John Browett, General Manager der CLPA Europe, erläutert, wie sich die industriellen Kommunikationsnetze verändert haben und gibt einen Ausblick auf die Zukunft.
Vom Feldbuskrieg zu TSN: Geschichte der industriellen Netzwerke
Ursprünglich gab es in der Automatisierung keine Netzwerke; Verbindungen wurden vielmehr umständlich über diskrete Verdrahtung hergestellt. Diese wurden in den 1980er Jahren von diversen offenen Feldbussen abgelöst, die jedoch untereinander nicht kompatibel waren.
So entbrannte ein erbitterter Kampf um die Marktdominanz, die so genannten „Feldbuskriege“. Die Treiber der Netzwerktechnik erkannten bald, dass den offenen, aber nicht zueinander kompatiblen Feldbussen ein begrenzter Erfolg beschieden sein und die Zukunft den offenen, interoperablen Lösungen gehören würde.
So setzten denn auch die nachfolgenden Netzwerktechnologien auf eine offene, standardisierte Bitübertragungsschicht in Form von Ethernet. Hiermit wurde industrielles Ethernet zu einem Standard in der industriellen Kommunikation und Fabrikautomation, und die Infrastrukturen wurden einheitlicher.
Die neue Lösung bot zudem eine höhere Transparenz, sodass die Operational Technology (OT) der Fertigung einfacher mit der Informationstechnologie (IT) integriert und Safety-, Motion- und normale Control-Funktionen in einem Netzwerk vereint werden konnten.
Obwohl jedoch die Übertragungsschicht nun standardisiert war, ließ sich ein deterministischer Betrieb nur mithilfe bestimmter Protokolle erreichen, die leider noch immer nicht interoperabel waren. Obwohl Offenheit nun unterstützt wurde, mussten alle Komponenten im Netzwerk dasselbe Protokoll verwenden. Interoperabilität war und blieb also ein Thema.
Anforderungen an Netzwerke wachsen
Auch wenn industrielles Ethernet viele der anfänglichen Herausforderungen der industriellen Kommunikation inzwischen überwunden hat, ist die Entwicklung noch nicht abgeschlossen. Es gibt noch erhebliches Verbesserungspotenzial, und die aufkommende Industrie 4.0 stellt zusätzliche Anforderungen.
Vor allem gibt es, wie bereits erwähnt, unterschiedliche industrielle Ethernet-Protokolle, die, obwohl sie als offene Lösungen den Unternehmen Wahlfreiheit im Hinblick auf die Komponenten lassen, im Allgemeinen nicht interoperabel sind.
Industrie 4.0-Anwendungen generieren große Mengen an Daten, die vielen verschiedenen Bereichen innerhalb der Fabrik zur Verfügung gestellt werden müssen; der reibungslose Informationsfluss zwischen den „Automatisierungsinseln“ ist enorm wichtig geworden.
Uneinheitliche industrielle Ethernet-Protokolle können dies nicht ohne Weiteres leisten. Connected Industries, das von Japan ausgehende Pendant zum deutschen Konzept von Industrie 4.0, fordert zudem die Konvergenz von OT und übergeordneter IT. Zukunftssichere industrielle Netzwerke müssen daher auch den Datenaustausch zwischen diesen beiden Bereichen unterstützen.
Diese Eigenschaften müssen zukünftige industrielle Netzwerke mitbringen
Das ideale industrielle Netzwerk soll eine einzige, einheitliche Netzwerkarchitektur besitzen, über die sich alle Komponenten miteinander verbinden lassen, wobei deren Anzahl ebenso wenig eine Rolle spielt wie der jeweilige Standort. Außerdem muss dieses Idealsystem leicht zu warten, sicher, deterministisch und hochproduktiv sein.
Noch gibt es dieses Idealnetzwerk nicht. Wer sich aber die Anforderungen bewusst macht, kann leichter die Technologien identifizieren, die im Hinblick auf die industrielle Kommunikation zukunftssicher sind. Angesichts der langen Lebenszyklen in der Automatisierung können Unternehmen schließlich mit der Aktualisierung ihrer Systeme nicht auf das Idealsystem warten.
