Wie setzt man eine Kollaboration von Mensch und Roboter so um, dass sie sich wirtschaftlich auch wirklich rentiert? Henning Borkelohe von Kuka Systems hat die Antwort: „Mit Geschwindigkeit!“ Die Rede ist nicht davon, ob der kollaborative Roboter schnell oder langsam agiert. Sondern ob er sich der Geschwindigkeit seines langsameren Kollegen anpassen kann. Denn wenn Mensch und Roboter Hand-in-Hand arbeiten, muss der Roboter genauso schnell oder langsam sein, wie es der Arbeitsschritt des Werkers und seine momentane sich über die Arbeitszeit verändernde Konstitution und Aufmerksamkeit erfordert. Einen Roboter so zu programmieren, dass er sich der veränderlichen Taktzeit von Menschen anpasst, ist eine wahre Herausforderung für das Engineering. Daher ist Matthias Krinke, Geschäftsführender Gesellschafter von pi4_robotics, auch der Ansicht, dass Gespräche um die Mensch-Roboter-Kollaboration Elfenbeindiskussionen wären.
Neben der Taktzeit ist auch der Preis eine entscheidende Komponente. MRK-fähige Roboter sind teuer, gerade Kuka hat hier Maßstäbe gesetzt. „Doch“, erklärt Borkelohe, „darf man nicht nur an den Anschaffungspreis und seinen Ersteinsatz denken. Anwender dürfen nicht vergessen, dass bei der flexiblen Produktion umprogrammiert und umgebaut werden muss.“ Da alle Hersteller kollaborativer Roboter versprechen, dass ihre Produkte einfach zu teachen sind, könnte das künftig Geld sparen.
Es war die zweite Fachkonferenz des VDI Wissensforums zum Thema Assistenzroboter in der Produktion. Ihr Schwerpunkt: Mensch-Roboter-Kollaboration im Industriealltag. Um Erfahrungen auszutauschen trafen sich Hersteller, Systemintegratoren und Anwender in München. Recht friedlich ging es unter den Herstellern zu, die doch eigentlich im steten Wettbewerb stehen. So stand man zum Mittagessen gemeinsam an Stehtischen und tauschte sich über Technik, Anwendungen und Lösungsmöglichkeiten aus. Eine Erklärung dafür lieferte Borkelohe: Jeder Roboter hätte seine Anwendung, so dass sich die die Hersteller gar nicht in einem echten Konkurrenzverhältnis befänden.
Warum ein Zweiarmroboter?
Mit einer kleinen Demonstration veranschaulicht Carsten Busch aus der Entwicklungsabteilung von ABB, warum ein Zweiarmroboter sinnvoll ist: Er zeigte, wie schwierig es ist mit nur einer Hand eine Saftflasche zu öffnen. Nun kann der Yumi mit seinen insgesamt 14 Achsen seine beiden Arme auch wie ein Mensch bewegen, unabhängig voneinander – und damit verschiedene Krümmungen annehmen. Inklusive der hauseigenen Servohände koste der Yumi 50 000 Euro, verrät Busch. Im Gegensatz zu seinen Kollegen besitzt der Zweiarm von Yaskawa 15 Achsen: Wie üblich je sieben pro Arm. Aber zusätzlich kann er seinen Kopf inklusive der Arme drehen, womit er flexibler ist. Jeder seiner Arme kann 20 kg tragen.
Auch die Roboter von pi4_robotics können sich drehen, allerdings um 360°. Zudem ist ihr Gesicht ein Interface, das unter anderem für die Qualitätskontrolle genutzt wird: die emoticon-artigen Gesichtszüge lächeln, falls das geprüfte Produkt gut ist und schauen traurig bis grimmig, wenn es die Prüfung nicht bestanden hat. Als nette Idee des Unternehmens, dürfen Anwender ihren Robotern einen Namen geben. Aber Vorsicht: Sie stellen männliche und weibliche Roboter her. Die Komplettlösung APAS assistant kam sowohl bei Vortragenden als auch bei Zuhörern gut an. Seine schwarze Sensorhaut und die Sicherheits-Laser überwachen den Arbeitsraum des Roboterarms. Ist in diesem kein Mensch, fährt der Arm mit erhöhter Geschwindigkeit. Kalibriert wird der Roboter über eine Kamera. Doch trotz der Kamera ist er nicht für Griff-in-die-Kiste-Anwendungen geeignet. Komplett kostet der Roboter 85 000 Euro.
