A&D:
Sind Motoren und Getriebe inzwischen zu austauschbar geworden?
Just:
Bezüglich Flanschen und Abtriebswellen sicherlich, aber nicht im ‚Innenleben’. Hier zählen weiterhin harte Fakten wie erreichbare technische Daten, Produktionstechnologien und eingesetzte Materialien. Aber wir können und wollen auf der Automatisierungspyramide weiter nach oben wachsen, zumal viele Kunden von uns ein Komplettpaket erwarten.
Avancieren damit Motion Control und Steuerungen zu einem strategischen Hauptgeschäft - auch im Kontext von Industrie 4.0?
Lösungen im Themenumfeld Industrie 4.0 sind für uns absolut strategisch wichtig. Das sieht man auch an den Ressourcen, die wir in diesen Bereich investieren. Motion Control, Steuerungen und die dazugehörigen Softwarelösungen sind hierbei ein, wenn nicht der Schlüsselfaktor zum Erfolg. Die Kunst besteht dabei, unser Kerngeschäft mit klassischen Antriebslösungen nicht zu vernachlässigen und weiter auszubauen.
Wird SEW-Eurodrive zu einem Maschinenbauer, der zusammen mit dem Kunden von der Vernetzung bis hin zur Visualisierung alles betreut?
Grundsätzlich ist SEW-Eurodrive kein Maschinenbauer und wir haben auch nicht die Intention, es zu werden. Unser Hauptziel ist es, Komponenten und Lösungen zu bieten, mit denen unsere Kunden ihre Maschinen automatisieren können. Gleichzeitig bieten wir aber auch die Möglichkeit, durch One-Stop-Shopping möglichst alles aus einer Hand zur Verfügung zu stellen. Dafür achten wir darauf, dass die Produkte aufeinander abgestimmt sind, damit unser Kunde möglichst einfach automatisieren kann. Die Unterstützung und den Support, den wir leisten, halten wir über den kompletten Lebenszyklus der mit unseren Komponenten und Lösungen ausgerüsteten Maschinen und Anlagen aufrecht. Dafür ist SEW-Eurodrive bekannt, das ist eine ihrer Hauptstärken!
Ein zentrales Element Ihrer Automatisierungslösungen ist die Movi-PLC. Was lässt sich damit neben Motion Control alles erledigen?
Gerade in komplexeren Mehrachsapplikationen bietet unser zentral gerechneter Ansatz mit der Movi-PLC einen großen Vorteil. Durch die zentrale Lagesollwertvorgabe wissen wir immer, wo sich jede Achse befindet. Dadurch lassen sich sehr einfach im Betrieb Maschinengeschwindigkeiten verändern oder Rezepte umschalten. Zusätzlich bieten wir die Movi-PLC skalierbar in verschiedenen Leistungsklassen an. Unser Zugpferd, die Movi-PLC Power, kann neben Motion-Control-Anwendungen die ganze Anlage steuern. Eine übergelagerte SPS ist nicht mehr notwendig. Zusätzlich lässt sich die Engineering- und Visualisierungssoftware in einem separaten Kern integrieren.
SEW-Eurodrive bietet neben der Movi-PLC weitere Motion-Control-Lösungen. Wann braucht es was?
Movi-PLC-Steuerungen übertragen je nach Anwendungsfall deterministisch Lage-, Drehzahl- oder Drehmomentinformationen. Diese Daten werden dann von unterschiedlichen Servo- und Umrichtertypen im SEW-Portfolio wie Moviaxis, Movidrive B oder Movitrac eingelesen und in kaskadierten Regelkreisen verarbeitet. Zusammen mit dem Kunden wählen wir immer die passende Lösung für den jeweiligen Anwendungsfall aus. Durch unsere Produktvielfalt können wir das optimale Paket schnüren.
Viele Achsen und Bewegungen zu koordinieren, erfordert eine aufwendige Programmierung. Wie können Sie diese erleichtern?
Hier unterstützen wir unsere Kunden durch einen flexiblen und offenen Ansatz mit der Movi-PLC. Das Anwenderprogramm, erstellt auf Basis des IEC-61131-Standards wird umrahmt mit unserer universellen parametrierbaren Softwareplattform ‚Multimotion’ für Motion Control. Damit lassen sich mit wenig Aufwand komplexe Kurvenscheiben oder Synchronlaufapplikationen umsetzen. Zusätzlich bietet es eine einfache und parametrierbare Achskonfiguration und einen leistungsfähigen graphisch unterstützten Monitor- und Steuerbetrieb.