Viele Projekte erfordern zum jetzigen Zeitpunkt eine Modernisierung; deshalb gilt es, mit der Implementierung von Netzwerklösungen zu beginnen, die einen reibungslosen Übergang in die Zukunft gewährleisten.
Eine höhere Netzwerkbandbreite spielt ebenfalls eine elementare Rolle. Nur so funktioniert der Austausch von Big Data – eine der zentralen Notwendigkeiten von Industrie 4.0 beziehungsweise Connected Industries. An bereits verfügbaren Technologien wie CC-Link IE zeigt sich, dass Gigabit-Bandbreite ein wesentlicher Faktor für die Weiterentwicklung des industriellen Ethernets ist.
Die Bedeutung von TSN für die industrielle Automatisierung
Neben der Bandbreite wird Time-Sensitive Networking (TSN) eine Schlüsselrolle für Industrie 4.0 spielen, denn TSN ermöglicht die Zusammenführung verschiedener Arten von Datenverkehr in einem Netzwerk. So unterstützt TSN die Kombination von Steuerungsdaten und Standard-TCP/IP-Verkehr, wie beispielsweise Videodaten von Bildverarbeitungssystemen für Inspektionsaufgaben.
Insbesondere ermöglicht TSN die Priorisierung des Datenverkehrs nach seiner Dringlichkeit. Auf diese Weise lässt sich ein einziges Netzwerk für verschiedene Arten von Daten nutzen, ohne hierdurch die Datenübertragungsgeschwindigkeit auszubremsen oder die Netzwerkleistung zu beeinträchtigen. Weil größere Datenmengen über das Netzwerk geschickt werden können, wird dieses effizienter ausgenutzt, das heißt, die Gesamtbetriebskosten sinken.
Da „Standard“-Ethernet durch TSN per se deterministisch wird, könnte man meinen, die industriellen Ethernet-Protokolle seien nicht mehr erforderlich. So weit sind wir allerdings noch nicht: TSN ist lediglich ein „Kanal“ und kann die gängigen Anforderungen der Industrie wie Motion-Control, Sicherheit, Geräteprofile und so weiter nicht ohne Weiteres erfüllen. Technologien wie Field Level Communications (FLC) für OPC UA setzen sich hiermit auseinander, aber noch ist unklar, wann die FLC-Initiative die notwendige Reife erreicht.
CC-Link IE TSN soll den Weg ebnen
Wir befinden uns demnach in einer Übergangsphase. Auch wenn TSN mit Blick auf die Zukunft vielversprechend ist, müssen wir zunächst die Bedürfnisse der Gegenwart erfüllen. Eine Netzwerktechnologie, mit der Unternehmen der optimalen Lösung für die industrielle Kommunikation näher kommen, ist CC-Link IE TSN. Als erstes offenes Industrial Ethernet kombiniert CC-Link IE TSN die Gigabit-Bandbreite mit Time-Sensitive Networking.
Diese Lösung ist eine Entwicklung der CLPA, die als erste Organisation für offene Netzwerke offenes Gigabit-Ethernet für die Automatisierung anbieten konnte. Auch in der Vergangenheit hat die CLPA bereits Schlüsseltechnologien bereitgestellt, die den Datenaustausch zwischen Controllern, 1-Gbit- und 100-Mbit-Feldgeräten sowie Safety und Motion Control in einem Netzwerk unterstützen.
CC-Link IE TSN ist die jüngste Neuerung der Organisation, indem es den Weg in die Zukunft ebnet und dabei die Anforderungen der Gegenwart erfüllt. Es unterstützt alle genannten Steuerfunktionalitäten und schafft mit TSN eine Grundlage für die konvergierten Netzwerke von morgen. Es kann außerdem anspruchsvolle Motion-Control-Anwendungen handhaben und bietet die Möglichkeit, Geräte entweder mithilfe von Software- oder Hardwarelösungen zu implementieren.
Dabei unterstützt CC-Link IE TSN Ethernet-Übertragungsraten von sowohl 100-Mbit/s als auch 1Gbit/s. Mit diesen zukunftssicheren Eigenschaften ist die neue offene Gigabit-Ethernet-Technologie der CLPA für alle Herausforderungen von Industrie 4.0 und Connected Industries bestens gewappnet.