potenziale zu nutzen?
Lässt sich mancherorts der Netzausbau vermeiden?
Eine Pilotanlage und Demonstratoren sollen letztendlich die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis testen und veranschaulichen. Doch Abele hat eine noch weitreichendere Vision: „Deutschland ist Vorreiter in der Energiewende, doch über kurz oder lang werden andere Länder ähnliche Probleme haben wie wir heute. Von daher ist es eine große Chance, wenn wir unsere Lösungen zur Flexibilisierung, dem so genannten Demand-Side-Management, anbieten können. Da tun sich globale Exportchancen für Software, Regelungstechnik und Beratungsdienstleistungen auf – womit Deutschland seine Vorreiterrolle weiter ausbauen könnte.“