SMC verbinden viele traditionell mit Pneumatik. Wird das Unternehmen vielerorts unterschätzt, welche Innovationskraft und Lösungsangebote Sie für Industrie 4.0 haben?
Ja, ich glaube schon. Das ist auch ein Grund, warum wir uns 2017 von SMC Pneumatik zu SMC Deutschland umbenannt haben. Aber so Geschichten brauchen natürlich Zeit. Wir haben zwar schon vor Jahren angefangen, den Bereich elektrische Antriebstechnik kontinuierlich auszubauen und haben beispielsweise auch Kühl- und Temperiergeräte oder Ionisierer im Angebot – die jetzt kein klassisches Pneumatikgeschäft sind. Die Bereiche wachsen überproportional, aber wir bilden uns nicht ein, dass jetzt schon jeder weiß, dass SMC außer Pneumatik noch mehr hat.
Wandelt sich das Lösungsangebot also zunehmend Richtung elektrische Automatisierung?
Nein, denn auch die Pneumatik wächst bei uns noch mehr als die zwei Prozent des Marktdurchschnitts – wir gewinnen also auch hier Marktanteile dazu. Die elektrischen Komponenten und unsere Lösungen für Industrie 4.0 „brummen“ einfach noch mehr und ergänzen unsere Pneumatik bestens. Und zu Industrie-4.0-Lösungen zählen auch Gateways für unsere Ventilinseln sowie intelligente Sensoren für Pneumatikzylinder.
Bei Ihrem Industrial Application Center IAC bieten Sie Kunden an, intelligente und zukunftsweisende Automatisierungslösungen zu simulieren und zu kreieren. Geht es hier meist um die gleichen Probleme?
Wenn ich die letzten Jahre seit der Gründung 2014 Revue passieren lasse, so geht es bei fast allen Projekten mit dem Thema Industrie 4.0 und Digitalisierung immer noch um sehr einfache Fragestellungen: Wie kriege ich eigentlich einen ganz normal bestehenden, analogen Sensor in eine Cloud? Denn rund drei Viertel der Kunden wollen ihre alten Maschinen, die oft auch immer noch produziert werden, digitalisieren und fit für Services wie Fernwartung oder Predictive Maintenance machen. Nur rund ein Viertel unserer Kunden bauen wirklich eine komplett neue Anlage oder Maschine. Dann haben wir natürlich die Möglichkeit, auf moderne Technologie wie beispielsweise IO-Link zu setzen.
Auf welche Trendthemen fokussieren Sie im IAC?
Zum einen zählt das Energie-Monitoring von ganzen Anlagen zu einem Trendthema, wenn es um Digitalisierung geht. In dem Moment, wo Sie wissen, wann welche Anlage wie viel, sei es jetzt Strom oder Druckluft, verbraucht, können Sie auch die Spitzenlast reduzieren. Das heißt, wenn ich weiß, beide Maschinen laufen zur gleichen Zeit mit einem Maximalbezug an Energie, so lässt sich ein Produktionsversatz realisieren oder ein Kompressor anders dimensionieren. Das Thema Wireless-Technologie ist für unsere Kunden ebenfalls von hohem Interesse. Hier sind wir beispielsweise der einzige Anbieter, der auch eine drahtlose Ventilinsel anbieten kann. Die Lösung ist bereits bei einem Automobilhersteller im Testfeld.
Zeigen Sie also in Ihrem IAC, was technisch möglich ist und wie die Produktion der Zukunft aussieht?
Nein! Also nur zeigen, was technologisch möglich ist, so ticken wir als SMC nicht. Wir realisieren neue Lösungen immer anhand von Kundenbedarfen. Woher kommt beispielsweise das Thema Wireless? Natürlich aus dem Handling-Bereich mit Robotern. Diese werden immer kollaborativer und kleiner – und somit „schrumpfen“ auch unsere Komponenten. Mit Wireless-Technologie spart man Verdrahtung und der Einsatz von Robotern wird flexibler.
Welche Rolle spielen bei SMCs Industrie-4.0-Konzepten modulare Maschinenkonzepte?
Das ist ja eigentlich der Hintergrund für die Wireless-Technologie. Denn letztendlich ist es das Ziel, einzelne Anlagenmodule hinein- und herausziehen zu können, ohne Verdrahtungen und Verkabelungen. Die entsprechende Kommunikation untereinander muss natürlich über standardisierte Protokolle sichergestellt sein. Und dann kann ich Anlagenteile hinein- oder wieder herausziehen, je nachdem, ob in der nächsten Produktcharge noch einen Zwischenschritt wie eine Stempelung notwendig ist – denn die Produkte werden einfach immer individueller. Und somit die Anforderung: modularere Maschinenkonzepte, um diese Flexibilität, die vom Endverbraucher kommt, erfüllen zu können. Darin sehe ich übrigens auch eine Chance für den Produktionsstandort Deutschland. Der Kunde will heutzutage auf sein individualisiertes Produkt nicht wochenlang warten, bis es per Seefracht aus Fernost kommt, sondern heute bestellen, morgen geliefert haben.
Im IAC entwickeln Sie also für einen Kunden zum Beispiel eine komplette Ventillösung oder ein Handlings-Subsystem, das er dann auf seiner Maschine wieder verwenden kann?
Genau, idealerweise modular einsetzbare Subsysteme. Im IAC sehen Sie zum Beispiel gerade ein neu entwickeltes Balancer-System, das eine komplette Seitentür für einen Automobilhersteller handhabt – inklusive der Deckenaufhängung in der Produktionshalle. Ein anderes aktuelles Projekt ist eine Roboterinstallationsplatte. Hier erwartet der Kunde eine komplett anschlussfertige Lösung inklusive Dokumentation, und nicht die Einzelteile. Der Trend geht zunehmend hin zu fertig entwickelten Subsystemen – und hier sind wir der richtige Partner, weil wir gleichzeitig auch für die Digitalisierung sorgen.