Heißt das, Anwender können selbst ohne Programmierkenntnisse die Bewegungssteuerung realisieren?
Neben den flexiblen Programmiermöglichkeiten mit dem IEC-61131-Standard unterstützen wir unsere Kunden zusätzlich durch eine rein parametrierbare Plattform ‚Configurable Control Unit’. Das sind fertige Applikationslösungen, zum Beispiel für einen Palettierroboter oder eine Querschneideapplikation. Der Kunde muss nicht mehr selbst programmieren, sondern kann das Ganze einfach parametrieren. Gerade Anwender, die nicht in die Tiefen der IEC-61131-Programmierung eintauchen möchten, oder Kunden, die aufgrund von Endkundenvorschriften unterschiedliche Anlagensteuerungen einsetzen müssen, lieben diesen Ansatz.
Und welche Möglichkeiten gibt es, komplexe Abläufe zu simulieren?
Standardmäßig haben wir zum Beispiel über 50 unterschiedliche Kinematiken direkt in unserem System verfügbar. Dem Kunden bieten wir hierfür ein eigens entwickeltes Simulationsprogramm, um den Ablauf vorab und offline testen zu können. Einen großen Vorteil sehen wir darin, dass wir die Eingaben im Simulationstool danach direkt im realen Anwenderprogramm nutzen können.
Wie sieht es eigentlich mit der Einbindung von Antrieben anderer Hersteller aus?
Unsere Automatisierungslösung rund um die Movi-PLC ist sehr flexibel ausgelegt, entsprechend lassen sich auch Antriebe und Motoren anderer Hersteller mit etwas Anpassung einbinden. Komfortabler geht es durch die hohe Integration mit der Multimotion-Software an unsere Antriebsreihen natürlich mit den eigenen Produkten.
Wo geht denn die Reise hin bei Ihren Automatisierungslösungen?
SEW-Eurodrive steht für Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus seiner Produkte. Das wird von den Kunden sehr geschätzt, bringt aber auch einige Schwierigkeiten mit sich. Das heißt, wir müssen viele ‚alte Zöpfe’ mitziehen. Mit dem neuen Automatisierungsbaukasten Movi-C, den wir über die nächsten Monate und Jahre kontinuierlich ausbauen werden, machen wir einen Schnitt, ohne unser bestehendes Produktportfolio zu vernachlässigen, geschweige denn abzukündigen. Mit Movi-C gehen wir stark in Richtung Engineering-Support und Skalierbarkeit.
Sie vertiefen also die Modularität und Durchgängigkeit?
Exakt! Ein wichtiger Punkt ist, dass wir dem Kunden mehr und mehr Komplettlösungen und eine sehr große Durchgängigkeit bieten wollen. In den ersten Ausbaustufen beginnen wir mit einem neuen modularen Mehrachssystem Movidrive modular und den dazugehörigen Controllern Movi-C. Dann geht es weiter in Richtung Einachsumrichter und dezentraler Technik. Wir wachsen in der Leistungsbreite sowie den Hardware-Ausprägungen, aber auch und sehr stark in den Software-Lösungen. Als ‚Klammer’ darüber dient unser neues Engineering-Tool Movisuite.
Und wie differenziert sich die SEW-Lösung vom Wettbewerb?
Die Hardware alleine reicht nicht mehr. Zukünftig wird die Software und der ‚Ease of use’ ein immer größeres Differenzierungsmerkmal. Das forcieren wir konkret mit Movi-C. Nichtsdestotrotz haben wir ein enorm breites und tiefes Portfolio an mechatronischen und elektronischen Komponenten und Lösungen. Dabei helfen wir den Kunden von der Beratung über das Engineering bis hin zur Inbetriebnahme. Ein großes Pfund sind und bleiben auch unsere ‚Soft-Facts’ wie weltweiter Service und Support, lokale Erreichbarkeit, Qualität und Lieferzeiten sowie hohe Endkundenakzeptanz. Hierfür wenden wir viel Energie und Ressourcen auf!