Die Abstimmung zur allgegenwärtigen Aussage, dass Assistenzroboter dem Werker lediglich assistieren, ihn vor körperlichen Schäden bewahren und ihm nicht die Arbeit wegnehmen, hat Krinke ignoriert. Denn in giftgrünen Turnschuhen und passendem Hemd kommt von ihm ein ehrliches: „Man braucht eigentlich keinen Menschen mehr“. Wofür auf jeden Fall noch Menschen notwendig sind und auch weiterhin sein werden, sind Weiterentwicklungen, Sicherheitsvorkehrungen und Standardisierungen. So wird gerade in einem internationalen Gremium an einer zeitgerechten Variante der ISO/TS 15066 gearbeitet. Damit auch eine zaunfreie Zusammenarbeit mit Robotern möglich ist, soll die neue Norm bereits dieses Jahr erscheinen. Wie komplex die Normgebungsverfahren im Bereich Robotik sind, erklärte Gurvinder Singh Virk, Professor für Robotik an der schwedischen Universität von Gävele und der KTH (Königlich Technische Hochschule) sowie Vorsitzender verschiedener Normungsgremien. Unter anderem sei es wichtig die Roboter zu kategorisieren, da an industrielle Assistenten ganz andere Forderungen gestellt werden als an Service-Roboter. Bei der neuen Variante der ISO 15066 soll nicht mehr die Geschwindigkeit des Roboters ausschlaggebend sein, sondern die Kräfte, die auf den Menschen wirken. „Zur Zeit sind jedoch die Herausforderungen, dass eine Risikobewertung sich durch das Umteachen ändern kann“, erklärt Matthias Fritz, Technischer Leiter bei Fanuc. Allerdings sei eine Risikobewertung nicht zwingend notwendig – noch nicht.
Greifer
Auch an Greifer werden neue Anforderungen bezüglich ihrer Sicherheit gestellt. Denn gerade bei Anreichungen eines Werkzeugs oder Produktionsmittels, können diese den kollaborierenden Menschen verletzten. Einige Hersteller haben sich auf taktile Sensorik spezialisiert, um Menschen vor Greifern zu schützen. Diese Systeme bilden den menschlichen Tastsinn nach, spüren also Berührungen. Die Firma TakkTile beispielsweise hat in Gummi vergossene Drucksensoren an Greifer installiert, was letztere jedoch recht schwer macht. Auch Schunk arbeitet mit taktiler Technik. Die Greifer des APAS assistant von Robert Bosch hingegen, sind mit einem Einklemmschutz versehen, der im richtigen Moment einen Nothalt auslöst. Zusätzlich können sie mit einer Sensorhaut überzogen werden.
Sicherheitssensorik
Michael Zillich, CTO bei Blue Danube Robotics stellte verschiedene Lösungen für die Sicherheitssensorik an einem MRK-fähigen Roboter vor. Ein Klassiker sind Näherungssensoren. Aber wie bei den Greifern setzten sich auch für den Kompletten Roboter taktile Sensoren durch. Zum Beispiel eignen sich die piezo-kapazitiven Sensoren des Forschungsprojekts RoboSkin für 3D-Flächen, ebenso CellularSkin der TU München. Die piezoresistiven Sensoren vom Fraunhofer IFF findet man beispielsweise am LBR iiwa von Kuka und am UR5 von Universal Robotics. Das auf Assistenzrobotik spezialisierte Unternehmen Blue Danube nutzt AirSkin, ein Drucksensor in einem Schaumstoffpad mit luftdichter Umhüllung. Durch den Schaumstoff ist die Hülle in Form und Größe beliebig anpassbar, ebenso können die Druckstärken verschieden eingestellt werden. „Falls es bei einem Roboter die Kinematik behindern sollte, werden die Elemente umdesignt“, verspricht Zillich.
ABB geht nicht den Weg der Sensorik, eröffnet Busch seinen Vortrag. Der YuMi wäre inherent sicher, seine Arme durch Magnesiumleichtbau sehr leicht. Sowohl die Gelenke als auch das Werkzeug des Zweiarmroboters sind Geschwindigkeitskontrolliert und mit Kollisionserkennung, die den Roboter im Fall einer Berührung sofort anhält. Selbst in diesem Zustand sei der Roboter noch beweglich, ein Mensch wäre also nicht in seinen Armen gefangen. Aber vielleicht ist das alles überflüssig. Ingolf Braune von Sick zeigte anschaulich, dass nach der geltenden Betriebssicherheitsordnung der Arbeitsraum von Mensch und Roboter immer getrennt sein sollte, um eine psychische Belastung des Werkers auszuschließen. Eine mögliche Lösung wäre eine TCP-nahe Sensorik, doch gilt selbst hier, dass ein Roboter einen Menschen nicht berühren sollte.