Fertige Lösungen heißt also auch inklusive digitalem Zwilling, damit er in seiner Wertschöpfungskette einen durchgehenden Datenfluss hat?
Die Daten werden immer mehr elektronisch zur Verfügung gestellt. Allerdings habe ich mit dem Begriff „Digitaler Zwilling“ so meine Schwierigkeiten, weil ich glaube, er ist nicht allumfassend. Der Zwilling bedeutet ja immer, es ist identisch mit dem, was ich sehe – nur digitalisiert. Und zukünftig wird der Digitale Zwilling noch viel umfassender als das mechanische Original: Er wird mit Daten angereichert sein wie Serviceverträge, wann ist eine Wartung notwendig, wann sollte ein Austausch erfolgen und einem sagen, welche Fähigkeiten das Objekt eigentlich hat.
Jetzt können diese Industrie-4.0-Projekte beliebig komplex und umfangreich sein. Wie wichtig sind Ihrerseits wieder Partnerschaften mit Spezialisten auf verschiedenen Gebieten?
Wir arbeiten natürlich mit Industriepartnern und auch Universitäten zusammen. So zeigten wir als Beispiel einer Kooperation auf der SPS IPC Drives einen Showcase zusammen mit Hirschmann, NXTGN und IPC Beck. Gemeinsam entwickelten wir ein Handling-System, dass sich über die Cloud fernsteuern lässt. Denn natürlich ist uns bewusst, dass wir nicht der Netzwerk-, Gateway- oder Cloud-Spezialist sind. Und wir wollen dem Kunden ja eine bewährte, zuverlässige sowie maximal wirtschaftliche Lösung liefern. Das klappt nur, wenn man Partner einbindet, die auf ihrem Gebiet zu den absoluten Experten zählen. Würden wir alles selbst machen, würde es viel zu teuer und langwierig werden. Nehmen Sie hier als Beispiel die Firma NXTGN, die seit jeher darauf spezialisiert sind, Geschäftsmodelle in der Cloud zu modellieren. Das heißt: Wie muss ich das überhaupt in der Cloud aufsetzen, programmieren, modellieren, damit das, was eigentlich geschehen soll, auch geschieht? Und dann ist ein Partner, der dafür Experte ist, aus unserer Sicht der sinnvollere Weg.
Bieten Sie im IAC auch Schulungen für den Einsatz von modernen Technologien in der Smart Factory an?
Ja das bieten wir an, und der Service wird von unseren Kunden auch sehr gerne wahrgenommen. Ein beliebter Bereich: Energiemanagement. Wir haben ein Team, das beim Kunden vor Ort die Produktion ausführlich analysiert und dann auch Einsparpotenziale ermittelt. Extrem gut gefragt sind auch Schulungen über Sicherheitstechnik. Obwohl das Thema schon viele Jahrzehnte wichtig ist, merken wir, dass viele Firmen Safety für die Pneumatik nicht so richtig auf dem Schirm hatten. Schließlich stellt eingesperrte Luft einen Energiespeicher dar und dieser muss sicherheitstechnisch bewertet werden.
Berater gibt es inzwischen aber ohne Ende. Liegt SMCs Vorteil im detaillierten und ganzheitlichen Praxis-Know-how aus der eigenen Fertigung und den eigenen Produktlösungen?
Ich möchte gar nicht so sehr über Marktteilnehmer sprechen, aber wir bei SMC haben natürlich den Vorteil, dass wir diese Verknüpfung zur Hardware haben. Wir wissen eben, was auch in der Komponente letztendlich umgesetzt werden muss und umgedreht, damit beispielsweise der erforderliche Sicherheits-Performance-Level entsteht. Und das ist ein Mehrwert, den wir sehr gut bieten können, auch in Kooperation mit Unternehmen wie jetzt zum Beispiel mit Rockwell Automation. Wir setzen unsere Pneumatik in Verbindung mit deren Elektrik ein. Und daraus entstehen für Maschinenbauer Mehrwerte, weil sie dann gleich sehen, hier haben sich schon Unternehmen gemeinsam Gedanken gemacht für eine funktionierende und erprobte Lösung.
Können Sie dem Kunden auch mit Engineering-Dienstleistungen bei Projekten unterstützen?
Natürlich ist es ein Vorteil, dass wir 1.900 Entwickler haben und somit eine enorme Engineering-Power besitzen. Trotzdem überlegen wir mit dem Kunden primär immer, ob die Lösung auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Manchmal ist eine Lösung zwar technisch möglich, aber schließlich wollen wir unsere Kunden nicht in eine Kostenfalle laufen lassen.
Wo sehen Sie SMC perspektivisch in den nächsten Jahren?
Unser Anspruch ist immer höchste Qualität. Darum werden wir beim Thema Digitalisierung vielleicht nicht immer der größte oder „hippste“ Innovator sein, doch wenn wir was anbieten, dann mit Praxisnutzen und echten Mehrwerten. Im Digitalbereich werden wir in den nächsten Jahren deutlich mehr anbieten in Bezug auf Simulationsmöglichkeiten, digitalen Zwillingen und Umsetzung neuer Standards wie beispielsweise OPC UA. Ansonsten stehen die Zeichen sehr gut, dass wir unseren globalen Marktanteil von 34 Prozent im Bereich Pneumatik in Verbindung mit elektrischer Antriebs- und Greiftechnik weiter ausbauen werden.