Die Begegnung zwischen Cognibotics und Keba fand auf der automatica 2022 in München statt. Fredrik Malmgren, CEO von Cognibotics, startete das Gespräch mit einer klaren Ansage: „Wir haben uns entschieden, dass wir die Keba-Robotiktechnologie für unser Produkt einsetzen möchten.“
Keba Industrial Automation besaß genau jenes Puzzlestück, das dem schwedischen Unternehmen mit Sitz in Lund für die Markteinführung seines revolutionären Hochleistungsroboters namens „HKM1800“ für die Materialhandhabung noch fehlte: KeMotion, die Robotiklösung von Keba auf Basis der Automatisierungsplattform Kemro X.
HKM steht für Hybrid Kinematic Manipulator. Der Name leitet sich aus der Kombination der Vorteile von serieller und paralleler Kinematik ab; er ist ein neuartiger Hybrid. Diese Konstruktion erlaubt geringstmögliche bewegte Massen und kürzeste Taktzeiten über große kreisförmige Arbeitsbereiche.
Suche nach ausgereifter Robotikplattform
„Nachdem wir die Namen der Keba-Software-Schnittstellenaufrufe gelesen hatten, wussten wir, dass es sich bei diesem System um eine ‚echte Robotersteuerung‘ und nicht um ein einfaches Robotik-Addon für eine SPS handelt“, sagen die Entwickler aus Malmgrens Team. Über zwei Jahre suchten sie nach einer geeigneten Steuerung und Plattformlösung für ihren HKM1800, einen Handhabungsroboter für die Kommissionierung, der durchaus das Potential hat, die gesamte Branche zu verändern.
Malmgren erklärt: „Wir benötigten eine ausgereifte und vollständige Robotikplattform, die genügend Freiraum für unser spezifisches Know-how gewährte. Das bot nur die Keba-Robotik-Umgebung. Hier konnten wir unsere Technologie einfach integrieren. Damit entstand ein einzigartiges Produkt, das nicht leicht zu kopieren ist.“
Cognibotics wurde 2013 von Klas Nilsson mit dem Ziel gegründet, fortschrittliche Robotertechnologie und hochmoderne Industrieroboter für Anwendungen in der Materialverarbeitung und im Materialtransport zu entwickeln. Heute arbeiten mehr als 40 Personen im Unternehmen. 15 von ihnen kommen direkt aus einem wissenschaftlichen Umfeld, viele andere sammelten jahrzehntelang in der Industrieautomation und industrieller Robotik Praxiserfahrung. „Wir waren nie ein typisches Start-up. Zählt man die Robotikerfahrung aller Kollegen zusammen, kommen wir leicht auf 100 Jahre“, sagt Malmgren.
Nach der Messe im Juni wurde die Zusammenarbeit von Cognibotics und Keba rasch aufgenommen – der HKM sollte innerhalb eines Jahres auf den Markt gebracht werden. Michael Garstenauer, Produktmanager bei Keba präzisiert: „Die Herausforderung von Cognibotics war, dass sie mit ihrem HKM1800 in einen produktiven Bereich mit hohen Anforderungen an Zuverlässigkeit, Service, Ersatzteilverfügbarkeit und auch Technologie einsteigen wollten.“
Mit Hilfe von Cognibotics exakten Anforderungen wurde das ehrgeizige Ziel erfüllt. Schon nach kurzer Zeit gab sich Cognibotics mehr als erstaunt, was alles in KeMotion steckt: „Wir hatten das System tagelang laufen und es ist nie abgestürzt oder eingefroren. Das hat uns sehr überrascht“, sagt Malmgren.
Ein halbes Jahr später, im Jänner 2023, stand schließlich der HKM1800 voll funktionsfähig im Labor und bereit für die Kundenwelt. „Wir wussten, dass wir mit unserem Zeitplan ehrgeizig waren, aber durch den Einsatz der Keba-Robotiklösung konnten wir unsere Entwicklungszeit um das Vierfache verkürzen, was wir auf andere Weise niemals erreicht hätten. Diese kurze Zeit bis zur Marktreife ist entscheidend für den zukünftigen Markterfolg des HKM1800“, sagt Malmgren.
Weltweite Lieferengpässe im Jahr 2022 führten zwischenzeitlich zu einer leichten Unsicherheit bezüglich der rechtzeitigen Fertigstellung des Projektes. Davon waren auch Rechnerkomponenten wie Motoren betroffen. „Dank der Keba-eigenen Produktion konnten wir diese Herausforderung aber deutlich besser meistern als der Markt“, lacht Malmgren rückblickend.
Vier Mal schneller als ein Mensch
Der Hochleistungsroboter eröffnet völlig neue Möglichkeiten für robotergestützte Kommissionierprozesse – besonders wenn mehrere Entnahme- und Bestückungspositionen einen großen Arbeitsbereich umfassen, wie es typisch für Lager- und Distributionszentren der Intralogistik ist. Malmgren erklärt: „Während ein Mensch ein Tempo von 300 bis 500 Pick-&-Place-Zyklen pro Stunde halten kann, schafft der HKM 1.800 über 2.000 Zyklen pro Stunde mit der Möglichkeit, viel weiter zu reichen, als es für einen Menschen zumutbar ist.“
Der Pick-&-Place-Roboter ist damit viermal schneller als ein Mensch und kann komplexe Waren wie Obst, Gemüse oder flexible Gegenstände in Kisten sortieren.
Im Vergleich zu üblichen Scara-, Delta- und 6-Achs-Robotern ist der HKM1800 für Pick-and-Place-Anwendungen mit überlegener Leistung optimiert und mit genau den richtigen Freiheitsgraden entworfen. Der HKM1800 schafft eine maximale Traglast von 7,5 kg und eine Reichweite von 1.800 mm und deckt einen Arbeitsbereich von 10 m2 ab.
Malmgren sagt: „Bei der Konstruktion hatten wir uns an den deutschen Fachwerkbrücken orientiert.“ Er besteht aus einem leichten Hochleistungsmaterial, die Arme sind aus Kohlefaser und für die Gelenke wird Aluminium verwendet.
„Dabei haben wir alle Servomotoren und Getriebe an einem zentralen Punkt platziert, der sich kaum bewegt. Wir nutzen die Gesetze der Physik, die gesamte bewegte Masse ist ultraleicht, und alle schweren Dinge stehen im Grunde still“, gibt sich Malmgren begeistert. Der HKM1800 ist so konfiguriert, dass er äußerst wenig Masse bewegt, was Spitzenleistungen bei minimalem Energieverbrauch ermöglicht.
Energieeffizienter Roboter dank Konstruktion
Somit ist der HKM ein sehr energieeffizienter Roboter. Der Roboterarm wiegt nur etwa 25 kg, was bedeutet, dass er bei der Bewegung ein Minimum an Energie verbraucht. Dadurch kann er ohne große Energieverluste oder Wärmeentwicklung schnell beschleunigen und verlangsamen. Dies führt zu geringeren Energiekosten und vereinfacht die Installationsverfahren. „Wir stellen fest, dass Unternehmen mehr und mehr an diesen umweltfreundlichen Eigenschaften interessiert sind, um ihre Marken durch den Einsatz dieser sehr energieeffizienten Roboter zu stärken.“
Kebas Produktmanager Garstenauer hält fest: „Wir sind stolz darauf, Teil des HKM1800 zu sein. Dieses Projekt zeigt, wie unsere Kunden ihre Kerntechnologie auf der Grundlage unserer ausgereiften und leistungsstarken KeMotion-Roboterplattform implementieren und ihr Produkt schnell und zuverlässig auf den Markt bringen können.“
Keba durfte mit diesem Projekt die Grundlage für die Leistungsfähigkeit von Cognibotics bilden, einschließlich Servoantrieben, roboterspezifischer Sicherheitstechnik, Bewegungsplaner, Programminterpreter, mobilen Bedienlösungen und Schnittstellen zur Systemintegration.
Weltpremiere auf der automatica 2023
Cognibotics und Keba beschlossen ihre erfolgreiche Zusammenarbeit genau dort zu feiern, wo sie sich ein Jahr zuvor begegnet waren. Auf dem gemeinsamen Messestand der automatica 2023 wurde die HKM1800 erstmals der Weltöffentlichkeit präsentiert und es war ein voller Erfolg.
Als Bonus wurde der erste Kaufvertrag für das HKM1800 direkt auf dem Messestand feierlich unterzeichnet – von wem, das wird jedoch noch nicht verraten, da eine umfangreiche Integration stattfindet. In der Zwischenzeit hat ein anderes Unternehmen, Nowaste Logistic aus Helsingborg/Schweden, Geschichte geschrieben, indem es den Medien den ersten installierten HKM-Handlingsroboter präsentierte.
Das Unternehmen ist für seine Vorreiterrolle in der Lagerautomatisierung bekannt. Von seinen Terminals aus beliefert das Unternehmen eine Vielzahl von Kunden aus den unterschiedlichsten Branchen, von Lebensmitteln über Süßwaren bis hin zur Inneneinrichtung. Das Pilotprojekt begann Ende Februar 2024. Noch dieses Jahr sollen weitere Projekte folgen.